Befreier und Befreite
Den nachfolgenden Beitrag schrieb unser treuer Mitstreiter und Autor Helmuth Hellge, der am 6. Juli sein 92. Lebensjahr vollendet, vor fast einem halben Jahrhundert. Er erschien am 7. Mai 1965 in der „Deutschen Lehrerzeitung“, dem Organ des Ministeriums für Volksbildung der DDR und des Zentralvorstandes der Gewerkschaft Unterricht und Erziehung. Damals gehörte der verdiente Pädagoge, dem wir von ganzem Herzen gratulieren, zur Redaktion dieses profilgebenden Blattes. Angesichts der wütenden Attacken auf das antifaschistische Rußland besitzt diese journalistische Arbeit einen besonderen geschichtlichen Wert.
Kriegsende 1945. Noch pfiffen die tödlichen Kugeln in Teilen der faschistischen ‚„Reichshauptstadt“, rissen die Nazis durch ihren sinnlosen Widerstand Tausende Wehrlose mit ins Verderben – und schon galt in den befreiten Stadtgebieten Berlins die Sorge der Rotarmisten den hungernden Frauen, Kindern und Greisen. In den Straßen der geschundenen Stadt fuhren Feldküchen auf, bereit, den notleidenden Menschen den ärgsten Hunger zu stillen.
Langsam, ganz langsam öffneten sich die Kellertüren, drückten gegen Schuttmassen, die einmal Wohnhäuser waren. In den U-Bahn-Schächten rührte es sich, in den Ruinen – überall dort, wo die verängstigte Kreatur vor dem Inferno der Schlacht Zuflucht gesucht hatte. Frauen und Männer mit Gesichtern wie Totenmasken, Kinder, die wie Greise aussahen – mit müden Gebärden bahnten sie sich einen Weg an das Licht.
Auf der Reichstagsruine wehte die rote Fahne!
Am Fuße des Gebäudes lagerten Sowjetsoldaten, erschöpft, verdreckt, verwundet, aber voll stolzen Triumphes, die faschistische Bestie in ihrer Höhle niedergeworfen zu haben. Zweitausend, dreitausend, viertausend und mehr Kilometer waren die bewaffneten Arbeiter und Bauern des Sowjetvolkes marschiert, über verbrannte Erde, vorbei an zerstörten Fabriken und Werkhallen, an brennenden Kolchosen. Vorbei auch an ihren erschlagenen, erschossenen, erhängten Landsleuten. Zwei- und drei- und viertausend Kilometer durch ein Meer von Blut und Tränen …
Nun lag das Hitlerreich am Boden, jene brutale Macht, die unendliches Leid über die Völker Europas und besonders über die Völker der Sowjetunion gebracht hatte. Aber zu den ersten Taten des Siegers gehörte es, die Not deutscher Kinder zu lindern. Die Sowjettruppen, von tiefem Haß gegen den deutschen Faschismus erfüllt, richteten diesen Haß nicht gegen die deutschen Werktätigen, mochten diese auch verblendet und verführt worden sein. Schon in dieser ersten Stunde reichten die Befreier den Befreiten die Freundeshand.
20 Jahre danach. Kolja und Petra und Hannelore und Monika wissen nur aus den Geschichtsbüchern, daß deutsche Soldaten in den Uniformen der Hitlerbanditen das friedliche Sowjetland überfielen. Und sie wissen, daß dessen tapfere Söhne sich erhoben, um das Volk Lenins, aber auch das Volk von Marx und Engels und Thälmann vom Faschismus zu befreien.
Heute kommen wieder Sowjetbürger über zwei- und drei- und viertausend Kilometer und mehr nach Berlin. Es sind Wissenschaftler, Arbeiterforscher, Künstler und Touristen, die ein blühendes Land besuchen, das seinen festen Platz in der sozialistischen Völkerfamilie gefunden hat. Es waren sowjetische Pädagogen, die ihren deutschen Freunden als erste in Theorie und Praxis die Gedanken der sozialistischen Erziehungswissenschaft vermittelten. Der humanistische Inhalt dieser Lehre ist eine wichtige Garantie dafür, daß die Jugend beider Länder nie wieder aufeinander schießt. Mehr noch: Gemeinsam erstrebt sie das kommunistische Zeitalter, frei von Ausbeutung, Völkerverhetzung und Kriegsgefahr.
Noch ist diese Gefahr nicht endgültig gebannt: Half der sozialistische Sieger im Osten Deutschlands den Unterdrückten, mächtig zu werden, so half der imperialistische Sieger im Westen den Mächtigen, mächtig zu bleiben. Und schon verkünden die an der Macht Gebliebenen Revanche: Revanche für den Verlust ihres letzten Feldzuges; Revanche dafür, daß die ehemals Unterdrückten die Früchte ihrer Arbeit selber ernten. Um diesen gierigen Zugriff der Gestrigen zu vereiteln, steht der Komsomolze Kolja im Waffenrock seiner ruhmreichen Väter als Gast und Kampfgefährte neben seinen deutschen Freunden.
Längst ist die Losung zur historischen Wahrheit geworden, die der erste Präsident unseres Arbeiter-und-Bauern-Staates, Wilhelm Pieck, vor anderthalb Jahrzehnten verkündete: Macht die deutsch-sowjetische Freundschaft zur Herzenssache aller guten Deutschen!
Nachricht 1521 von 2043