Buchtips
Uli Gellermann:
Die Macht um acht – Der Faktor Tagesschau
15 Minuten lang informiert die Tagesschau über die vorgeblich wichtigsten Ereignisse des Tages. Als „Flaggschiff der ARD“ gibt sie sich als verläßlich, neutral und seriös. Diesen Anspruch hinterfragen Uli Gellermann, Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer detailliert und gründlich. Sie gehen der Geschichte der Tagesschau nach, beleuchten ihre Vermittlung und Auswahl von Nachrichten, kommentieren ihre Berichterstattung zu zentralen aktuellen Themenschwerpunkten wie dem Krieg gegen Syrien und dem Konflikt um die Ukraine und stellen „Programmbeschwerden“ als Möglichkeit des Zuschauerprotests und der demokratischen Auseinandersetzung mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk dar. Ihr Fazit ist ernüchternd. Sie halten die Tagesschau weder für verläßlich noch für neutral, nur für bedingt seriös und bestenfalls für schlau. Nach diesen 15 Minuten weiß man, was die Regierung denkt; was die Republik denken soll – und was zu denken unter den Tisch fallen kann.
PapyRossa, Köln 2017, 174 Seiten, 13,90 €
Gesine Lötzsch:
Immer schön auf Augenhöhe
Gesine Lötzsch ist die Berliner Powerfrau der Linkspartei. Seit 2002 sitzt sie im Bundestag und hat als Stellvertretende Fraktionsvorsitzende manche Schlacht geschlagen. Ob im Kampf gegen Schikanen bei der Raumvergabe oder bei der Erfüllung von Wahlkampfversprechen – Gesine Lötzsch hat sich ihren politischen Schneid bis heute erhalten. Für wen der Osten Deutschlands noch immer Ausland ist, wieso jede Zahl im Bundeshaushalt besser frisiert wird als sämtliche Finanzminister zusammen und warum gewisse Parteien über Fußfesseln für ihre Abgeordneten nachdenken sollten, darüber schreibt Lötzsch so heiter wie klug. Entstanden ist ein kurzweiliges Buch, das zum Lachen, Ärgern, aber vor allem zum Nachdenken über Politik in Deutschland anregt.
Eulenspiegel-Verlag, Berlin 2017, 160 Seiten, 9,99 €
Heiner Karuscheit / Alfred Schröder:
Das Revolutionsjahr 1917
Ein Jahrhundert nach den Revolutionen vom Februar und Oktober 1917 in Russland sind deren Ursachen, Verlauf und Ergebnisse immer noch umstritten. Von Richard Pipes, der in seinem Standardwerk über die Russische Revolution den „Oktober“ als Staatsstreich einer Gruppe von Verschwörern interpretiert, über Alexander Rabinowitsch, der die Bolschewiki 1917 als eine demokratische, heftig um ihren Kurs ringende Partei an der Spitze der proletarischen Massen sieht, bis hin zur Geschichtsschreibung der siegreichen Revolutionäre selbst gibt es ganz unterschiedliche Darstellungen des Geschehens, das den Beginn des „kurzen“ 20. Jahrhunderts markiert. Die Autoren zeichnen ein lebendiges Bild des vorrevolutionären Rußland, das sich durch den autokratischen Charakter des zaristischen Staates und die Eigenarten der verschiedenen Klassen erheblich vom westlichen Europa unterschied.
VSA-Verlag, Hamburg 2017, 172 Seiten, 17,80 €
Manfred Wekwerth:
Erinnern ist Leben – Eine dramatische Autobiographie
Manfred Wekwerth (1929–2014) hat in seinem Leben viel gesehen, viel gearbeitet, viel bewegt. Er war auf den Bühnen Berlins und Europas unterwegs, inszenierte wichtige Stücke, ging produktive und streitbare Arbeitsbündnisse ein, verkehrte mit den Großen aus Kunst und Kultur. Seine Biographie ist eine Mentalitätsstudie, wesentlich von der politischen Teilung der Welt geprägt. Der Regisseur entwirft ein intellektuelles Panorama der Jahre 1950 bis 2000. Es versteht sich, daß sein Lehrmeister Brecht darin einen zentralen Platz einnimmt, aber auch Schauspieler und Theaterleute wie Harry Buckwitz, Therese Giehse, Anthony Hopkins, Helmut Lohner, Hilmar Thate, Laurence Olivier oder Giorgio Strehler gewinnen eindrucksvoll Konturen, desgleichen maßgebliche Bühnenautoren wie Volker Braun, Heinar Kipphardt, Heiner Müller oder Peter Weiss.
Neues Leben, Berlin 2015, 400 Seiten, 19,99 €
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