Sechs von zehn stimmberechtigten USA-Bürgern
blieben den Urnen fern
Das Fiasko der Mid-Terms
Die Mid-Term-Elections, wie in den USA die Zwischenwahlen bezeichnet werden, brachten im November 2014 angeblich einen haushohen Sieg der republikanischen Grand Old Party (GOP) und eine vernichtende Niederlage der Demokratischen Partei Präsident Obamas. Tatsächlich konnte die GOP ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus weiter ausbauen und sich nun auch unter den 100 Senatoren, von denen ein Drittel neu gewählt wurde, die Majorität sichern. Der Präsident der Vereinigten Staaten wurde im wörtlichen Sinne zu einer in seiner Entscheidungsfähigkeit beschnittenen „lahmen Ente“ (lame duck) degradiert. So bezeichnet man Residenten im Weißen Haus, denen keine anderen legalen Machtmittel als das Überfahren der Mandatsträger durch Dekretieren zur Verfügung stehen.
Ein Wort zum Wechselspiel der beiden einander am Staatsruder ablösenden großen Parteien: Hinter den Republikanern, der prononciert rechteren Formation, stehen – vereinfachend gesagt – die erste Reihe des US-Monopolkapitals und der militärisch-industrielle Komplex. Die vor allem mit Kreisen des Finanzkapitals verbundenen Demokraten sind differenzierter zu beurteilen. Da es in den USA keine Sozialdemokratie gibt, erfüllen sie als großbürgerliche Partei zugleich auch reformistische Aufgaben. Dabei gibt es unter den Demokraten neben eingefleischten Südstaatler-Reaktionären auch linksliberale und gewerkschaftsnahe Sektoren.
Der Wahlmodus, bei dem man sich im Augenblick der obligatorischen Registrierung als Demokrat, Republikaner oder Unabhängiger erklären muß, um an den Vorwahlen (Primaries) der beiden politischen Hauptformationen teilnehmen zu können, ist nicht gerade ein freiheitliches Modell. Bei der Abstimmung gilt das Prinzip „Winner takes all“. (Der Sieger bekommt alles.) Wer bei den Präsidentschaftswahlen in einem Bundesstaat auch nur einen einzigen Wähler mehr für sich verbuchen kann, dem werden die über den künftigen Staats- und Regierungschef entscheidenden Wahlmänner samt und sonders zugeschlagen, während der Unterlegene leer ausgeht.
Jetzt ist von einem Erdrutschsieg der GOP die Rede. Daran stimmt nur eines: Während 60 % aller Stimmberechtigten den Urnen fernblieben und damit ein vernichtendes Urteil über die ihnen vorgegaukelte „Demokratie“ fällten, votierten zahlreiche Wechselwähler nach Meinungsumfragen nur deshalb für die GOP, weil sie sich von Obamas Wirtschaftspolitik betrogen fühlten. Die Absage an ihn war also kein Bekenntnis zur GOP, die ihren Druck auf den Präsidenten jetzt noch mehr erhöhen wird, um die aggressivsten Akzente der Außenpolitik auf die Spitze zu treiben.
Es besteht kein Zweifel daran, daß die Entscheidung der US-Bürger durch eine alle Dimensionen sprengende Einseif- und Irreführungskampagne der Medien im wahrsten Sinne des Wortes gekauft worden ist. Nie zuvor wurden von den Magnaten solche Summen in eine Mid-Term-Kampagne investiert: Vier Milliarden Dollar gaben sie überwiegend für demagogische Werbespots aus, die 24 Stunden am Tag die Bildschirme füllten.
Die großbürgerliche „Washington Post“ stellte sachlich fest: „Wähler, die nach dem Verlassen der Stimmlokale interviewt wurden, äußerten sich negativ über fast alles – vom Präsidenten über den Kongreß bis zu den beiden großen Parteien sowie zum Zustand der Wirtschaft und der Führung des Landes.“
Besonders selbstentlarvend war die Tatsache, daß die US-Medien nur Tage zuvor die Wahlen in der Ostukraine, an denen trotz des Kiewer Bomben- und Raketenterrors über 60 % der Stimmberechtigten teilgenommen hatten, wegen „extrem hoher Abstinenz“ als „shame“ (Schande) bezeichnet hatten. Wäre man in den USA auch nur auf diese „Traumzahl“ gekommen, hätte das einen Jubelsturm ausgelöst.
Von Obama wurde nicht wenig unternommen, um die Russophobie und damit den Kalten Krieg zu forcieren. Dennoch übt die GOP massiven Druck auf ihn aus, Putin noch mehr zu dämonisieren und auf größere Truppenverlegungen der NATO an die russischen Grenzen zu drängen. Während Obama in Syrien und Irak zwar interveniert, ohne den Terroristen der radikal-islamistischen IS ernsthaft zu schaden, indem er auf Bodentruppen verzichtet und „blinde“ Luftschläge führt, verlangt die GOP „sofortige Schritte zum Sturz der syrischen Assad-Regierung“.
Die „New York Times“ sprach davon, die Wähler hätten „nach einem Weg Ausschau gehalten, mit Washingtons Unentschlossenheit Schluß zu machen“. Der Genauigkeit halber: Es handelte sich dabei um weniger als ein Drittel der potentiell Stimmberechtigten. Aufschlußreich ist auch die Tatsache, daß 25 % der für die GOP Votierenden anschließend auf Journalistenfragen versicherten, sie hätten ihre Entscheidung nicht aufgrund positiver Gefühle für die Republikaner getroffen, sondern allein aus Protest gegen Obamas Politik.
Das Mandat für die GOP ist also weit von einem Vertrauensbeweis der Wähler für diese innenpolitisch erzreaktionäre und außenpolitisch ultra-aggressive Partei entfernt, sondern war ein klassisches Protestvotum.
RF, gestützt auf Information Clearing House, Kanada
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