Profit, Durchschnittsprofit
und Produktionspreis

2.3.
Die Konkurrenz um die profitabelste Kapitalanlage.
Allgemeine oder Durchschnittsprofitrate
und Produktionspreis

Wir sahen, wie sich im Konkurrenzkampf der Kapitale eines Produktionszweiges auf dem Warenmarkt eine Durchschnittsprofitrate des Produktionszweiges herausbildete und der Marktwert der Waren eines Produktionszweiges sich aus dem Kostpreis plus Durchschnittsprofit des Produktionszweiges zusammensetzt. Nun stehen wir vor der Tatsache, daß die durchschnittliche organische Zusammensetzung des Kapitals der einzelnen Produktionszweige ebenfalls unterschiedlich ist. Es gibt also Zweige mit hoher und Zweige mit niedriger organischer Zusammensetzung des Kapitals und solche, die, die gesamte gesellschaftliche Produktion betrachtet, eine durchschnittliche organische Zusammensetzung des Kapitals haben. Demzufolge ergeben sich unterschiedliche durchschnittliche Profitraten der Produktionszweige.

Aber hier wirkt dieselbe Triebkraft, die auch innerhalb der Zweige wirksam ist: der aus dem ökonomischen Grundgesetz des Kapitalismus hervorgehende Drang nach höchstmöglicher Profitrate auf dem Wege der Gewinnung von Extraprofit. Und hier ist, bei ungehinderter freier Konkurrenz, das Ergebnis der Ausgleich der unterschiedlichen Profitraten der Produktionszweige zu einer allgemeinen oder Durchschnittsprofitrate aller Zweige der kapitalistischen Wirtschaft. „Diese Durchschnittsprofitrate ist aber nichts andres als der prozentig berechnete Profit in jener Sphäre der mittlern Komposition, wo also der Profit zusammenfällt mit dem Mehrwert. Die Profitrate ist also in allen Produktionssphären dieselbe, nämlich ausgeglichen auf diejenige dieser mittleren Produktionssphären, wo die Durchschnittszusammensetzung des Kapitals herrscht. Hiernach muß die Summe der Profite aller verschiednen Produktionssphären gleich sein der Summe der Mehrwerte, und die Summe der Produktionspreise des gesellschaftlichen Gesamtprodukts gleich der Summe seiner Werte.“26

Der Ausgleich der unterschiedlichen Profitraten der Produktionszweige zur allgemeinen, das heißt für alle Produktionszweige geltenden Durchschnittsprofitrate, erfolgt durch die Konkurrenz um die Kapitalanlage, die den höchsten Profit verspricht.

Im Drang nach höchstmöglicher Verwertung wandert das Kapital in die Produktionszweige mit der höchsten Profitrate. Da aber alle Kapitale diesem Drang folgen, wird die Produktion in den momentan profitableren Produktionszweigen ausgedehnt und modernisiert. Die steigende Produktion erreicht ein Ausmaß, das den gesellschaftlichen Bedarf übersteigt. Es verschärft sich der Konkurrenzkampf auf dem Warenmarkt der betreffenden Produktionszweige. Im Ergebnis dieses Konkurrenzkampfes sinkt mit dem Marktwert auch die Profitrate, weil zuviel Kapital in den betreffenden Produktionszweigen angelegt wurde. Dadurch machen die technisch rückständigen Betriebe bankrott, während andere, soweit sie ihr Kapital mobil machen können, in einen anderen Produktionszweig abwandern.

Im Konkurrenzkampf der Kapitale um die profitabelste Kapitalanlage gleichen sich die unterschiedlichen Profitraten der einzelnen Produktionszweige zur allgemeinen oder Durchschnittsprofitrate aus, und der Wert der Waren verwandelt sich in den Produktionspreis. „Die Preise, die dadurch entstehn, daß der Durchschnitt der verschiednen Profitraten der verschiednen Produktionssphären gezogen und dieser Durchschnitt den Kostpreisen der verschiednen Produktionssphären zugesetzt wird, sind die Produktionspreise. Ihre Voraussetzung ist die Existenz einer allgemeinen Profitrate, und diese setzt wiederum voraus, daß die Profitraten in jeder besondren Produktionssphäre für sich genommen, bereits auf ebensoviel Durchschnittsraten reduziert sind.“27

Der Produktionspreis ist eine verwandelte Form des Wertes. Er bildet das Zentrum, um das nunmehr die Marktpreise schwanken. „Einerseits“, erklärt Karl Marx, „hat sich jetzt abgesondert als Teil dieses Werts der Kostpreis, andrerseits hat sich entwickelt als eine verwandelte Form des Werts der Produktionspreis der Ware.“28

Die allgemeine Profitrate und der Produktionspreis sind jedoch keine feststehenden Punkte. Sie existieren nur in der Bewegung der Kapitale in dem sich verflechtenden Konkurrenzkampf um die profitabelste Kapitalanlage, um den Extraprofit und um den Absatz auf dem Warenmarkt. Sie existieren „der Tendenz nach, wie alle ökonomischen Gesetze“.29 Diese Feststellung gilt für den Wert überhaupt, den kapitalistischen Marktwert und daher auch für dessen verwandelte Form, den Produktionspreis. „Was hier vom Marktwert gesagt, gilt vom Produktionspreis, sobald er an die Stelle des Marktwerts getreten. Der Produktionspreis ist in jeder Sphäre reguliert, und ebenso nach den besondren Umständen reguliert. Er selbst aber ist wieder das Zentrum, worum sich die täglichen Marktpreise drehn und wozu sie sich in bestimmten Perioden ausgleichen.“30

Die Kapitalwanderung in die Produktionszweige mit höchster Profitrate erfolgt durch die Triebkraft des objektiven Mehrwertgesetzes, das sich als Zwangsgesetz der Konkurrenz um die profitabelste Anlage äußert. Jeder will die höchste Profitrate; aber da alle Kapitalisten diesem Ziel zustreben, rufen sie in den betreffenden Produktionszweigen Überproduktion, Senkung des Marktwerts und der Profitrate des Produktionszweiges hervor und bewirken, ohne es zu wollen, den Ausgleich der unterschiedlichen Profitraten zur allgemeinen Profitrate.

Die Kapitalwanderung in die Produktionszweige mit höherer Profitrate ist mit dem Ruin vieler Kapitalisten, mit der Stillegung von Betrieben, mit Lohnsenkungen und Arbeitslosigkeit für die Arbeiterklasse verbunden. Kapitalwanderung heißt, daß auch die Arbeiter dem Kapital nachwandern müssen, daß ganze Landstriche veröden und woanders neue Industriezentren entstehen.

Durch die Kapitalwanderung wird also der Ausgleich der unterschiedlichen Profitraten der Produktionszweige zur allgemeinen Profitrate und die Verwandlung des Wertes der Waren in den Produktionspreis bewirkt. Das bedeutet aber, daß ein Teil der Kapitalisten nicht mehr den Profit realisiert, der im Zweig von den Arbeitern produziert wurde, sondern daß die Gesamtmasse des Profits unter die Gesamtklasse der Kapitalisten verteilt wird. Betrachten wir das an Hand eines Zahlenbeispiels (siehe S.40).

Entsprechend dem Zahlenbeispiel beträgt die allgemeine Profitrate
22 Prozent. Danach würden die Kapitale I, IV und V mehr Profit, nämlich +2, +7 und +17, realisieren und die Kapitale II und III weniger, nämlich -8 und -18. Vervollständigen wir nun, wie Karl Marx es tut, das Zahlenbeispiel, indem wir damit rechnen, daß nicht das gesamte vorgeschossene Kapital, das heißt nicht das gesamte konstante fixe Kapital, in das Produkt eingeht, sondern auf dieses, wie es der Wirklichkeit entspricht, nur stückweise übertragen wird.

Durch die Berücksichtigung des tatsächlichen Verbrauchs an konstantem Kapital ergibt sich, daß die Kostpreise, die Warenwerte und die Produktionspreise jetzt unterschiedlich sind, aber die Kapitalisten jedes Produktionszweiges realisieren nach wie vor eine allgemeine Profitrate von 22 Prozent auf ihr angelegtes Kapital. Die allgemeine Profitrate wird nicht auf das verbrauchte, sondern auf das vorgeschossene Kapital, also auf das gesamte fixe Kapital plus zirkulierendes Kapital, berechnet.

Zweige Vorgeschossenes Kapital (c + v) Wert des verbrauchten konstanten Kapiltals Kostpreis Mehrwertrate (in Prozent) Mehrwert Warenwert Profitrate (in Prozent) Durchschnittsrate des Profits (in Prozent) Produktionspreis Abweichung des Preises vom Wert
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
I 80c + 20v 50 70 100 20 90 20 22 92 +2
II 70c + 30v 51 81 100 30 111 30 22 103 -8
III 60c + 40v 51 91 100 40 131 40 22 113 -18
IV 85c + 15v 40 55 100 15 70 15 22 77 +7
V 95c + 5v 10 15 100 5 20 5 22 37 +17

Im entwickelten Kapitalismus der freien Konkurrenz verflechten sich, wie schon festgestellt, die beiden Arten der Konkurrenz – die Konkurrenz auf dem Markt und die Konkurrenz um die Kapitalanlage – miteinander und beeinflussen sich gegenseitig. Das durchschnittliche Preisniveau eines Zweiges wird daher nicht nur unter dem Einfluß der Konkurrenz innerhalb des Zweiges, sondern auch durch die Konkurrenz zwischen den Zweigen gebildet. Daraus ergibt sich, daß im Kapitalismus die Waren nicht zum Marktwert, sondern zum durchschnittlichen Kostpreis plus dem durch die allgemeine Profitrate bestimmten Durchschnittsprofit verkauft werden. Karl Marx nennt diese verwandelte Form des Wertes den Marktproduktionspreis. Der Marktproduktionspreis ist also eine Form des Wertes und das Zentrum, um das sich die Marktpreise der Waren bewegen.

Der Konkurrenzkampf innerhalb eines Zweiges zwischen dem individuellen Produktionspreis und dem Marktproduktionspreis unterscheidet sich prinzipiell nicht vom Konkurrenzkampf zwischen individuellem Wert und Marktwert.

Wie Karl Marx den Begriff „Wert“ durch den Begriff „Marktwert“ ergänzt und weiterentwickelt hat, so führte er auch den Begriff „Produktionspreis“ mit dem Begriff „Marktproduktionspreis“ weiter.

Diese Vielfalt der Bewegungen des Mehrwerts beziehungsweise des Profits, die immer nur nachträglich durch die Konkurrenz über den Markt erfolgen, führt dazu, daß sich die Gesetzmäßigkeit des Durchschnittsprofits und der Produktionspreise stets nur durch den Verstoß gegen sie durchsetzt, sich, wie Karl Marx sagt, durch ihre Nichtverwirklichung verwirklicht.

„Es ist überhaupt bei der ganzen kapitalistischen Produktion immer nur in einer sehr verwickelten und annähernden Weise, als nie festzustellender Durchschnitt ewiger Schwankungen, daß sich das allgemeine Gesetz als die beherrschende Tendenz durchsetzt.“31

Mit der Bildung der allgemeinen Profitrate, des Durchschnittsprofits und des Produktionspreises wird der aus der Verwandlung des Mehrwerts in den Profit und der Mehrwertrate in die Profitrate objektiv hervorgehende Prozeß der Verschleierung der Ausbeutung und der Mystifizierung der Entstehung des Mehrwerts verstärkt. Durch die Verwandlung des Mehrwerts in den Profit scheint dieser nicht mehr der Mehrarbeit der Arbeiter, sondern der Funktion des Kapitals zu entspringen. Quantitativ stimmen allerdings der Mehrwert und der Profit überein. Die Profitmasse entspricht der Mehrwertmasse. Die Verwandlung der Mehrwertrate in die Profitrate führt dazu, daß der Ausbeutungsgrad, das Verhältnis von Mehrwert und variablem Kapital

( m )
v

nicht nur verschleiert ist, nicht mehr als Ausbeutungsgrad, sondern als Verwertungsgrad des Kapitals und auch quantitativ niedriger erscheint, denn die Profitrate

p' = m
c + v

ist immer niedriger als die Mehrwertrate

m' = m
v

Mit der Verwandlung des Profits in den Durchschnittsprofit tritt eine weitere Änderung und Verstärkung der Verschleierung des Ausbeutungsverhältnisses ein. Mit der Herausbildung der Durchschnittsprofitrate weicht in den einzelnen Zweigen die Masse des produzierten Mehrwerts von der Masse des angeeigneten Profits ab. „Es ist jetzt nur noch Zufall, wenn der in einer besondren Produktionssphäre wirklich erzeugte Mehrwert und daher Profit mit dem im Verkaufspreis der Ware enthaltenen Profit zusammenfällt. In der Regel sind Profit und Mehrwert, und nicht bloß ihre Raten, nun wirklich verschiedne Größen.“32

Die Höhe der Durchschnittsprofitrate ist letztlich durch den Ausbeutungsgrad bestimmt. Da bei der Durchschnittsprofitrate die Höhe des Profits, den die einzelnen Kapitalisten machen, nicht mehr nur von der Ausbeutung in einem bestimmten Produktionszweig, sondern von dem Grad der Ausbeutung in allen Produktionszweigen abhängt, sind alle Kapitalisten ökonomisch daran interessiert, gegenüber der Arbeiterklasse eine geschlossene Front zur Erhöhung der Ausbeutung zu bilden. Jede Lohnerhöhung in einem Produktionszweig senkt bei gleichbleibender Mehrwertrate die Profitrate. Jede Lohnsenkung dagegen erhöht sie. Je höher die Ausbeutung in allen Produktionszweigen, desto höher die Durchschnittsprofitrate. Die durch das Anwachsen der organischen Zusammensetzung des Kapitals bewirkte Senkung der Profitrate drängt die Kapitalisten direkt dazu, ihre gemeinsame Aufmerksamkeit auf die erhöhte Auspressung der Arbeitskraft zu richten.

„Aus dem Gesagten ergibt sich“, lehrt Karl Marx, „daß jeder einzelne Kapitalist, wie die Gesamtheit aller Kapitalisten jeder besondern Produktionssphäre, in der Exploitation der Gesamtarbeiterklasse durch das Gesamtkapital und in dem Grad dieser Exploitation nicht nur aus allgemeiner Klassensympathie, sondern direkt ökonomisch beteiligt ist, weil, alle andern Umstände, darunter den Wert des vorgeschoßnen konstanten Gesamtkapitals als gegeben vorausgesetzt, die Durchschnittsprofitrate abhängt von dem Exploitationsgrad der Gesamtarbeit durch das Gesamtkapital …

Man hat also hier den mathematisch exakten Nachweis, warum die Kapitalisten, sosehr sie in ihrer Konkurrenz untereinander sich als falsche Brüder bewähren, doch einen wahren Freimaurerbund bilden gegenüber der Gesamtheit der Arbeiterklasse.“33

Die Verwandlung des Wesens der kapitalistischen Produktionsweise als einer auf der Ausbeutung der Arbeiter durch die Kapitalisten beruhenden Produktionsweise in ihre Erscheinungsformen, die das gesellschaftliche Wesen verhüllen, erweist sich als ein recht komplizierter Prozeß. Kein Wunder, daß die Kapitalisten und die bürgerlichen Ökonomen, befangen in ihren Klassenschranken, der Arbeiterklasse einreden wollen, daß es sich bei der Marxschen Theorie vom Durchschnittsprofit und vom Produktionspreis um eine abstrakte Theorie handele, die mit der Wirklichkeit der kapitalistischen Gesellschaft nichts zu tun habe und für die Arbeiter von keinerlei Interesse sei.

„Der Umstand“, schrieb Karl Marx, „daß hier zum erstenmal dieser innere Zusammenhang enthüllt ist; daß … die bisherige Ökonomie entweder gewaltsam von den Unterschieden zwischen Mehrwert und Profit, Mehrwertsrate und Profitrate abstrahierte, um die Wertbestimmung als Grundlage festhalten zu können, oder aber mit dieser Wertbestimmung allen Grund und Boden wissenschaftlichen Verhaltens aufgab, um an jenen in der Erscheinung auffälligen Unterschieden festzuhalten - diese Verwirrung der Theoretiker zeigt am besten, wie der im Konkurrenzkampf befangne, seine Erscheinungen in keiner Art durchdringende praktische Kapitalist durchaus unfähig sein muß, durch den Schein hindurch das innere Wesen und die innere Gestalt dieses Prozesses zu erkennen.“34

Für den Kampf der Arbeiterklasse ist es aber geradezu eine Lebensfrage, dieses innere Wesen des Prozesses des Kapitalismus zu erkennen, nämlich daß Wertbestimmung auch in Form des Profits, der Profitrate, des Durchschnittsprofits und des Produktionspreises heißt, daß der materielle Reichtum durch die Arbeiter produziert und durch die Kapitalisten unentgeltlich angeeignet wird. Deshalb ist es für die Arbeiterklasse von Interesse, nicht nur zu wissen, wie und von wem dieser Reichtum produziert, sondern auch wie und wodurch er verteilt wird. Gerade das wird durch die Marxsche Theorie von der Verwandlung des Mehrwerts in den Profit, der Umwandlung der Mehrwertrate in die Profitrate, der Profitrate in die allgemeine oder Durchschnittsprofitrate und des Wertes in den Produktionspreis enthüllt. Daher beißen sich Kapitalisten und bürgerliche Ökonomen auch heute noch an der von ihnen so oft „widerlegten“ und totgesagten Lehre von Karl Marx die Zähne aus.