25 Jahre Mauerfall: Für Klaus Steiniger, Chefredakteur des „RotFuchs“, war die DDR das bessere Deutschland
„Das war eine Konterrevolution“
Am 26. Oktober veröffentlichte der „Weser-Kurier“, Bremen, auf seiner Politikseite als erste Aufmachung im Rahmen einer Serie das nachfolgende Interview, das wir leicht gekürzt nachdrucken.
25 Jahre nach dem Mauerfall gibt es nur noch wenige Menschen, die der untergegangenen DDR nachtrauern. Einer derjenigen, die sich auch heute noch zum selbsternannten Arbeiter-und-Bauern-Staat bekennen, ist Klaus Steiniger. Der frühere Redakteur des „Neuen Deutschland“ gibt heute eine ultralinke Monatszeitschrift heraus. Ein Besuch.
Berlin. Klaus Steiniger ist ein älterer, höflicher Herr. Er kennt die Welt, hat als Journalist beim SED-Zentralorgan „Neues Deutschland“ Karriere gemacht und 25 Jahre lang aus rund 40 Ländern berichtet. Er hat mehrere Bücher verfaßt und weiß viel zu erzählen. Bis 1989 war seine Welt, also die sozialistische, in Ordnung, doch im Herbst jenes Jahres wurde plötzlich alles anders. Die DDR löste sich nach dem Mauerfall quasi auf, der ganze Ostblock implodierte.
Für Steiniger und viele andere brach damit eine Welt zusammen: Der Sozialismus, der ja eigentlich den Kapitalismus ablösen sollte und als Vorstufe zum Kommunismus galt, zerbröselte vor seinen Augen. Was andere als Wende bezeichnen, ist für Steiniger die „Konterrevolution“.
Die Menschen in der DDR gingen sehr unterschiedlich mit dem Umbruch um; auch ihre Sicht auf den untergegangenen Staat und die neue Republik ist verschieden. Doch richtig traurig über das Ende der DDR sind die wenigsten. Klaus Steiniger gehört zu ihnen. Er legt großen Wert auf die Feststellung, daß er „seit 66 Jahren organisierter Kommunist“ sei. „Meine Weltanschauung ist nicht abhängig von Sieg oder Niederlage.“ Und so wechselte er Anfang der 90er Jahre von der PDS zur DKP.
Klaus Steiniger – er hat jüdische Wurzeln, der Großteil seiner Familie wurde von den Nazis ermordet – ist jetzt 81 Jahre alt. Er wohnt in Berlin, wo er auch aufwuchs. Es ist ein Gespräch vereinbart, in dem er seine Positionen darlegen kann. Er bittet um Fairneß, aber das versteht sich von selbst.
War für Sie die DDR der bessere Teil Deutschlands?
Ja. Die DDR war die größte Errungenschaft der deutschen Arbeiterbewegung.
Und daß Andersdenkende verfolgt wurden, hat Sie nicht gestört?
Es gibt kein Land der Welt, wo das nicht so ist.
Werden Sie denn verfolgt?
In dem Sinne nicht, aber ich gehe davon aus, daß ich abgehört werde.
Jahrzehntelang war Klaus Steiniger Journalist, wobei in der DDR unter dem Begriff etwas anderes verstanden wurde als heute. Um die „marxistisch-leninistische Position innerhalb der DKP zu festigen“, gründete er 1998 die Monatszeitschrift „RotFuchs“. Dessen Chefredakteur ist er immer noch. Zusammen mit einigen Helfern und mehreren freien Autoren bringt er das Blatt heraus. Mehr als 12 000 Exemplare seien es monatlich, sagt Steiniger. Finanziert werde alles durch Spenden.
Der „RotFuchs“, so viel läßt sich wohl unbestritten sagen, feiert die DDR und wettert gegen „den Gegner“ und die „Imperialisten“ – gemeint sind, je nachdem, die Bundesrepublik, die USA oder Israel, auf jeden Fall der Kapitalismus. Leserbriefschreiber weisen mitunter darauf hin, daß sie hohe Offiziere der Volkspolizei waren; die Mauer ist immer noch der „antifaschistische Schutzwall“. Zu Veranstaltungen werden einstige SED-Größen eingeladen. „Die Zeit“ bezeichnete den „RotFuchs“ einmal als „Leitmedium“ ehemaliger Stasi-Leute.
Haben Sie keine Berührungsängste mit früheren Mitarbeitern der Staatssicherheit?
Viele von denen sind meine Freunde. Ich selbst war aber nie bei der Stasi.
Und die Methoden der Stasi – fanden Sie die in Ordnung?
Das war ein ganz normaler Geheimdienst, den jedes Land der Welt hat. Die Staatssicherheit hat diejenigen bekämpft, die ich auch bekämpft hätte. Sie hat feindliche Angriffe abgewehrt und meinen Staat geschützt.
Wer in der DDR zur Schule gegangen ist, fühlt sich im Gespräch mit Klaus Steiniger oft in den Staatsbürgerkunde-Unterricht zurückversetzt. Auf Fragen nach konkreten Lebensbedingungen gibt es Antworten aus dem Werkzeugkasten des Marxismus-Leninismus. Da kenne er sich aus, versichert er. Oft ist von den „Interessen der Arbeiterklasse“ die Rede, obwohl der Großteil der SED-Mitglieder und auch Steiniger selbst keine Arbeiter waren.
Wie sehen Sie die Wende heute?
Ich halte den Begriff Konterrevolution für korrekt.
Aber die Menschen sind doch gegen die SED-Herrschaft auf die Straße gegangen.
Das waren höchstens zehn Prozent der Bevölkerung.
Und die Wiedervereinigung?
Das war nicht Volkes Wille, nur der eines Teils. Außerdem haben die Westmedien eine große und entscheidende Rolle gespielt.
War es nicht so, daß die Menschen die Schnauze voll hatten?
Nun, in der Endphase der DDR gab es eine echte Krisensituation.
Und die Wahlen waren nicht demokratisch.
Das sind sie heute auch nicht.
Es wird am Ende ein recht langes Gespräch. Irgendwann landet man beim jetzigen Bundespräsidenten Joachim Gauck. Der erste Chef der Stasiunterlagenbehörde genießt bei Menschen wie Klaus Steiniger natürlich keinen guten Ruf. Gauck sei „der größte Mißgriff“ gewesen, sagt er. Es folgen noch ein paar deutlichere Worte. Steiniger wird sogar ein bißchen wütend, zum ersten Mal in diesem Gespräch.
Ist Ihnen bewußt, daß Sie für diese Worte über ein Staatsoberhaupt in der DDR in den Knast gegangen wären?
Das war gerade ein Gefühlsausbruch. Wenn ich für den ,RotFuchs‘ schreibe, bin ich behutsamer.
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