Wie die BRD-Justiz von 1949 bis 1968
gegen Kommunisten vorging
Auskünfte eines Unverfänglichen
Die „RotFuchs“-Regionalgruppe Frankfurt (Oder) konnte in diesem Jahr einen profilierten und sachkundigen Juristen als Redner gewinnen: Prof. Dr. Alexander von Brünneck aus Hannover, der 1976 mit seiner Dissertation und deren zwei Jahre später unter dem Titel „Politische Justiz gegen Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland 1949–1968“ bei Suhrkamp erfolgter Veröffentlichung ein dringend benötigtes Standardwerk der Rechtsgeschichte geschaffen hat. In einer Zeit sachlicherer Betrachtung der dargestellten Periode dürfte die Arbeit von besonderem Wert sein. Die Geschichte müßte allerdings fortgeschrieben werden, weil nach dem Anschluß der DDR an die BRD eine neue Phase der Kommunistenverfolgung in Deutschland einsetzte.
„Mit dem Beitritt zur BRD, noch in den Morgenstunden des 3. Oktober 1990, begann die bundesdeutsche Justiz ‚ihre Aufräumarbeit‘“, liest man in Friedrich Wolffs „Einigkeit und Recht. Die DDR und die deutsche Justiz“ (edition ost, 2005). Prof. von Brünneck dürfte das aus anderer Perspektive betrachten, anzweifeln oder in Abrede stellen, zumal er nicht im Verdacht steht, kommunistische Auffassungen zu teilen. Aber gerade deshalb erscheint seine Arbeit besonders glaubwürdig.
Der geschätzte Gast unserer Regionalgruppe gab eine detaillierte Übersicht zu Beginn und Verlauf der Verfolgung von Kommunisten in der BRD. Eine erste administrative Maßnahme war deren Entfernung aus dem öffentlichen Dienst, die durch einen Beschluß der Bundesregierung vom 19. September 1950 eingeleitet wurde. Zugleich bekämpfte man die politische Tätigkeit der Kommunisten durch den expansiven Rückgriff auf Mittel des Polizeirechts. Man verbot Umzüge und Versammlungen. Demonstrationen, die dennoch stattfanden, wurden rigoros und zum Teil gewaltsam unterbunden. Bei der Jugendkarawane, an der 30 000 Bürger der BRD teilnahmen, wurde der 21jährige bayrische Kommunist Philipp Müller am 11. Mai 1952 in Essen durch die Polizei erschossen.
Bereits 1951 waren die FDJ, die VVN und andere demokratische Zusammenschlüsse verboten worden. Im Zeitraum von 1951 bis 1958 ergriffen die Bundesländer 80 gleichartige Maßnahmen wegen „kommunistischer Unterwanderung“. Bereits am 30. August 1951 war das Erste Strafrechtsänderungsgesetz mit gleicher Stoßrichtung beschlossen worden. Es öffnete dem Mißbrauch des politischen Strafrechts, das von übernommenen Nazijuristen angewandt wurde, Tür und Tor. Der Bundesgerichtshof folgte der These des faschistischen Volksgerichtshofs, nach der „Kommunisten durch ihre gesamte politische Betätigung permanent den Hochverrat vorbereiten“ und dafür zu bestrafen seien.
Auf Betreiben der Adenauer-Regierung verbot das Bundesverfassungsgericht am 17. August 1956 die KPD, womit alle bisherigen und künftigen Repressalien legitimiert werden sollten.
Die Verfolgung richtete sich auch gegen entsprechende Meinungsäußerungen. Prof. von Brünneck führte hierzu eine Vielzahl von Belegen an. Unter die Strafwürdigkeit fielen politische Auftritte, Stammtischgespräche und selbst Trauerreden an Gräbern von Kommunisten. Allein das Tragen einer roten Mainelke konnte bestraft werden.
Der Verfolgungseifer widerspiegelt sich in der Zahl der Ermittlungsverfahren. Allein von 1953 bis 1958 zählte der namhafte Jurist 46 476 Fälle. Er nimmt an, daß zwischen 1951 und 1968 etwa 125 000 Personen direkt betroffen waren. Weitere 250 000 seien bei Ermittlungen gegen Kommunisten mit erfaßt worden. Einen noch größeren Personenkreis hätten Nachforschungen der Politischen Polizei und des Verfassungsschutzes betroffen. Schon 1964 erklärte der spätere Bundesinnenminister Maihofer, die Zahl solcher Verfahren gegen Kommunisten hätte einem ausgewachsenen Polizeistaat alle Ehre gemacht.
Prof. von Brünneck verwies auch auf weitere Aspekte der Verfolgung. Oft seien Entlassungen trotz guter Arbeitsleistungen erfolgt. Entsprechend orientierte Studenten habe man nicht zum Examen zugelassen. In etlichen Fällen seien Gewerbegenehmigungen verweigert, Reisepässe nicht ausgestellt oder Führerscheine entzogen worden.
In der freimütigen, zugleich aber auch sehr sachlichen Diskussion berichteten zwei seinerzeit Betroffene über selbst Erlebtes. Gerhard Heine (84), gebürtiger Hannoveraner und seit 1946 KPD-Mitglied, war 1949 von seiner Partei an die Arbeiter-und-Bauernfakultät entsandt worden. Als er 1956 in Leipzig sein Jurastudium abgeschlossen hatte, stand das KPD-Verbot unmittelbar bevor. Seine Genossen rieten ihm, in der DDR zu bleiben, wo er Staatsanwalt wurde. Heidi Zeidler (72) wuchs im Weser-Bergland auf und wurde von ihren Eltern schon frühzeitig in deren politische Arbeit einbezogen. Zum Zeitpunkt des KPD-Verbots befand sie sich gerade im Kinderferienlager eines DDR-Betriebs. Nach dem Verbotsurteil erhielt ihr Vater, der bereits durch die Faschisten fünf Jahre eingekerkert worden war, wegen illegaler Betätigung für die KPD erneut neun Monate Gefängnis. 1964 entzog man ihm die Rente für „Opfer des Nationalsozialismus“ mit dem Hinweis auf „Unbelehrbarkeit“. Prof. von Brünneck hat in seiner Dissertation auf ähnliche Fälle hingewiesen und zugleich bestätigt, daß schwerbelastete Nazis auch weiterhin Staatspensionen erhielten. Im weiteren Verlauf der Diskussion wurde auf die Fortsetzung antikommunistischer Diskriminierung in der heutigen BRD hingewiesen. Während Demonstrationen Rechter durch die Polizei geschützt würden, halte sie linke Gegendemonstranten in Schach.
Zu der von Diskussionsrednern erhobenen Forderung nach einem NPD-Verbot vertrat Prof. von Brünneck die Auffassung, er sei für „eine argumentative Bekämpfung“ dieser Partei. Die Versammlungsteilnehmer verlangten die unverzügliche Aufhebung des KPD-Verbots.
Der faktenreiche Vortrag Prof. von Brünnecks wurde mit lebhaftem Beifall bedacht. Hans Hörath von der Partei Die Linke zog das Fazit: Man könne vor der Leistung, die der Professor in jüngeren Jahren vollbracht und die bleibende rechtshistorische Maßstäbe gesetzt habe, nur den Hut ziehen.
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