Er arbeitete in Moskau, kämpfte in Spanien
und starb in Sachsenhausen
Der Geraer Widerstandsheld Erwin Panndorf
Erwin Panndorf, geboren am 7. Januar 1904 in Gera, absolvierte nach der Volksschulzeit eine dreijährige Ausbildung zum Maschinenschlosser. Er war als ganz junger Sozialist noch während des Ersten Weltkrieges bei Protestaktionen zugegen und beteiligte sich später an der Niederschlagung des Kapp-Putsches in seiner Heimatstadt. Diese konsequente Haltung führte ihn in den Kommunistischen Jugendverband (KJVD), die KPD, den Roten Jungsturm und den Rotfrontkämpferbund (RFB).
Erwin Panndorf engagierte sich in der Bildungsarbeit, politischer Agitation, der Betreuung von Arbeiterkindergruppen sowie in der Wander- und Sportbewegung. Er nahm an spektakulären antimilitaristischen Aktionen des KJVD wie jener gegen das Reiterdenkmal Kaiser Wilhelms in Gera teil, trat aber auch als Redner bei Versammlungen in ganz Thüringen auf.
Mit ihrem 1. Fünfjahrplan, der 1929 anlief, strebte die junge Sowjetunion einen enormen Industrialisierungsschub an. Für die 1500 ins Auge gefaßten neuen Großbetriebe wurden Facharbeiter, Ingenieure und Techniker aus dem In- und Ausland gesucht. Als Internationalist war Panndorf bereit, seine Kenntnisse einzubringen. Der 26jährige begann eine Arbeit bei der 2. Staatlichen Uhrenfabrik in Moskau. Dort fand er schnell Kontakt zum Kollektiv und wurde 1931 als Deputierter in den Sowjet des Moskauer Stadtbezirks Krasnaja Presnja gewählt, der in der russischen Revolution von 1905 den Auftakt gab. Später wechselte er in die 1. Staatliche Uhrenfabrik und lernte dort die Komsomolzin Maria Iwanowna kennen, die er heiratete. Aus der Ehe ging die Tochter Ilsa hervor. Erwin Panndorf erfuhr für seine Arbeit viele Ehrungen, als deren Höhepunkt er die Aufnahme in die KPdSU betrachtete.
Nach Beginn des Volkskrieges zur Verteidigung der Spanischen Republik folgte er dem Solidaritätsappell der Komintern und verstärkte ab Mai 1937 die Reihen der Inter-brigaden. Er wurde zum Kommandeur eines Panzer-Reparaturzuges in der gemischten Interbrigade „Carros de Blindados“ ernannt. Bis Mitte 1938 stand er acht Monate an der Front. In dieser Zeit gelang es ihm, zwei Werkstätten aufzubauen und zahlreiche Reparaturen auszuführen, um die Einsatzfähigkeit der kämpfenden Truppe zu gewährleisten. Mit dem Abzug der Interbrigaden nach Frankreich kam er im Oktober 1938 in ein französisches KZ. Als Ende Januar 1939 erste neu aufgestellte internationale Bataillone nach Barcelona gingen, meldete er sich erneut. Nach der Niederlage der Spanischen Republik geriet Erwin Panndorf wiederum in ein französisches KZ, wobei ihm aufgrund seiner sowjetischen Staatsbürgerschaft die Auslieferung an Hitlerdeutschland erspart blieb. Am 1. April 1939 konnte er nach Moskau zurückkehren.
Unmittelbar nach dem Überfall der deutschen Faschisten auf die UdSSR reihte sich Panndorf in den Widerstandskampf gegen die Aggressoren ein. Er sollte als sowjetischer Militäraufklärer und Beauftragter des ZK der KPD hinter den feindlichen Linien zum Einsatz gelangen, um bereits aktive deutsche Gruppen zu unterstützen und deren Netzwerk auszuweiten. Auch die Erkundung der Lage im „Reich“ gehörte zu den Aufgaben der Kundschafter.
Im Mai 1942 verabschiedete sich Erwin Panndorf von seiner Familie. In einem letzten Brief schrieb er: „Ich reise heute aus Moskau ab, hören wird man von mir nach dem Kriege.“
In der Nacht zum 17. Mai 1942 sprangen er und sein Genosse Willi Börner über einem Waldstück unweit von Osterode in Ostpreußen ab. Sie schlugen sich bis nach Meerane durch, wo die geplante Einrichtung einer Funkstelle fehlschlug. Daraufhin suchten sie Zuflucht in Crimmitschau, von wo aus Panndorf über seine Schwester Verbindung zu Widerstandsgruppen in Thüringen aufzunehmen beabsichtigte. Dieses Bemühen scheiterte an der Schwester des Antifaschisten, die bei der Gestapo Anzeige erstattete. Daraufhin wurde von den Fahndern ein Kopfgeld von 10 000 Reichsmark ausgesetzt. Die beiden Kundschafter trennten sich und vereinbarten einen neuen Treff in Innsbruck, der aber nicht mehr zustande kam.
Panndorf beschloß, sich allein nach Berlin durchzuschlagen. Am 10. Juni traf er dort bei Rudolf Scheffel ein, den er aus der kommunistischen Jugendarbeit in Gera kannte. Über ihn trat er mit dem Kreis um Felix und Käthe Tucholla in Verbindung. Beide halfen ihm, bei KPD-Genossen und anderen hilfsbereiten Menschen unterzukommen. Es gelang Panndorf, in Berlin eine kleine nachrichtendienstliche Gruppe aus Kommunisten aufzubauen. Als er dann abermals Kontakt zu Börner herzustellen versuchte, wurden er und weitere neun Antifaschisten am 27. Juli 1942 von der Gestapo verhaftet. Sie lieferte Erwin Panndorf in das KZ Sachsenhausen ein, wo SS-Männer den 38jährigen am 10. Dezember 1942 ermordeten. Gegen seine Mitkämpfer verhängte der faschistische „Volksgerichtshof“ Todesurteile.
Der Einsatz von antifaschistischen Kundschaftern wurde von beiden deutschen Staaten konträr bewertet. In der DDR betrachtete man sie als heldenhafte Kämpfer und Vorbilder der Jugend. Dort gab es eine Reihe von Veröffentlichungen über Panndorf, dem hohe Ehrungen zuteil wurden. Seinen Namen findet man auch auf einer Tafel in der Berliner Gedenkstätte der Sozialisten. Geras 1968 errichtete Sport- und Kongreßhalle sowie eine dortige NVA-Pioniereinheit bekamen ihn zuerkannt.
In der BRD wurden deutsche Kundschafter der Sowjetunion als „Söldner des NKWD“ und „Agenten Moskaus“ diffamiert, soweit man sie nicht totschwieg.
Geras Panndorf-Halle trägt weiterhin den Namen des Widerstandshelden, ein Bildrelief erinnert an ihn. Unerwähnt bleibt aber, daß er Kommunist und Spanienkämpfer war.
Veröffentlichungen des „Forschungsverbundes SED-Staat“ bezeichnen die Einsätze der Fallschirmspringer als „Himmelfahrtskommandos“. Sie seien geopfert worden und für den Tod anderer Widerstandskämpfer mit verantwortlich.
Das Verschweigen des kommunistischen Widerstandes im Schulunterricht hat zur Folge, daß herausragende Kämpfer aus der jeweiligen Region den Jüngeren kaum noch bekannt sind.
Seit 2007 finden auf Initiative der Partei Die Linke wieder Gedenkfeiern für Panndorf statt. Fünf Jahre später erfolgte die Verlegung eines Stolpersteins, der an einen aufrechten Menschen erinnert, dessen Taten nicht in Vergessenheit geraten dürfen.
Das Material wurde mit Unterstützung der SDAJ-Gruppe Gießen-Marburg erarbeitet.
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