Reproduktion und Zirkulation
des gesellschaftlichen Gesamtkapitals

2.2
Die Untergliederung der beiden Abteilungen der materiellen Produktion.
Der nichtmaterielle Bereich

Innerhalb der beiden Abteilungen der gesellschaftlichen Produktion des materiellen Bereichs sind jeweils mehrere Unterabteilungen zu unterscheiden, zu denen vielfältige Industriezweige und sonstige Wirtschaftsbereiche gehören. Die Abteilung I, die Produktionsmittel erzeugt, läßt sich folgendermaßen untergliedern:

  • Produktion von Produktionsmitteln für die Kapitalisten der Abteilung I, für die Produktionsmittelproduktion. Dazu rechnen zum Beispiel bestimmte Bereiche der chemischen Industrie sowie der Eisen- und Stahlindustrie und des Kohlebergbaus.
  • Produktion von Produktionsmitteln für die kapitalistischen Unternehmer der Abteilung II, für die Konsumtionsmittelproduktion. Dazu gehören bestimmte Zweige der Maschinenbauindustrie, die Arbeitsmittel (Maschinen, Ausrüstungen, Werkzeuge und Arbeitsgegenstände usw.) für die Produktion von Möbeln, Bekleidung, Schuhen, Nahrungsmitteln usw. herstellen.
  • Produktion von Produktionsmitteln für die Kapitalisten des produzierenden Dienstleistungsbereichs, für die Produktion bestimmter materieller Dienstleistungseffekte wie zum Beispiel die Ortsveränderung oder die Reinigung von Wäsche und sonstiger Bekleidung. Hierzu gehören bestimmte Industriezweige und -bereiche, die entsprechende Ausrüstungen, Werkzeuge, Waschmittel usw. liefern.22
  • Produktion von Produktionsmitteln für die Kapitalisten der Rüstungswirtschaft, für die Produktion von Rüstungsgütern, von militärischen Vor- oder Zwischenprodukten. Hier werden zum Beispiel die Industriezweige erfaßt, die dem kapitalistischen Staat spezielle Maschinen und Ausrüstungen, Transport- und Nachrichtenmittel, Geräte und Materialien liefern und äußerst profitabel verkaufen.

Wie anschließend dargestellt wird, gibt es auch in der Abteilung II eine Unterabteilung, die ebenfalls mit der Rüstungsproduktion verbunden ist. Es erfolgt also ein gesonderter Ausweis der Rüstungsproduktion oder der Rüstungsgüter in beiden Abteilungen der gesellschaftlichen Produktion. Damit sollen die Rüstungsproduktion und die Militarisierung der Volkswirtschaft, besonders im gegenwärtigen Imperialismus und staatsmonopolistischen Kapitalismus, als wichtige, charakteristische Bestandteile und Erscheinungen des kapitalistischen Reproduktionsprozesses erfaßt werden. Diese Rüstungsproduktion „ergänzt die unmittelbar ökonomischen Grundlagen des Klassenzwangs (die in den … Darstellungen der Reproduktion23 widergespiegelt sind) durch ein materielles Element, mit dem die Kontinuität der Produktionsverhältnisse der Herrschaft und Unterordnung auf außerökonomischem Wege, durch Anwendung von Waffengewalt, gewährleistet wird“.24

  • Produktion von Produktionsmitteln für die kapitalistischen Unternehmer des nichtmateriellen Bereichs, für die Produktion bestimmter nichtmaterieller Dienstleistungsergebnisse und -effekte wie zum Beispiel die Gesunderhaltung der Menschen sowie ihre Bildung und Ausbildung. Dazu rechnen Zweige und Betriebe, die Maschinen, Ausrüstungen, Fahrzeuge, Apparaturen, Meßgeräte, Rohstoffe usw. für die Errichtung und Unterhaltung zum Beispiel von Krankenhäusern, Kliniken, Schulen und Verwaltungseinrichtungen produzieren.

Auch die Abteilung II, die ebenfalls aus einer Vielzahl von Industriezweigen und anderen Bereichen besteht, läßt sich in bezug auf die Rolle ihrer Arbeitsprodukte in mehrere Unterabteilungen gliedern. Marx geht im zweiten Band des „Kapitals“ auf zwei dieser Unterabteilungen ein.

  • Produktion notwendiger Konsumtionsmittel, die vor allem von den im materiellen und nichtmateriellen Bereich beschäftigten und ausgebeuteten Lohnarbeitern verbraucht werden. Diese Konsumgüter werden vor allem gegen Arbeitslöhne getauscht. Sie bilden aber auch – vielfach in besserer Qualität und in anderer Zusammensetzung – einen Teil der Konsumtion der Bourgeoisie.
  • Produktion von Luxus-Konsumtionsmitteln, die vor allem durch die Bourgeoisie individuell verbraucht werden und die sich gegen Mehrwert (genauer gesagt, gegen Mehrwert/Revenue) eintauschen.

Neben diesen beiden Unterabteilungen, deren Austauschbeziehungen Marx darstellt, existiert eine dritte, die eine weitere Gruppe von Zweigen umfaßt:

  • Produktion von Rüstungsgütern, von Rüstungsendprodukten (von Waffen, Unifomen, militärischen Gütern und Ausrüstungen usw.), die in eine parasitäre gesellschaftliche Konsumtion eingehen. Hier werden in wachsendem Maße gesellschaftliche Mittel verwendet, die der „normalen“ zivilen produktiven und individuellen sowie gesellschaftlichen Konsumtion verlorengehen.

Auch im nichtmateriellen Bereich (ganz bestimmte Dienstleistungsbereiche, Institutionen und Einrichtungen des bürgerlichen Staates usw.), der im gegenwärtigen Kapitalismus an Umfang und Bedeutung gewinnt, werden in zunehmendem Ausmaß Produktionsmittel und Konsumtionsmittel benötigt, die nur aus den beiden Abteilungen I und II der materiellen Produktion stammen können. Das Warenprodukt der Abteilung I (W′I) muß daher neben Produktionsmitteln für die Produktion von Produktionsmitteln, Konsumtionsmitteln sowie Rüstungsgütern auch Produktionsmittel für die Produktion von „Dienstleistungen“ enthalten. Der Bau, die Ausrüstung und der laufende Unterhalt von Einrichtungen des Gesundheits- und Schulwesens, von staatlichen Verwaltungen wie Ministerien, von Kultur- und Sportstätten, von Dienstleistungsbetrieben usw. ruft eine große Nachfrage nach entsprechenden Produktionsmitteln hervor. Mit dem schnellen Anwachsen dieses nichtproduktiven Bereichs wächst auch die Nachfrage nach bestimmten Maschinen, nach Baustoffen, nach Energie und Materialien, die hier verbraucht werden. Dabei zeichnet sich eine Veränderung der Investitionsstruktur wie überhaupt der Kapitalstruktur ab. Das Warenangebot der Abteilung II (W′II) muß dementsprechend auch Konsumtionsmittel der verschiedensten Art für die Arbeiter und Angestellten, die kapitalistischen und sonstigen Unternehmer des nichtmateriellen Bereichs bereitstellen.

Diese Nachfrage nach Produktionsmitteln und Konsumtionsmitteln aus dem nichtmateriellen Bereich wirkt sich auf die Abteilung I so aus, daß deren Produktion und Kapazität über den Bedarf des materiellen Bereichs hinaus beträchtlich ausgedehnt wird. Die wachsende Beschäftigung im nichtmateriellen Bereich wirkt sich auf die Abteilung II einerseits so aus, daß die Produktion von Konsumgütern gefördert wird. Andererseits wächst die Nachfrage nach Dienstleistungen nicht nur seitens der Beschäftigten der Abteilung II, sondern aller Abteilungen und Bereiche, so daß sich die Nachfrage nach Konsumtionsmitteln relativ verringert. Das Wachstum der Abteilung II hängt also mit dem sich entwickelnden Verhältnis der Nachfrage nach Konsumgütern und Dienstleistungen zusammen.

Wie der Bedarf an Produktionsmitteln und Konsumtionsmitteln seitens der imperialistischen Staaten für die Rüstungsproduktion, so wächst auch die Nachfrage durch diesen nichtmateriellen Bereich stark an. Für den gesamten kapitalistischen Reproduktionsprozeß sowie für die Entwicklung der Lage der Arbeiterklasse (darauf wird am Ende des Abschnitts 6. eingegangen) gewinnt dieser Bereich außerhalb der Produktion an Bedeutung; ohne jedoch die auch weiterhin entscheidende Rolle der gesellschaftlichen Produktion (Primat der Produktion) aufzuheben25. Auch die Entwicklung der nichtproduktiven Sphäre kompliziert die kapitalistischen gesellschaftlichen Reproduktionsbedingungen.