Das Trotzalledem des Eberhard Panitz
In Eberhard Panitz – heute 81 – haben die Kriegsjahre tiefe Spuren hinterlassen. Wenn es Gedichte von Bertolt Brecht und Erich Weinert, Romane von Thomas Mann, Anna Seghers, Arnold Zweig und vielen anderen nicht gegeben hätte – wer weiß, was aus ihm geworden wäre. Gerade sie waren es, die ihm halfen, die neue Zeit zu begreifen und den eigenen Weg zu finden. Diesen hat er niemals verlassen. Er entdeckte seine schriftstellerischen Fähigkeiten und begann zu schreiben. Zu den bekanntesten Werken des Autors zählen „Die sieben Affären der Dona Juanita“, „Die unheilige Sophia“ und „Meines Vaters Straßenbahn“, um nur einige Titel zu nennen. Zahlreiche seiner Erzählungen, Novellen und Romane sind für die DEFA und das Fernsehen der DDR verfilmt worden.
Mit dem Anschluß der DDR an die BRD mußte er erleben, wie die Schriften, die ihm Erkenntnis und Orientierung gebracht hatten, einem gnadenlosen staatsbefohlenen Vernichtungsfeldzug der Sieger zum Opfer fielen. Millionen und aber Millionen Bände nahezu der gesamten in der DDR publizierten sozialistischen und fortschrittlichen Literatur aus den Beständen volkseigener Verlage, Buchhandlungen und Bibliotheken wurden entfernt und eingestampft. „Trotzdem“, schreibt Eberhard Panitz, „konnte nicht alles Neue und Umstürzlerische niedergemacht werden, gleich gar nicht das Wissen, die Kenntnisse und Erfahrungen in den Köpfen.“ Das mag ihn ermutigt haben, in das Vermächtnis von Vertretern seiner Zunft einzutauchen und dieses zum Gegenstand eines neuen Buches zu machen, das in diesem Jahr durch den verlag am park herausgebracht wurde.
In seinem „Tagebuch totgesagter Dichter“ erinnert der Autor an 13 Gelehrte und Schriftsteller – von Georg Christian Lichtenberg über Goethe und Schiller bis zu Heinrich Mann, Erwin Strittmatter und Peter Hacks –, die mit ihren unverwechselbaren Handschriften ganz Wesentliches für den Sieg der Vernunft, des Humanismus und der Menschheitsbefreiung geleistet haben. In Gestalt der von ihm literarisch verarbeiteten Recherchen legt Eberhard Panitz einen dem Leben der Literaten und ihrer Zeit zutiefst gerecht werdenden Band vor.
Unter Nutzung authentischer Zeugnisse, ausgewählter Textpassagen, Interviews und persönlicher Notizen zeichnet er die reiche, oft konfliktbeladene und entbehrungsvolle Welt des Schaffens verdienstvoller Schriftsteller nach. Er gräbt in vielen längst versunkenen Biographien, fördert zutage, was im historischen Dunkel zu verschwinden droht, verarbeitet spannende, bisweilen erst jetzt bekanntgewordene Episoden zu kurzweiligen, unterhaltsamen Geschichten. Mit dem „Tagebuch der totgesagten Dichter“ erschließt sich dem Leser einmal mehr die unverlierbare Bedeutung wahrer Literatur und die Größe ihrer Schöpfer, was angesichts des sich heute vollziehenden Wertevernichtungsfeldzuges der Herrschenden nicht hoch genug gewürdigt werden kann.
Die Werke Georg Büchners, Heinrich Heines, Kurt Tucholskys, Erich Kästners, Willi Bredels, Ludwig Renns, Ruth Werners und vieler anderer müssen vor dem Vergessen bewahrt werden. Die weite Verbreitung des Buches von Eberhard Panitz kann wirkungsvoll dazu beitragen.
Eberhard Panitz:
Tagebuch der totgesagten Dichter
verlag am park 2013, 202 Seiten
ISBN 978-3-89793-300-2
14,99 Euro
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