Kreislauf und
Umschlag des Kapitals

6.
Der Umschlag des variablen Kapitals

Aus der unterschiedlichen Dauer des Produktionsprozesses der beiden genannten Produktionszweige ergibt sich die verschiedene Länge der Umschlagszeit des zirkulierenden und damit des variablen Kapitals. In der Schuhindustrie kehrt das variable Kapital sehr rasch wieder in Geldform zum Kapitalisten zurück, der es dann von neuem in den Verwertungsprozeß geben kann. In der Schiffbauindustrie dagegen muß der Kapitalist so lange neues variables Kapital hinzufügen, bis das Schiff vollendet und verkauft worden ist. Erst dann erhält er die gesamte Masse des vorgeschossenen Kapitals zurück und kann sie nach und nach wieder anwenden.

Ein bestimmter Teil des variablen Kapitals müßte demzufolge zeitweise brachliegen, ehe er wieder verwendet werden könnte. Für das individuelle Kapital der Schiffbauindustrie bedeutet der langsame Umschlag des variablen Kapitals deshalb nicht nur, daß das variable Kapital lange Zeit festliegt, sondern auch, daß es eine bestimmte Zeit in Geldform verharren müßte.

Vom gesellschaftlichen Gesichtspunkt betrachtet, hat der langsame Umschlag des variablen Kapitals solcher Produktionszweige wie der des Schiffbaus noch eine besondere Bedeutung. Der Kapitalteil, der in den Händen der Kapitalisten das variable Kapital darstellt, ist nach dem Kauf der Arbeitskraft in den Händen der Arbeiter der Arbeitslohn, mit dem sie ihre Konsumtionsmittel kaufen. Die Schiffbaukapitalisten kaufen die Arbeitskraft immer wieder, und zwar mit neuem variablem Kapital, da das andere bis zur Fertigstellung des Schiffes festliegt. Das bedeutet für die Arbeiter, daß sie von neuem die benötigten Existenzmittel kaufen können. Die im Schiffbau beschäftigten Arbeiter entziehen – wie die Kapitalisten – dem Warenmarkt Konsumtionsmittel und werfen selbst erst nach Jahren ihr Produkt auf den Markt. Gleichzeitig kaufen die Kapitalisten Produktionsmittel, entziehen dem Warenmarkt nach und nach Waren, ohne selbst sofort welche zu verkaufen. Das erfordert, daß auf dem Warenmarkt ein ständiges Angebot von Produktions- und Konsumtionsmitteln vorhanden sein muß, wenn die Produktion im Schiffbau ununterbrochen vor sich gehen soll.

Angesichts der Anarchie der kapitalistischen Produktion führt das notwendigerweise zu Widersprüchen, Komplikationen und Krisen. Karl Marx bemerkte mit einem Vorausblick auf die kommunistische Wirtschaft dazu: „Denken wir die Gesellschaft nicht kapitalistisch, sondern kommunistisch, so fällt zunächst das Geldkapital ganz fort, also auch die Verkleidungen der Transaktionen, die durch es hineinkommen. Die Sache reduziert sich einfach darauf, daß die Gesellschaft im voraus berechnen muß, wieviel Arbeit, Produktionsmittel und Lebensmittel sie ohne irgendwelchen Abbruch auf Geschäftszweige verwenden kann, die, wie Bau von Eisenbahnen z. B., für längre Zeit, ein Jahr oder mehr, weder Produktionsmittel noch Lebensmittel, noch irgendeinen Nutzeffekt liefern, aber wohl Arbeit, Produktionsmittel und Lebensmittel der jährlichen Gesamtproduktion entziehn. In der kapitalistischen Gesellschaft dagegen, wo der gesellschaftliche Verstand sich immer erst post festum geltend macht, können und müssen so beständig große Störungen eintreten.“71

Diese Widersprüche und Probleme werden später, besonders im Zusammenhang mit der Untersuchung der Reproduktion und Zirkulation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals und der Wirtschaftskrisen, näher untersucht und dargelegt.72