Als Eberhard Herr den Herren die Suppe versalzen half
Das Wunder von Vippachedelhausen
(Teil 9 und Schluß)
Im Mai 1975 wurde die LPG „Vereinte Kraft“ Vippachedelhausen Mitglied der Agrarindustrievereinigung (AIV). Gemeinsam mit anderen Pflanzenbaubetrieben der Kreise Weimar, Erfurt-Land und Sömmerda wirkten Genossenschaftsbauern und Arbeiter nun auf rund 24 000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche. Die neue Form des Zusammenwirkens führte zu Konsequenzen in der Arbeitsorganisation. Die Abteilungen Melioration und Güllewirtschaft, Transport und Schwere Technik wurden ausgegliedert und – verstärkt durch Menschen und Technik aus den anderen Mitgliedsbetrieben der Agrarindustrievereinigung – zu kooperativen Abteilungen in der AIV gemacht.
Die Genossenschaft hatte sich ganz schön gemausert. Mit der Rückkehr der Leitung der LPG nach Vippachedelhausen wurde ein genereller Umbau des Kulturhauses und weiterer dort befindlicher Gebäude notwendig. Die Decke der großen Dungstätte, auf deren Bau wir 1962 so stolz gewesen waren, wurde jetzt zu einer Grünanlage. Da im Ort kein Vieh mehr stand, hatte sie ihre Dienste getan. In der einstigen Mühle von Vippachedelhausen wurden durch Umbau zwei Wohnungen gewonnen. Auch eine neue Brücke über die Vippach entstand.
Im März 1975 erfolgte die Übergabe der Reparaturkapazität mitsamt der Belegschaft an den Instandsetzungsbetrieb in Buttelstedt. Damit ging die LPG Pflanzenproduktion einmal mehr beispielgebend voran, indem sie als erste Genossenschaft der DDR die in Berlin gefaßten Beschlüsse zur Sicherung einer industriemäßigen Instandsetzung der Landtechnik verwirklichte.
In der Getreideernte des Jahres 1975 wirkte auf den Feldern der LPG ein großer Komplex von 18 Mähdreschern, 8 davon aus der Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion Großbrembach.
Im Laufe der letzten Jahre hatte sich die Größe der Schläge in der Feldflur der Genossenschaft wesentlich verändert. Im Durchschnitt betrug sie jetzt 150 Hektar. Es gab auch einzelne, die 280 Hektar maßen. Das gestattete nunmehr Arbeitsbreiten von 10 Metern bei den wichtigsten Bodenvorbereitungs- und Bestellungsarten. Ob das die Gründer der LPG 1952 wohl für möglich gehalten hätten?
Das Jahr 1976 begann eigentlich recht erfolgversprechend. Wir konnten frühzeitig auf den Acker und hatten das Sommergetreide, die Zuckerrüben und den Mais schnell und gut bestellt. Dann aber folgte ein langes kaltes Frühjahr. Das bekam unseren Kulturen nicht gut. Vom 4. Juni bis Mitte Juli regnete es überhaupt nicht mehr, und die Sonne meinte es nun viel zu gut. Viele Wochen brannte sie unbarmherzig auf unsere Felder. Da aber zahlte sich der Stausee so richtig aus, konnten wir doch einen Teil unserer Futter- und Zuckerrübenflächen zusätzlich beregnen.
Am 11. und 12. Februar 1976 fanden die „Berlstedter Gespräche“ über Literatur und Kunst statt. Es war ein Gedankenaustausch zwischen Kulturschaffenden und Genossenschaftsbauern. Karl Thoma, Mitglied des ZK der SED und Berlstedts LPG-Vorsitzender, informierte die Gäste über neue Entwicklungstendenzen in der sozialistischen Landwirtschaft, wobei er um Probleme und Konflikte, die zu bewältigen waren, keinen Bogen machte. Die teilnehmenden Künstler informierten sich dann an Ort und Stelle über das Produktionsgeschehen.
1977 war es ein Vierteljahrhundert her, daß sieben werktätige Bauern in Vippachedelhausen eine LPG gegründet hatten. Nun gehörte die „Vereinte Kraft“ zur Spitzengruppe moderner sozialistischer Pflanzenbaubetriebe der DDR. Wer von den Pionieren des schweren Anfangs hätte wohl gedacht, daß inzwischen auf 5144 Hektar gearbeitet wurde, waren es doch vor 25 Jahren gerade einmal 48 Hektar gewesen. Und mehr als das: Auf 1509 Hektar Ackerfläche erfolgte unterdessen die künstliche Beregnung. Das Wasser dazu kam aus dem 1972 fertiggestellten Vippachedelhausener Stausee.
Auch die Erträge konnten sich 1977 sehen lassen: Bei Getreide ernteten wir 33,8, bei Zuckerrüben 406,7, bei Futtergras 842,9, bei Luzerne 572,0 und bei Mais 461,9 Dezitonnen je Hektar.
Fast 90 Traktoren, gesteuert von hochqualifizierten Mechanisatoren, bearbeiteten nun die riesigen Schläge. Zu unseren bereits erwähnten Mähdreschern E 512 kamen sechs Schwadmäher E 301, sieben Exaktfeldhäcksler E 280, drei Rübenvollerntemaschinen KS 6 und anderes modernstes Gerät. Die LPG „Vereinte Kraft“ baute jetzt rund 2000 Hektar Getreide – hauptsächlich Weizen und Gerste – an. Futter wurde auf 2062 Hektar produziert, die Masse davon für die LPG Milchproduktion Berlstedt. Die Rüben für den begehrten Zucker wuchsen auf 406 Hektar, Gemüsesamenvermehrung betrieben wir auf 380 Hektar. Das waren jetzt die Hauptkulturen.
Als einzige Tierart blieben in der LPG Pflanzenproduktion im Jahresdurchschnitt 3356 Schafe zurück, die 2384 Dezitonnen Fleisch und 95 Dezitonnen Wolle lieferten.
Auch mit den Finanzen stimmte es durchaus: Die LPG verfügte inzwischen über einen Grundfonds von 30 Millionen Mark der DDR. Wie bescheiden war da doch das auf 20 000 Mark bezifferte genossenschaftliche Vermögen vor 25 Jahren.
An der Schwelle eines volkswirtschaftlichen Agrar-Industrie-Komplexes angelangt, begann sich auch in Vippachedelhausen das zu verwirklichen, was Marx, Engels und Lenin vorausschauend über den Sozialismus zu Papier gebracht hatten.
In der historisch kurzen Zeitspanne seit der demokratischen Bodenreform der Jahre 1945/46 und nur zweieinhalb Jahrzehnte nach dem Zusammenschluß von Bauern der DDR in landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften veränderten sich in Vippachedelhausen die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen mehr als in den vorausgegangenen Jahrhunderten.
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