Wie Moçambique zum Tummelplatz von Beutejägern wurde
Dann kam Monika …
Das Heldenepos der damals von Kämpfern wie Samora Machel geführten Front für die Befreiung Moçambiques (Frelimo), die dem portugiesischen Kolonialfaschismus schwere Schläge versetzte, ist in die Geschichte eingegangen. Der opferreiche Kampf der Frelimo trug maßgeblich zum Sieg der Nelkenrevolution im „Mutterland“ bei. Viele Militärs des 25. April wurden durch die auf afrikanischem Boden erlittenen Niederlagen der Streitkräfte Lissabons zu tieferem Nachdenken über Faschismus und Krieg veranlaßt.
Als der später bei einem Flugzeugabsturz ums Lebens gekommene Samora Machel dann erster Präsident eines von der Kolonialherrschaft erlösten Moçambique war, schlug Maputo mit aktiver Unterstützung sozialistischer Länder – nicht zuletzt auch der DDR – den Weg der nichtkapitalistischen Entwicklung ein. Nach der Auflösung des RGW und des Warschauer Paktes – einer dramatischen Folge des Zusammenbruchs der von Verrätern in den Abgrund gerissenen UdSSR – entstand auch für Länder wie Angola und Moçambique ein unauffüllbares Vakuum: Ohne den Rückhalt ihrer bisherigen Freunde und Verbündeten ließ sich der Kurs nationaldemokratischer Orientierung nicht fortsetzen. Als Option blieb für den afrikanischen Flächenstaat nur die von imperialistischen Mächten diktierte kapitalistische Entwicklung.
Für Moçambique hatte der nun folgende Prozeß besonders auf landwirtschaftlichem Gebiet verheerende Auswirkungen. Bei einer bestellbaren Agrarfläche von 36 Millionen Hektar ist das relativ dünn besiedelte Land, in dem 35 % der Einwohner ständig Hunger leiden, zum Lebensmittelimport gezwungen.
In Moçambique nimmt der Staat laut Gesetz die Grundeigentümerrechte auf dem gesamten nationalen Territorium wahr. Tatsächlich aber sind inzwischen ganze Heerscharen in- und ausländischer Investoren über die Moçambiquaner hergefallen, seitdem Maputo 7 Millionen Hektar „ungenügend genutzter Flächen“ zum Erwerb freigegeben hat. Sie haben sich bereits 2,5 Millionen Hektar unter den Nagel gerissen.
Heute befindet sich Moçambique unter den zehn weltweit für „Land-Deals“ am meisten ins Visier genommenen Territorien. Die von den großen Investoren des Agro-Business an den Tag gelegte Eile übertrifft fast noch das Tempo, mit dem sich die Kolonialmächte einst des schwarzen Kontinents bemächtigten.
Im Bezirk Chuire der Nordprovinz Cabo Delgado jagen ausländische Anleger nach kultivierbarem Land für alles, was Profit bringt – von Bananen bis zu Bio-Sprit-Rohstoffen. Eingesessene Familien, die bislang den Boden für ihre kleinen Wirtschaften nutzten, wurden rücksichtslos vertrieben oder in weniger fruchtbare Landstriche abgedrängt. Im Großaufkauf von Flächen gilt der Konzern Eco-Energia als besonders aggressiv. An der Spitze des Mutterhauses steht der Schwede Per Carstedt, zuvor Topmanager des führenden europäischen Bioethanol-Imperiums SEKAR. Ouroverde – zu deutsch: grünes Gold – mit niederländischem regierungsoffiziellem und privatem Hintergrund hat schon 1,3 Millionen Dollar in die auf mindestens 25 Jahre ausgelegte Nutzung einer Tausend-Hektar-Fläche gesteckt. Auch Eco-Energia beabsichtigt, durch den Anbau von Zuckerrohr und anderen Rohstoffen für Bioethanol auf insgesamt 30 000 Hektar langfristig Profit zu machen.
Nach Errichtung der Volksmacht unter Führung der Frelimo hatten die moçambiquanischen Dorfbewohner – parallel zur Landbesetzung durch das Agrarproletariat in der südportugiesischen Bodenreformzone – ohne große Umstände den Boden in Besitz genommen und bestellt. „Dann kam Monika“, erinnerte sich der örtliche Frelimo-Funktionär Martiño Silva. Es handelte sich um Monika Brauks, die Geschäftsführerin von Eco-Energia. Mit den Worten „Ich möchte etwas Land“ habe sie sich sehr moderat eingeführt. Da die Plantage vor allem jungen Leuten bezahlte Arbeit bot, hätten sich die Dorfbewohner darauf eingelassen.
In Chuire wurden der ortsansässigen Bevölkerung auch andere kostbare Ressourcen geraubt. So hat das deutsche Bergbauunternehmen Kropfmühl die Wälder rund um das von ihm erkundete Revier hermetisch abgeriegelt.
Luis Muchanga vom nationalen Bauernverband UNAC verglich den Streit um Grund und Boden in Moçambique mit einem Wettrennen. „Die Konzerne entwickeln einen mächtigen Appetit“, erklärte er.
Übrigens sei das bedeutende afrikanische Land keineswegs menschenleer gewesen, wie die Aufkäufer des ausländischen Agro-Business behaupten. In ihren anfangs sozialistischen Zielsetzungen habe die Frelimo eine hochmechanisierte und kollektiv betriebene Landwirtschaft anvisiert. Heute signalisiere man in Maputo statt dessen Interesse an „Investitionen großen Stils“.
Um kein einseitiges Bild entstehen zu lassen: In Moçambique hat sich nach den langen Jahren des Bürgerkrieges auf kapitalistischer Grundlage eine nicht zu verkennende ökonomische Entwicklung vollzogen. Das Land wird inzwischen von den bürgerlichen Medien auf Grund seiner Wachstumsraten (2012: 7 %) als einer der „afrikanischen Löwen“ gepriesen.
Noch 1997 war in Maputo ein durchaus progressives Gesetz über Boden- und Gemeinderechte auf den Weg gebracht worden. Inzwischen weist die Praxis kraß gegenläufige Tendenzen aus. Vielfach werden rechtmäßige Landnutzer skrupellos enteignet und vertrieben. Korrupte Politiker reißen die besten Flurstücke an sich, kapitalistische Unternehmer nutzen Steuerschlupflöcher aller Art, die Bodenpacht ist bei 40 Cent pro Hektar eine Farce.
Jacinto Tualufo, dessen Behörde diesen Prozeß in der Hauptstadt „überwacht“, bestätigte, daß die Erwerbs- und Nutzungsanträge an Größe und Zahl ständig zunehmen. „Wir müssen aus diesen Investitionen Kapital schlagen“, erklärte er. „Wenn wir Angst vor einer solchen Entwicklung haben, verpassen wir eine Chance.“
Während Moçambiques BNP weiter wächst, stagniert die offiziell angestrebte Verringerung der Armutsrate. Auf dem Lande steigt sie sogar weiter an. Die allgegenwärtige Korruption tut ein übriges.
Die zweite große Bedrohung der Souveränität Moçambiques ist das ProSavana-Projekt. Maputo bot dafür ursprünglich 14 Millionen Hektar der die Nordregionen durchziehenden tropischen Savanne an. Das brasilianische Agro-Business will dort landwirtschaftliche Fertigerzeugnisse und Rohstoffe für den Export nach Japan produzieren lassen. Doch das riesige Gebiet, um das es dabei geht, ist derzeit die Heimat Hunderttausender Bauernfamilien. In ihrem Namen trommelt die UNAC Alarm.
Um die Aufbegehrenden zu beruhigen, versprechen die Drahtzieher von ProSavana eine „Partnerschaft“ mit den kleinen Grundbesitzern. Ob das allerdings der Dimension eines Vorhabens entspricht, das Investitionen in Höhe von 2 Billionen Dollar für gigantische Projekte bereitstellen will, ist mehr als fraglich. Schon jetzt wird den Bauern, die in der anvisierten Zone leben, eine Umsiedlung dringend empfohlen.
RF, gestützt auf „The Guardian“, Sydney
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