Diplomatischer Durchbruch für die Insel der Freiheit
CELAC-Gipfel tagte in Havanna
Am 29. Januar ging in Havanna das zweite Gipfeltreffen der Gemeinschaft Lateinamerikanischer und Karibischer Staaten (CELAC) zu Ende. Der regionale Verband zählt 33 Mitgliedsstaaten und wurde 2011 auf Initiative des verstorbenen venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez gegründet. Er soll eine Alternative zur US-dominierten Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) werden, von der Kuba seit 52 Jahren ausgeschlossen ist. Die CELAC zählt übrigens nur zwei Mitgliedsstaaten weniger als die OAS, da ihr die USA und Kanada nicht angehören. Neben UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon und anderen ausländischen Gästen waren 29 Regierungschefs angereist. Durch den Gipfel wurde Kubas Hauptstadt für einige Tage zum politischen Zentrum des amerikanischen Kontinents.
„Im Rahmen der CELAC haben wir die Möglichkeit, ein eigenes und an unsere Verhältnisse angepaßtes Modell zu entwickeln, das auf den Prinzipien des Gemeinwohls und der Solidarität basiert“, sagte Präsident Raúl Castro in seiner Eröffnungsrede, nachdem die Teilnehmer des Gipfels mit einer Schweigeminute des CELAC-Mitbegründers Hugo Chávez gedacht hatten. Wichtigste Themen des Treffens waren der Kampf gegen Unterernährung, Armut und soziale Ungleichheit. Castro hob die Fortschritte der letzten Jahre hervor, gab aber zu bedenken, daß es für den Kontinent noch einiges auf dem Gebiet der Armutsbekämpfung zu tun gebe. Die Teilnehmer der Beratung auf höchster Ebene erklärten, daß die OAS immer nur den Interessen der USA gedient habe. Deren Generalsekretär José Insulza war übrigens als Beobachter in Havanna erschienen. Erstmals hatte damit ein OAS-Abgesandter kubanischen Boden betreten. „Je stärker die CELAC, desto stärker die Vereinten Nationen“, bemerkte UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon.
Doch der Gipfel hatte noch mehr zu bieten: Am zweiten Tag wurde Lateinamerika durch Raúl Castro zur „Zone des Friedens“ erklärt, womit sich die Gemeinschaft gegen die Nutzung von Atomwaffen und mit Gewalt ausgetragene regionale Konflikte engagierte. Äußerer Einmischung, wie durch die USA in der Vergangenheit immer wieder praktiziert, wurde damit eine kollektive Absage erteilt. Trotz der erheblichen politischen und ökonomischen Unterschiede der teilnehmenden Länder gelang die Erarbeitung einer gemeinsamen „Erklärung von Havanna“, welche die wichtigsten Aspekte der beschlossenen Agenda zusammenfaßt. Sie sieht unter anderem die regionale Kooperation bei der Armutsbekämpfung, die Stärkung der CELAC- Institutionen sowie die Zusammenarbeit mit der UNO vor. Der Binnenhandel soll gefördert werden, um die soziale Entwicklung der Länder voranzubringen. Obwohl einige Staaten, wie Mexiko, Kolumbien und Honduras, heute von rechtsgerichteten Regierungen geführt werden, unterschrieben auch sie das gemeinsame Bekenntnis. Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos würdigte Kubas Rolle beim Friedensprozeß in seinem Land.
Neben den inhaltlichen Beratungsthemen des Gipfels ist auch manch anderes außerhalb des offiziellen Ablaufs der Tagung durchaus von Interesse. So hatte Fidel Castro sein wohl umfangreichstes Arbeitsprogramm seit Jahren, als er mit zahlreichen Regierungschefs der CELAC-Länder persönlich zusammentraf, so mit Rafael Correa (Ecuador), Evo Morales (Venezuela), Dilma Rousseff (Brasilien) und Daniel Ortega (Nicaragua). Ban Ki-Moon war in der „Casa de Fidel“ ebenfalls zu Gast.
Auch in wirtschaftlicher Hinsicht gab es am Rande des Gipfels einige Neuigkeiten: Die Präsidenten etlicher Länder nahmen ihren Kuba-Aufenthalt zum Anlaß, der Eröffnung des Container-Terminals in Mariel beizuwohnen. Dieses soll künftig Kubas Hauptumschlagplatz für Waren werden und verfügt über eine Kapazität von 824 000 Containern (TEU) pro Jahr, ab 2015 sogar über 1 Million. Mariel wird damit zu den vier größten Häfen der Region gehören. Ein Vergleich: Der alte Hafen Havannas kann maximal 350 000 Container im Jahr abfertigen.
Auch die EU hat inzwischen die Überarbeitung ihres „gemeinsamen Standpunkts“ von 1996 in Auftrag gegeben – einen Normenkatalog, der die Kooperation mit dem sozialistischen Inselstaat weithin zum Erliegen gebracht hat. Die Konzerne Europas und der USA wittern bereits neue Profite, doch diesmal werden die Investitionsbedingungen von den Kubanern diktiert.
Mit dem CELAC-Gipfel ist Kuba ein spektakulärer diplomatischer Durchbruch gelungen. Die Anwesenheit fast aller Regierungschefs Lateinamerikas und der Karibik sowie des UN-Generalsekretärs verdeutlicht, wie sehr sich die Zeiten seit der Isolierung des Landes durch die US-Blockade geändert haben. Auch die Tatsache, daß La-teinamerika geschlossen gegen das Embargo aufgetreten ist, liefert den Beweis, wie sehr sich die USA mit ihrer aggressiven Politik selbst isoliert haben.
Der Kontinent wächst zusammen – und zwar in Havanna bei Abwesenheit der Vereinigten Staaten. Auf dem nächsten OAS-Treffen in Panama 2015 wird Washington seine Haltung gegenüber Kuba vor den anderen Staaten des Kontinents nicht mehr rechtfertigen können. Lateinamerika arbeitet heute Hand in Hand. Dieses Signal hat der CELAC-Kongreß in alle Welt ausgesandt. Die Vision Simón Bolívars, des ersten Vordenkers der subkontinentalen Einheit, ist damit ein Stück Realität geworden.
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