RotFuchs 187 – August 2013

Blauhemden, die manche rot sehen lassen

Wilfried Steinfath

Am 16. Juni kam es vor dem Kriminalgericht in Berlin-Moabit zu einem Tumult. Zwei junge Männer schickten sich an, das Gebäude zu betreten. Sie wurden von mehreren Justizbeamten aufgefordert, ihre blauen Hemden mit dem Symbol der DDR-FDJ auszuziehen. Als sie sich weigerten, wurden sie niedergerungen. Erst mit Verspätung konnten sie an dem gegen sie geführten Prozeß teilnehmen.

Zum Sachverhalt: Die beiden jungen Leute hatten am 13. August 2012 an der sogenannten Berliner Mauergedenkstätte in der Bernauer Straße ihr Recht auf Meinungsfreiheit wahrgenommen. „Erst DDR kassieren – Heute Europa diktieren – Morgen gegen die Welt marschieren“ stand auf ihrem Transparent. Dabei trugen sie ebenfalls ihr Blauhemd.

In letzter Zeit wird der Schrei nach dem Verbot von DDR-Symbolen immer lauter. So klagte die Berliner Staatsanwaltschaft die beiden wegen des „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ an.

Die Verfassungswidrigkeit der DDR-FDJ wurde indes nie festgestellt. Dennoch stützte man sich auf den § 86a StGB, der das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und deren öffentliches Tragen untersagt. Diese Norm fand bisher überwiegend beim Zeigen von Nazisymbolen Anwendung.

Die Staatsanwaltschaft geht mit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Juli 1954 hausieren. Damals wurde die „Freie Deutsche Jugend in Westdeutschland“ wegen angeblicher Verfassungswidrigkeit ihrer Zielsetzung verboten.

In einem Brief des Ministeriums des Innern (Geschäftsnummer IS 1-619 311/3) vom 11. Juli 1991 an den damaligen FDJ-Bundesvorsitzenden Jens Rücker heißt es: „Die Aussagen der Urteilsbegründung belegen nach hier vertretener Ansicht, daß das Verbot nur die FDJ in Westdeutschland als selbständige Teilvereinigung betrifft. Die FDJ in der ehemaligen DDR ist vom Urteil nicht erfaßt, die Verfassungswidrigkeit ihrer Zielsetzung war nicht Streitgegenstand ... Die FDJ der DDR ist auch keine Nachfolge- oder Ersatzorganisation der FDJ in Westdeutschland (§§ 8.20 Vereinsgesetz ) ... Die von Ihnen geleitete fdj ist daher vom Verbot aus dem Jahre 1954 nicht betroffen …. Daher ist das Tragen von Kennzeichen der verbotenen ,FDJ in Westdeutschland strafbar‘“.

Umkehrschluß: Das Tragen von Symbolen der DDR-FDJ ist nicht strafbar.

Die beiden jungen Männer hatten demnach das Hemd einer Organisation an, die weder verboten noch als verfassungswidrig eingestuft worden ist.