RotFuchs 215 – Dezember 2015

Warum Melbournes Unitarische Kirche
gegen Pentagon-Basen kämpft

Australiens gefährlichste „Gäste“

RotFuchs-Redaktion

Das renommierte Blatt der Unitarischen Kirche Melbournes „The Beacon“ ist für seine Weit- und Weltsicht bekannt. Jetzt veröffentlichte die in Kennerkreisen wegen ihrer Seriosität geschätzte Monatsschrift einen Vortrag von Shirley Winton. Er wurde bereits am 28. Juni in dem Gläubige wie Atheisten willkommen heißenden Gemeinde­zentrum der „Unitarian Peace Church“ gehalten. Das Thema war die vor allem gegen China gerichtete neue Strategie der USA.

US-Präsident Obama auf der auch von den Streitkräften seines Landes genutzten australischen Luftwaffenbasis Darwin

Hintergrund der Washingtoner Akzentverlagerung in den asiatisch-pazifischen Raum sei die Tatsache, daß diese Region zu einem neuen Brennpunkt ökonomischer und politischer Rivalitäten geworden sei, stellte die Expertin einleitend fest. Die Vereinigten Staaten unterhielten derzeit bereits über 1000 ungetarnte Basen und Stützpunkte verschiedener Größenordnung rund um den Erdball. Tatsächlich betrieben sie aber darüber hinaus zahlreiche verdeckte oder geheimgehaltene Militäranlagen. Die meisten der 300 offiziell in der asiatisch-pazifischen Region geschaffenen Objekte befänden sich in Japan, Südkorea, Australien, Guam, Neusee­land und Thailand. Inzwischen dehne sich das Netz sogar bis nach Vietnam aus.

Schon bevor Präsident Obama Washingtons veränderte strategische Orientierung bekanntgab, betrug die Truppenstärke der USA in dem genannten Raum mindestens 320 000 Mann. Die Zahl soll sich in den nächsten Jahren noch wesentlich erhöhen. Bis 2020 werden nach den Plänen des Pentagons 60 % aller im Ausland stationierten US-Militäreinheiten – von Bodentruppen über Angehörige der See- und Luftstreit­kräfte bis zu Sondereinheiten – in der asiatisch-pazifischen Region konzentriert sein. Diese Absichten gab Obama erstmals 2011 bei seinem offiziellen Australienbesuch bekannt. Die Ankündigung wurde von den seinerzeit in Australien tonangebenden Politikern – der Labour-Regierungschefin Julia Gillard und der später ans Ruder gelangten rechtskonservativen Opposition – emphatisch begrüßt. Als die damalige US-Außenministerin und jetzige Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton der weltgrößten Insel und dem kleinsten Kontinent im darauffolgenden Jahr ebenfalls ihre Aufwartung machte, deutete sie die Absicht Washingtons an, seine militärische Allianz mit Australien weiter zu forcieren. Mit anderen Worten: Das strategisch bedeutsame Land soll in die Vorbereitungen für einen möglichen Schlagabtausch maximal eingebunden werden. Die Ankündigung der beiden US-Spitzenpolitiker erfolgte in Reden vor dem australischen Parlament.

Die ökonomische Seite der neuen strategischen Schwerpunktsetzung ist die Transpa­zifische Partnerschaft (TPP) mit US-Banken und multinationalen Konzernen im Zentrum. Sie wird inzwischen etwa 40 % der Erdbevölkerung einseitig aufgezwungen.

Der namhafte US-Ökonom Thomas Friedman traf bereits 1999 in der „New York Times“ die Feststellung: „Die verborgene Hand des Marktes wird niemals ohne die verborgene Faust des Militärs funktionieren. McDonalds kann nicht ohne McDonnell Douglas – jenem Konzern, der den Kampfbomber F 15 erfunden hat – florieren. Und die verborgene Faust, von der die Welt für die Hochtechnologie von Silicon Valley sichergestellt wird, nennt man U.S. Army, Air Force, Navy und Marines.“

Schon im Oktober 2011 erklärte Kurt Williams vom U.S. Office für Ostasiatische und Pazifische Angelegenheiten vor dem Außenpolitischen Ausschuß des US-Repräsen­tantenhauses: „Wir sind Zeugen des erneuen Aufstiegs des Asiatisch-Pazifischen Raumes zu einem Schauplatz globaler Politik und Ökonomie. In dem Maße, in dem Asien sich erhebt, muß das auch mit der dortigen Rolle der USA geschehen.“

In den vergangenen 60 Jahren haben die Konzerne und die Army der Vereinigten Staaten die asiatisch-pazifische Region ökonomisch und politisch beherrscht. Sie konnten sich dabei auf ihnen hörige Regierungen in Japan, Australien, den Philippinen, Südkorea und anderen Ländern stützen. Inzwischen hat sich die Lage jedoch dramatisch verändert. Während die USA noch immer unter militärischen Aspekten eine Supermacht darstellen, haben sie ihre wirtschaftliche Dominanz mehr und mehr eingebüßt. Der große Aufsteiger ist die Volksrepublik China. Als einen Schwerpunkt der veränderten Strategie betrachtet man in Washington den Ausbau der bestehenden und die Errichtung neuer Militärbasen in Australien. Schon jetzt können sich die Besatzungen nuklear bestückter U-Boote, Spezialeinheiten wie die U.S. Marines und die berüchtigte NSA auf dem Fünften Kontinent wie zu Hause fühlen. Inzwischen geht es dem Pentagon sowohl um den Ausbau, die personelle Aufstockung und die technologische „Verfeinerung“ bestehender als auch um die Errichtung neuer Stützpunkte.

Derzeit existieren vornehmlich im Westen Australiens und in den nördlichen Terri­torien über 20 angeblich gemeinsam betriebene Objekte, die sich jedoch de facto unter US-Kommando befinden.

Die beiden Hauptparteien des australischen Parlaments begrüßten enthusiastisch die Stationierung von weiteren 2500 U.S. Marines auf der auch von Bombern der U.S. Air Force ständig angeflogenen Basis Bradshaw. Es ist davon auszugehen, daß die Zahl der tatsächlich in Australien befindlichen Angehörigen dieser Ledernacken-Sonder­truppe ein Mehrfaches dessen betragen dürfte. Nach Aufhebung der seit 1945 bestehenden militärischen Neutralität Japans durch die rechtsgerichtete Tokioter Abe-Regierung fanden vom 4. bis 12. Juli dieses Jahres erstmals gemeinsame Manöver der australischen See- und Luftstreitkräfte mit Schiffseinheiten der USA, Japans und Neuseelands vor der Küste von Queensland statt. Daran waren über 34 000 Mann beteiligt, 10 000 von ihnen stellte Australien.

Dessen inzwischen verstorbener früherer liberaler Premier Malcolm Fraser warnte seinerzeit die Australier vor den Gefahren einer militärischen Allianz mit den USA und forderte den unverzüglichen Abzug der US-Truppenkontingente aus Darwin sowie die Schließung des Stützpunkts Pine Gap innerhalb von fünf Jahren. In seiner unlängst erschienenen Schrift „Gefährliche Alliierte“ schrieb er: „Jeder politische Führer, der die Vereinigten Staaten angreift oder von dem auch nur geglaubt wird, er habe sie angreifen wollen, ist nicht wählbar.“

RF, gestützt auf „The Beacon“, Melbourne, und „The Guardian“, Sidney