Der 8. Mai in Österreich
Vor wenigen Wochen jährte sich zum 70. Mal ein Ereignis, das vielen Österreichern bestenfalls als das Ende des 2. Weltkrieges bekannt ist. Einige verbinden und betrauern damit auch den Untergang des tausendjährigen Reiches, und nur eine Minderheit feiert dieses Datum im Gedenken an die Befreiung vom Hitlerfaschismus.
70 Jahre sind eine lange Zeit, in der man auch in Tirol zu einer Neubewertung dieses schrecklichen Abschnitts der Geschichte unserer Heimat und der damals handelnden Personen hätte kommen können.
Leider ist dem nicht so. So ist es in der Gemeinde Kirchbichl im Tiroler Unterland, einer seit 1945 sozialdemokratisch verwalteten Ortschaft, nicht gelungen, für die dortigen Opfer der faschistischen Gewaltherrschaft eine Stätte der Erinnerung und des Gedenkens zu errichten. Während der Errichtung des TIWAG-Innkraftwerks wurden zwei polnische Zwangsarbeiter wegen „Rassenschande“ – so bezeichneten die Faschisten Beziehungen zwischen „slawischen Untermenschen“ und „reinrassigen Arierinnen“ – ohne Gerichtsurteil erhängt.
Aber auch für einheimische Widerstandskämpfer wie den 1944 vom NS-Volksgerichtshof zum Tode verurteilten und danach hingerichteten gebürtigen Kirchbichler Anton Rausch sucht man dort vergeblich eine ihn würdigende Tafel oder eine Straßenbezeichnung.
Ein weiteres Kirchbichler Nazi-Opfer, der Zimmermann Josef Zaisser, befand sich aus politischen Gründen im KZ-Flossenbürg und kam dort am 4. November 1941 ums Leben. Sein Name taucht bis dato nicht einmal in den offiziellen Opferlisten auf.
In der Nachbargemeinde Wörgl, welche zumindest für die hingerichteten Sozialdemokraten Josefine und Alois Brunner einen bescheidenen Gedenkstein am Bahnhofsvorplatz aufstellen ließ und Gedenktafeln am örtlichen Friedhof anbrachte, kam man kürzlich auf die glorreiche Idee, sich ihrer und der übrigen Wörgler NS-Opfer fortan auf der Rückseite des Kriegerdenkmals vor der Stadtpfarrkirche zu erinnern. Täter und Opfer in trauter Gemeinschaft vereint – die Opfer allerdings verschämt hinter dem Rücken der heroischen Vaterlandsverteidiger, welche fern der Heimat in treuer Pflichterfüllung für „Führer, Volk und Vaterland“ ihr Leben ließen! Wenn man in Betracht zieht, daß bis vor kurzem Wehrmachtsdeserteure und Widerstandskämpfer hierzulande als „Kameradenschweine“ und „Vaterlandsverräter“ galten, dann ist das immerhin eine gewisse Aufwertung.
Auch in der Schickimicki-Stadt Kitzbühel, Refugium zahlreicher Verehrer und Bewunderer Hitlers wie seiner Ideologie, sucht man bisher vergeblich nach Hinweisen auf ermordete politische Gegner des Nazi-Regimes. Doch wenigstens ein Fortschritt ist zu vermelden: Bei einer Gemeindeversammlung wurde erstmals der Antrag gestellt, eine Gedenktafel für hingerichtete Mitbürger anzubringen.
Angesichts all des hier Geschilderten ist es nicht verwunderlich, daß heute im Ausland oftmals die Meinung vorherrscht, alle Österreicher hätten dem Einmarsch der faschistischen Wehrmacht im Jahre 1938 begeistert zugestimmt und die jubelnden Massen auf dem Wiener Heldenplatz seien für das ganze Volk repräsentativ gewesen.
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