RotFuchs 210 – Juli 2015

Karin Leukefeld legte eine bemerkenswerte
Analyse des Nahen und Mittleren Ostens vor

Befund: Flächenbrand

Bernd Fischer

Leser der „jungen Welt“ und auch des „nd“ kennen Karin Leukefeld. Sie schätzen ihre durch profunde Sachkenntnis geprägten Beiträge von Brennpunkten im Nahen und Mittleren Osten, die sich durch eine realistische Darstellung des Geschehens wohltuend von den meisten Ergüssen des „Mainstreams“ abheben.

Die kompetente Berichterstatterin vom Ort des Geschehens hat jetzt ein Buch vorgelegt, dem eine große Leserschaft zu wünschen ist. Es zeichnet sich durch erfreuliche Faktendichte aus und analysiert Entwicklungen, über die Karin Leukefeld seit mehr als 15 Jahren aus dem Nahen Osten informiert. Ihr aktuelles Fazit lautet: Flächenbrand. Seit 2011 hatten viele Stimmen davor gewarnt. Kenner der Materie sahen voraus, daß die massive äußere Einmischung in den durch die Medien überhöht dargestellten „arabischen Frühling“ zur militärischen Verwüstung und vorsätzlichen Zerstörung souveräner Staaten wie Syrien und seiner Nachbarn sowie zur nachhaltigen Destabilisierung der gesamten Region führen werde. Die Autorin läßt keinen Zweifel daran, wer die Hauptverantwortung für diese den Weltfrieden gefährdende Entwicklung trägt: „Die USA, die als alleinige Weltmacht die Führung über andere souveräne Staaten beanspruchten, setzen UNO-Resolutionen und das Völkerrecht nach eigenen Interessen durch bzw. außer Kraft. Wer dem folgt, wird Partner, wer dem nicht folgt, gilt als Feind.“

Auf 230 Seiten versteht es Karin Leukefeld, die Dialektik von imperialistischem Hegemonialstreben, aggressiver Intervention und regionalen Interessenkonflikten anschaulich darzustellen.

Am Beispiel Syriens vermittelt sie überzeugend, wie die der gesamten Region des Nahen und Mittleren Ostens zugedachten Segnungen der amerikanischen „Neuordnung“ durchgesetzt werden und mit welchen unsäglichen Opfern die US-Hegemonie vorangetrieben wird.

Sie beschränkt sich nicht darauf, sondern zeigt, daß „auch die ,Partner‘ der USA eigene Interessen“ verfolgen. Sie belegt, daß Washington und dessen Komplizen bereits seit längerem „auf den Sturz von Bashar al-Assad hingearbeitet hatten, weil dieser ihre Vorstellungen der Weltordnung nicht teilte“. Zu letzterem gehört natürlich, daß er in seiner Kooperation mit Rußland eigenen Interessen folgt und nicht den Vorgaben aus Übersee.

Anhand des selbst Erlebten vermittelt Karin Leukefeld einen Rückblick auf vier Jahre Krieg in Syrien. Das unterlegt sie mit einer prägnanten Analyse der „nationalen und internationalen Ebene des Konflikts“.

Einen zweiten Teil ihres bemerkenswerten Buches widmet die Kennerin der Region Syriens Nachbarstaaten – der Türkei, Irak, Jordanien, Israel und Libanon. Sie sind Betroffene oder selbst Akteure im syrischen Bürgerkrieg. Überzeugend charakterisiert Karin Leukefeld Israels Politik der Okkupation und Obstruktion sowohl in bezug auf Syrien als auch in der israelisch-palästinensischen Auseinandersetzung. Und sie ruft in Erinnerung, daß Israel, abgesichert durch Washington und dessen Vasallen, „als Besatzungsmacht wie kein anderes UNO-Mitglied die von den Vereinten Nationen festgelegten Prinzipien gegenüber Nachbarstaaten und gegenüber der Zivilbevölkerung in Gebieten unter seiner Besatzung mißachtet. Sie weist nach, daß Tel Aviv mit westlicher und nicht zuletzt bundesdeutscher Billigung und Unterstützung zum aktiven Teilnehmer der gegen die legitime Regierung des UNO-Mitgliedstaates Syrien kämpfenden internationalen Koalition geworden ist.

Vor dem Hintergrund des Schicksals der Palästinenser seit der Teilung des britischen Mandatsgebietes 1947 und der syrisch-palästinensischen Beziehungen seitdem analysiert die Autorin deren Dilemma. Immerhin waren anfangs 560 000 Palästinenser offiziell in Syrien gemeldet. Aufschlußreich ist dabei ihre Betrachtung der wichtigsten Flüchtlingslager im Verlauf des Bürgerkrieges.

Unter „Befund: Flächenbrand“ analysiert Karin Leukefeld im abschließenden dritten Teil ihres Buches die regionalen Kräfte und Organisationen, die im Ergebnis der äußeren – westlichen – Einmischung in Form von „Opposition“ oder religiös drapierten Gruppierungen in den betroffenen arabischen Ländern wirksam sind. Sowohl die Muslimbrüder, „El-Kaida“, die „Nusra-Front“ und nicht zuletzt der „Islamische Staat“ erfahren in dieser Betrachtung eine solide Bewertung. Charakterisiert werden die Heuchelei und Hinterhältigkeit solcher von den USA und ihrem Gefolge organisierten ausländischen Sponsoren wie der „Freunde Syriens“.

Karin Leukefeld:

Flächenbrand
Syrien, Irak, die arabische Welt und der Islamische Staat

PapyRossa Verlag, Köln 2015, 230 Seiten
ISBN 978-3-89438-577-4

14,90 Euro