RotFuchs 222 – Juli 2016

Alarm! Der Frieden ist in Gefahr

Arnold Schölzel

Am 8. und 9. Juli findet in Warschau ein NATO-Gipfel statt. Mit ihm soll ein vorläufiger Schlußpunkt hinter die Expansions- und Aufrüstungspolitik des Kriegspaktes seit der Auflösung der Sowjetunion gesetzt werden. Es werde eine Allianz zu sehen sein, die „alle Abschreckungsinstrumente des 21. Jahrhunderts stärkt“, kündigte kürzlich US-Vizeaußenminister Blinken an. In einem Interview mit mehreren konservativen Tageszeitungen aus sechs europäischen Ländern sprach NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, ein norwegischer Sozialdemokrat, am 1. Mai Klartext: „Die NATO muß mit Stärke und glaubwürdiger Abschreckung auf Rußland reagieren.“ Die Lüge von der „reagierenden NATO“ ist so alt wie die Kriegsallianz selbst, die im April 1949 gegründet wurde, um den kalten Krieg in einen heißen, d. h. den dritten Weltkrieg, umzuwandeln. Erst Ende August 1949 wurde die erste Atombombe der Sowjetunion gezündet und damit das Monopol auf diese Waffe, das die USA seit 1945 hatten, durchbrochen. Bis dahin gab es immer wieder konkrete Erwägungen und Pläne, sie gegen die Sowjetunion einzusetzen.

So wollte z. B. Winston Churchill 1948 mit ihr der Sowjetunion drohen und sie auch einsetzen. Das enthüllte der US-Spitzendiplomat Henry Cabot Lodge in seinem 1977 erschienenen Buch „Eine Innenansicht der Politik und der Macht“. In einem Protokoll über ein Treffen mit Churchill am 8. März 1955 heißt es dort: „Er (Churchill) erklärte ausführlich, daß er 1948, als er nicht an der Regierung war und wir das Atombombenmonopol besaßen, eine Kraftprobe mit der Sowjetunion befürwortet hatte. Er hatte das Verfahren in allen Einzelheiten ausgearbeitet. Die Bomben sollten dann abgeworfen werden, um dem sowjetischen Volk unsere Stärke zu demonstrieren. Damals, so Churchill, hätte die Sowjetunion nichts machen können. Hätte sie den Krieg erklärt, hätten wir sie noch härter bestraft. Daß es nicht zu dieser Kraftprobe kam, als wir das Monopol besaßen, sei ein katastrophaler Irrtum gewesen.“

Nach 1991 verleibte sich die Allianz große Teile Zentral- und Osteuropas ein. Unabhängig von der politischen Ausrichtung boten sich die Regierungen in den dortigen Mitgliedstaaten als besonders eifrige Erfüllungsgehilfen der westlichen Angriffskriege an. In den NATO-Stäben und vor allem in den politischen Zentralen der großen Mitgliedstaaten begann man, erneut aus einer Art atomarer Monopolstellung heraus zu planen. Im Sommer 2015 erklärte z. B. der Direktor des kanadischen Zentrums für globale Forschung in Montreal, Michel Chossudovsky: „Die USA haben einen sehr gefährlichen Pfad eingeschlagen, weil sie die Doktrin des Präventivkriegs eingeführt haben – tatsächlich sagen sie auch, daß sie Nuklearwaffen gegen Rußland als Präventivschlag einsetzen könnten.“

Stoltenberg bestätigte diese Einschätzung in dem erwähnten Interview vom 1. Mai mit den Worten: „Es ist wichtig, daß die NATO bei der nuklearen Abschreckung glaubhaft bleibt.“ Der NATO-Generalsekretär ist der neue Churchill. Am 23. Mai meldete TASS, Stoltenberg habe den Gipfel in Warschau in diesem Sinn als „Wendepunkt“ bezeichnet. Das soll offenbar so sein. Mit der Rückkehr zu Abschreckung und Erstschlag greift der Kriegspakt gleichsam die Politik des Atombombenmonopols wieder auf.

Je mehr der Kapitalismus von Krisen geschüttelt wird, desto gefährlicher wird er. Der NATO-Gipfel droht, zu einer historischen Zäsur zu werden. Die USA und ihre Verbündeten wollen das Spiel mit dem atomaren Feuer neu beginnen. Sie sind auf Konfrontation aus, von Verteidigung ist keine Rede mehr. Aus Rußland verlautete, man werde auf alle Bedrohungen seiner Sicherheit angemessen reagieren. Solange die Friedenskräfte zu schwach sind, um eine allgemeine Abrüstung zu erzwingen, muß der Frieden bewaffnet sein.

Rom, 25. Mai. TASS/RF – „Die NATO und die Vereinigten Staaten tragen eine große Verantwortung, wenn sie nahe der russischen Grenzen aufrüsten“, sagte der italienische Abgeordnete und Leiter der interparlamentarischen Freundschaftsgruppe Italien-Rußland Alessandro Pagano und betonte:

„Die Reaktion des russischen Außenministers Sergej Lawrow, der erklärte, Rußland sei bereit, auf ,Bedrohungen‘ zu reagieren, ist unvermeidlich und mehr als berechtigt. … Obama verfolgt eine widersprüchliche Politik: Während die USA und die NATO sich aus Afghanistan und dem Mittelmeerraum  zurückziehen, wächst ihre militärische Präsenz an den russischen Grenzen. Was ist das, wenn nicht eine Provokation?“