Profit, Durchschnittsprofit
und Produktionspreis

2.1.
Das Problem

Die Faktoren, die die Höhe der Profitrate bestimmen, unterliegen Veränderungen. Die Mehrwertrate und die Mehrwertmasse haben sich, insbesondere durch die mit der Entwicklung der Produktivkräfte steigende Arbeitsproduktivität, im Verlauf der Entwicklung des Kapitalismus bedeutend erhöht. Durch den wissenschaftlich-technischen Fortschritt wächst die organische Zusammensetzung des Kapitals. Diese wirkt auf die Länge der Umschlagszeit des Kapitals. Das Hauptproblem aber ist, daß mit der wachsenden organischen Zusammensetzung des Kapitals der Anteil der lebendigen Arbeit sinkt.

Wenn wir unterstellen, daß sich zu einem bestimmten Zeitpunkt der Entwicklung des Kapitalismus, und in einem bestimmten kapitalistischen Land eine für alle Produktionszweige etwa gleich große Mehrwertrate herausgebildet hat, und wenn wir den Einfluß der Monopole auf die Höhe der Profitrate aus unseren Betrachtungen zunächst noch ausklammern, so hängt die Höhe der Profitrate in starkem Maße von der organischen Zusammensetzung des Kapitals ab.

Die organische Zusammensetzung des Kapitals ist jedoch in den einzelnen Wirtschaftszweigen und in den einzelnen Betrieben verschieden. Es gibt Unterschiede zwischen der organischen Zusammensetzung des Kapitals im Schiffbau und in der Landwirtschaft, im Schwermaschinenbau und in der Leicht- und Lebensmittelindustrie oder zwischen technisch modern ausgerüsteten und technisch veralteten Betrieben. Die Unterschiede in der organischen Zusammensetzung des Kapitals resultieren wesentlich aus den Besonderheiten der Produktion der einzelnen Zweige, aus der ungleichmäßigen Verwirklichung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und aus dem Konkurrenzkampf.

Die organische Zusammensetzung des Kapitals ist demnach dort am höchsten, wo die technische Ausrüstung am modernsten und der Anteil des konstanten Kapitals am Gesamtkapital am größten ist. Sie ist dort am niedrigsten, wo die technische Ausrüstung wenig entwickelt und der Anteil des konstanten Kapitals am Gesamtkapital gering ist.

Aus der Verschiedenheit der organischen Zusammensetzung des Kapitals ergibt sich, daß bei gleicher Mehrwertrate Kapitale mit unterschiedlich hoher organischer Zusammensetzung des Kapitals eine unterschiedlich hohe Profitrate haben. Ein Kapital in der Zusammensetzung von 80 c + 20 v hat bei einer Mehrwertrate von 100 Prozent eine Profitrate von 20 Prozent, dagegen bei einer Zusammensetzung von 60 c + 40 v eine Profitrate von 40 Prozent.

„Bei gleichem Exploitationsgrad der Arbeit hängt die Masse der von einem Kapital = 100 in Bewegung gesetzten Arbeit, und daher auch der von ihm angeeigneten Mehrarbeit, von der Größe seines variablen Bestandteils ab … Da also Kapitale in verschiednen Produktionssphären, prozentig betrachtet – oder gleich große Kapitale –, sich ungleich einteilen in konstantes und variables Element, ungleich viel lebendige Arbeit in Bewegung setzen und daher ungleich viel Mehrwert, also Profit erzeugen, so ist die Rate des Profits, die eben in der prozentigen Berechnung des Mehrwerts auf das Gesamtkapital besteht, in ihnen verschieden.“20

Aus der unterschiedlichen organischen Zusammensetzung des Kapitals und der darauf beruhenden unterschiedlichen Profitrate ergeben sich für den gesellschaftlichen Reproduktionsprozeß des Kapitals folgende Probleme:

Erstens: Innerhalb einer kapitalistischen Volkswirtschaft müßten, entsprechend den Unterschieden in der organischen Zusammensetzung des Kapitals der verschiedenen Betriebe und Zweige, verschieden große Profitraten realisiert werden; die größten in denjenigen mit der niedrigsten organischen Zusammensetzung des Kapitals und die kleinsten in denjenigen mit der höchsten organischen Zusammensetzung des Kapitals.

Ausgehend von der objektiven Tatsache, daß das Ziel der kapitalistischen Produktion die höchstmögliche Verwertung des Kapitals ist, ergibt sich die Frage, wie es möglich ist, daß die Kapitalisten ihre Betriebe technisch modernisieren, obwohl dadurch die organische Zusammensetzung des Kapitals steigt und die Profitrate sinkt.

Zweitens: Wenn die Verwertung des Kapitals dort am größten ist, wo die technische Ausrüstung gering entwickelt ist, dann würde das zur Konservierung der Rückständigkeit führen und eine Tendenz zur Stagnation der technischen Entwicklung erzeugen. Tatsächlich hat der Kapitalismus aber massenhaftere und kolossalere Produktivkräfte hervorgebracht als alle Gesellschaftsformationen vor ihm.21 Hier steht die auf niedrigerer organischer Zusammensetzung des Kapitals beruhende hohe Profitrate in scheinbarem Widerspruch zum tatsächlichen wissenschaftlich-technischen Fortschritt des Kapitalismus. Das Problem ist also hier, wie der Widerspruch zwischen der Entwicklung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und die damit verbundene, auf der Erhöhung der organischen Zusammensetzung des Kapitals beruhende Verschlechterung der Kapitalverwertung gelöst wird.

Drittens: Die Realisierung der auf unterschiedlicher organischer Zusammensetzung des Kapitals beruhenden unterschiedlichen Profitrate wirft schließlich die Frage auf, wie der gesellschaftliche Reproduktionsprozeß des Kapitals funktionieren kann, wenn alle Kapitale in Zweigen mit höchster Profitrate angelegt würden und dadurch ein Mangel an Produkten der Zweige mit niedriger organischer Zusammensetzung eintreten würde. Das würde letztlich die Entwicklung aller Produktionszweige negativ beeinflussen. Das Problem, das hier entsteht, ist: Wie wird der Widerspruch zwischen dem Trieb der Kapitalisten nach höchster Kapitalverwertung und den objektiven Bedürfnissen des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses des Kapitals gelöst, das heißt, wie wird der gesellschaftliche Reproduktionsprozeß des Kapitals reguliert?

Die Antwort auf die Fragen, wie sich diese Widersprüche lösen, gibt Karl Marx in seiner Lehre von der Konkurrenz innerhalb der Produktionszweige auf dem Warenmarkt und der Konkurrenz der Kapitale zwischen den einzelnen miteinander verflochtenen Produktionszweigen um die profitabelste Anlage.