Auf dem Friedhof der Märzgefallenen des Jahres 1848 ruhen
auch 33 Tote der deutschen Novemberrevolution von 1918
Als Karl Liebknecht
im Friedrichshain sprach
Wenn der 9. November als Erinnerungstag der deutschen Geschichte heute ins Spiel gebracht wird, dann geht es vor allem um die Maueröffnung von 1989. Vom Beginn der Novemberrevolution hingegen, die 1918 Berlin erschütterte, hört man kaum etwas.
Es ist wahrscheinlich nicht einmal allgemein bekannt, daß auf dem Friedhof der Märzgefallenen im Friedrichshain nicht nur die Opfer der Märzkämpfe von 1848 beigesetzt wurden, sondern auch 33 Tote aus den Revolutionstagen des Jahres 1918.
Am 25. Januar 1961 wurde die „Gedenkstätte der Helden der Novemberrevolution und der Marstallkämpfe“ auf dem Friedhof der Märzgefallenen eingeweiht. Bei der Kundgebung sprach der Stellvertreter des Ministers für Nationale Verteidigung der DDR, Vizeadmiral Waldemar Verner. Er gedachte besonders der Matrosen der Volksmarinedivision. Delegationen aus Friedrichshainer Betrieben, von Organisationen und Schulen legten Kränze nieder.
Es versteht sich, daß manchen die zu DDR-Zeiten erfolgten Veränderungen auf dem Friedhof – vorwiegend im Zusammenhang mit der Novemberrevolution 1918 – nicht gefallen. Das trifft sicher auf die drei Grabplatten zu, deren mittlere die Namen der Opfer trägt, während auf der einen die Worte von Karl Liebknecht zu lesen sind: „Gründet fest die Herrschaft der Arbeiterklasse. Seid entschlossen gegen jeden, der sich widersetzt.“ Auf der anderen wird Walter Ulbricht zitiert: „Die Vorhut der Arbeiterklasse hat in der Novemberevolution heroisch gekämpft.“ Solche Besucher des Friedhofs stört vor allem auch die Skulptur des roten Matrosen, die Nationalpreisträger Hans Kies schuf.
Die Novemberrevolution 1918/19 war kein Spartakistenaufstand, wie heute mitunter behauptet wird. Auf den drei Trauerkundgebungen 1918 sprach auch nicht nur Karl Liebknecht.
Am 20. November 1918 versammelten sich rund 30 000 Menschen auf dem Tempelhofer Feld. Acht der fünfzehn Revolutionsopfer der ersten Novembertage waren hier aufgebahrt. Neben dem Rednerpult hingen Kränze der preußischen Regierung und des Rates der Volksbeauftragten, obwohl dessen Vorsitzender, der Sozialdemokrat Friedrich Ebert, nach eigener Aussage die Revolution wie die Sünde haßte. Die Leitung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) ließ einen Kranz mit der Widmung „Den tapferen Kämpfern der Revolution. Ihr Andenken wird ewig leben“ niederlegen. Die Schleife eines Kranzes der türkischen Kolonie in Berlin trug die Inschrift „An die Helden der Freiheit“.
Es sprachen Richard Müller und Brutus Molkenbuhr, die Vorsitzenden des Vollzugsrates der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte, der dem Rat der Volksbeauftragten angehörende USPD-Vorsitzende Hugo Haase, der preußische Innenminister Paul Hirsch und Kurt Rosenfeld, einer der Volksbeauftragten für die Stadt Berlin. Karl Liebknecht war dort unerwünscht.
Als der Trauerzug dreieinhalb Stunden später nach einem Marsch durch die Innenstadt den Friedhof der Märzgefallenen im Friedrichshain erreichte, sprachen an den Gräbern Luise Zietz und Emil Barth, Mitglied des Rates der Volksbeauftragten, für die USPD, aber auch der weiterhin nicht gewollte Karl Liebknecht.
Am 21. Dezember 1918 erfolgte dort die Bestattung von 14 Opfern einer unbewaffneten Demonstration, die am 6. Dezember an der Ecke Chaussee- und Invalidenstraße im Kugelhagel konterrevolutionärer Gardefüseliere fielen. Während der sozialdemokratische „Vorwärts“ am 21. November 1918 noch getitelt hatte, „Berlin ehrt die Opfer der Revolution“, hieß es jetzt lediglich: „Die Beisetzung der Spartakusopfer“.
Am Morgen des 24. Dezember 1918 erteilte Friedrich Ebert den Befehl, die in Schloß und Marstall stationierte Volksmarinedivision anzugreifen. Am 29. Dezember wurden dann sieben der Opfer dieses konterrevolutionären Überfalls unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beerdigt. An den offenen Gräbern sprachen Karl Liebknecht, ein Matrosen-Vertreter aus Wilhelmshaven, mehrere Leiter der teilnehmenden Abordnungen und Emil Barth, der am 18. Dezember wegen seiner Haltung zur Revolution als Vorsitzender der Revolutionären Obleute abgesetzt worden war. Karl Liebknecht klagte die Ebert-Regierung als Schuldige des Blutbades an und rief dazu auf, nicht eher zu ruhen, bis die Konterrevolution besiegt sei.
An diesem Tage erklärten die USPD-Vertreter Emil Barth, Wilhelm Dittmann und Hugo Haase ihren Austritt aus dem Rat der Volksbeauftragten.
Der am 15. Januar 1919 ermordete Karl Liebknecht und 31 Opfer der Januarkämpfe sollten ebenfalls auf dem Friedhof der Märzgefallenen beigesetzt werden. Doch der Berliner Magistrat unter Oberbürgermeister Adolf Wermuth ließ das im Einvernehmen mit den Volksbeauftragten der SPD nicht zu. Der Trauerzug mit dem Sarg Karl Liebknechts, den mehr als einhunderttausend Berliner am 23. Januar 1919 nach Friedrichsfelde begleiteten, führte am Friedrichshain vorbei.
Auch die Trauerfeier für Rosa Luxemburg begann am 13. Juni 1919 dort. Abordnungen aus Berlin und ganz Deutschland sowie der internationalen Arbeiterbewegung erschienen auf der großen Wiese. „Die Freiheit“, das Zentralorgan der USPD, schrieb: „Die Berliner Arbeiterschaft hat der Genossin Rosa Luxemburg ein ehrenvolles Begräbnis bereitet. Schon nach 9 Uhr sammelten sich in den verschiedenen Stadtteilen Arbeiterzüge und marschierten mit Kränzen und roten Fahnen zum Friedrichshain. Kurz nach 11 Uhr ertönten Trompetensignale und von sechs einfachen Bretterwagen wurden hierauf Ansprachen an die Versammelten gehalten. Alle priesen den Verstand der gemordeten Arteiterführerin, ihren klaren Blick in die Zukunft und ihre Begeisterung. Rosa Luxemburgs Persönlichkeit war von wirklich internationalem Rang.“
Zum 9. November 2013 um 11 Uhr lädt die Geschichtskommission Friedrichshain-Kreuzberg der Partei Die Linke zur Ehrung der Opfer der Novemberrevolution 1918 auf den Friedhof der Märzgefallenen ein.
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