RotFuchs 215 – Dezember 2015

Auch ein Spanier trug das
Siegesbanner zum Reichstag

RotFuchs-Redaktion

Eine der markantesten Fotografien des 20. Jahrhunderts zeigt sowjetische Soldaten, die im Mai 1945 die rote Fahne auf dem Reichstag hissen. Das Motiv symbolisiert die Zerschlagung des Faschismus.

Einer der Beteiligten war der Spanier Francisco Ripoll, der sich freiwillig zur Roten Armee gemeldet hatte. Sein Vater gehörte in den 30er Jahren der republikanischen Kriegsflotte als Offizier an. „Wir waren fünf Brüder. Vier wurden in die UdSSR geschickt, den fünften prügelten die Falangisten zu Tode“, berichtete Francisco 1998 einem Interviewer. Auf dem letzten Schiff, das spanische Kinder in die Sowjetunion brachte, habe auch er sich befunden. Die Kinder – 120 Jungen und Mädchen im Alter zwischen 4 und 14 Jahren – seien in Leningrad überaus herzlich empfangen worden. Der junge Ripoll gehörte später zu den Verteidigern der Heldenstadt an der Newa.

Angehörige seiner Division waren auch die ersten, die als Befreier den Boden des Massenvernichtungslagers Auschwitz betraten. Die SS-Bewacher waren geflohen, doch die Rotarmisten fanden noch Überlebende: Hunderte Kinder und Kranke. In den Öfen entdeckten sie halbverbrannte Leichen.

Francisco Ripoll kam dann als 20jähriger Leutnant der Roten Armee bis nach Berlin. „Große Teile der Hauptstadt des faschistischen Deutschlands lagen in Trümmern. In der Nacht des 29. April erhielten wir den Befehl, den Reichstag zu stürmen. Es war ein hartes Gefecht. Nach wenigen Stunden nahmen wir ihn ein. Am 30. April wurde dann die Fahne von Freiwilligen gehißt, unter denen auch ich mich befand. Es gelang uns nach mehreren Versuchen, bei denen es auch Tote gab“, berichtete Ripoll.

Der legendäre Kriegsfotograf Jewgeni Chaldej machte mehrere Aufnahmen von Soldaten mit der roten Fahne über dem befreiten Berlin, auch von Francisco Ripoll und dessen Genossen. Er bezeugte, daß der Spanier zu jenen gehört habe, welche das Siegesbanner aufgepflanzt hätten.

Die Tatsache, daß Ripoll nicht nach Anerkennung strebte und überdies während des Krieges den russischen Namen Wladimir Dubrowski trug, erklärt vielleicht, warum er nie mit diesem historischen Geschehen in Verbindung gebracht worden ist. Für ihn war der Kampf gegen den Faschismus auf sowjetischer Seite „der größte Stolz“ seines Lebens. Er erhielt dafür mehrere Auszeichnungen, auch den Orden des Großen Vaterländischen Krieges.

Nach Beendigung der Kampfhandlungen studierte Ripoll an der sowjetischen Marineschule in Astrachan. 1957 entschloß er sich zur Rückkehr in seine Heimat. Dort war er Repressalien durch die Franco-Diktatur ausgesetzt. Seine letzten Lebensjahre widmete Ripoll dem Gedenken an seine spanischen Kameraden aus dem Leningrader Kinderheim, von denen viele in den Reihen der Roten Armee oder in der französischen Resistance gekämpft hatten, in deutscher Gefangenschaft umgekommen oder von den Franco-Faschisten hingerichtet worden waren.

Den Artikel aus „Mundo Obrero“ vom 30. April 2005 faßte Marguerite Bremer zusammen. Redaktionelle Bearbeitung: RF

Quelle: NO PASARAN!, 1/2015