Als ich Wandzeitungsredakteur war …
Die Funktion des „Wandzeitungsredakteurs“ (in der 106. POS „Albert Hensel“, Dresden, 1977–87) habe ich eher zufällig übernommen, als die Aufgaben in der Unterstufe verteilt wurden und ich mich dafür gemeldet habe, weil ich immer gern zeichnete. Ich wußte mit 10 Jahren nicht, was auf mich zukommen würde. Leider habe ich keine Fotos von meinen Plakaten gemacht, weil es damals für mich nichts Besonderes war.
Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden!
Lithografie von Käthe Kollwitz (1941)
„Diese Forderung ist wie
,Nie wieder Krieg!‘
kein sehnsüchtiger Wunsch,
sondern Gebot.“(K. Kollwitz)
Die ersten Bildzeugnisse waren sicher unbeholfen und hatten nicht viel Aussagekraft. Doch was zählte, war die Tat und das Tätigsein im Sinne der Arbeit, der Solidarität mit anderen, des Friedens und für die Schulklasse. Daß diese Themen sehr präsent waren, zeigten die Bilder, die in unserem Klassenraum hingen. „Die Wolgatreidler“ von Ilja Repin, Werke von Käthe Kollwitz, einprägsame Drucke vom großen John Heartfield, humorvolle Zeichnungen von Werner Klemke. Die Bilder haben oft einen tiefen Eindruck bei den jungen Gemütern hinterlassen, ohne daß sie schon viel von echter Kunst verstanden. Auch wenn zu Hause keine Bilder hingen, weil das im Elternhaus vielleicht nicht üblich war – in der Schule wurde es uns angeboten, hat uns unbewußt geprägt und zur Kultur hingeführt. So habe ich etwas gestaltet für unsere Basare, über Exkursionen oder gegen den Krieg (Reagan). Man wurde in unserer Polytechnischen Oberschule (POS) mit den realen Problemen des Lebens konfrontiert und lebte nicht abgehoben im Wolkenkuckucksheim, wie es bei vielen heutigen Kindern der Fall ist, die zu ihrem eigenen Unglück nur in Minecraft- und Star-Wars-Welten leben.
Bei der Plakatmalerei und -kleberei hat mich mein Vater mit Tips und Vorschlägen sowie ab und an mal einer Zeichnung unterstützt, da er in Dresden Malerei studiert hatte und meinen Dilettantismus doch verbessern mußte. Ich war ihm dafür dankbar, da er gut zeichnen konnte – was meine Mitschüler auch bewundert haben.
Als wir 1986 eine Bildungsreise in die UdSSR unternahmen, beeindruckten mich neben der Ermitage besonders die großen Denkmäler der Mutter Heimat oder Lenins in Leningrad, die fliegenden Kraniche bei Mineralni Wodi oder der vorwärtsstürmende Soldat in Georgien. Noch eins habe ich nie vergessen: die überdimensionalen Losungen und Plakate auf Häuserwänden, die Frieden forderten: Мир миру! – Frieden der Welt!
1990 sind wir aus einer kulturvollen Zeit in eine kulturlose Zeit gekommen. Und ich sehe derzeit leider nur wenig Licht am Horizont.
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