Wie Adenauer das Zustandekommen
des Grundgesetzes arrangierte
Der Roßtäuscher vom Rhein
Nicht viele heutige Leser wissen, was der am 7. Oktober 1949 erfolgten DDR-Staatsgründung vorausging.
Deshalb der Reihe nach: Die erste maßgebliche Station auf dem hier zu beschreibenden Weg war die von den USA geheim, wortbrüchig und langfristig vorbereitete separate Währungsreform. Sie erfolgte am 20. Juni 1948. Ich habe sie selbst miterlebt: An jenem Tag war ich als Dienstanwärter im Westberliner Bezirksamt Tiergarten zum Geldumtausch eingesetzt. Bevor ich die ersten dem amerikanischen Dollar ähnelnden neuen Banknoten ausgab, las ich auf den Banderolen das Datum: 17. November 1947.
Mehr als ein halbes Jahr zuvor waren die bunten Scheine also bereits in den USA gedruckt worden! Dem war die monatelange politische Planung der bis zum letzten Augenblick verdeckt gehaltenen Aktion vorausgegangen. Besonders makaber: Das Ganze geschah zu einer Zeit, in der die vier Besatzungsmächte über eine gesamtdeutsche Währungsreform miteinander verhandelten.
Die separate Maßnahme stellte einen offenkundigen Bruch des Potsdamer Abkommens durch die USA und die beiden anderen westlichen Besatzungsmächte dar. Es war bekanntlich das von allen anerkannte maßgebliche Völkerrechtsdokument für das Deutschland der Nachkriegsjahre.
Die Währungsreform erwies sich als ein besonders krasser Schritt zur Einbeziehung der Westzonen, der späteren BRD, in die Weltherrschaftsstrategie der Vereinigten Staaten. Für die Deutschen aber bedeutete sie die sofortige Spaltung ihres Landes.
Damals wurde in Ost und West noch um die Einheit Deutschlands gerungen. Zugleich ging es um einen Friedensvertrag der Siegermächte. Die Nationale Front gab in jener Zeit die Parole aus: Für Einheit und gerechten Frieden!
Schon 1946 wurde die Diskussion über eine antifaschistisch-demokratische Verfassung für ganz Deutschland eröffnet. Vorstellungen recht unterschiedlicher Ausprägung fand man zunächst in den 1946/47 verabschiedeten Länderverfassungen aller vier Besatzungszonen.
Währenddessen ruhten die Spalter Deutschlands nicht, wobei die westlichen Besatzungsmächte Regie führten. Bereits am 1. Juli 1948, nur wenige Tage nach der separaten Währungsreform, folgte schon der nächste Hieb. An diesem Tag verlangten die drei westlichen Militärgouverneure mit US-General Lucius D. Clay an der Spitze von den Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder, bis zum September, also binnen zweier Monate, eine „Verfassunggebende Versammlung“ einzuberufen. Es ging um die baldige Konstituierung eines westdeutschen Separatstaates. Dieser sollte mit seinem weitgehend unangetastet gebliebenen ökonomischen und militärischen Potential zu einer Hauptsäule der NATO in Europa werden.
Doch die Regierungschefs wußten um die seinerzeitige Stimmung in ihren Ländern und lehnten deshalb sowohl eine westdeutsche Verfassung als auch einen separaten Staat zunächst ab.
Dem Befehl der Besatzungsmächte offen zu widersprechen, war indes unmöglich. Der alte Fuchs Konrad Adenauer wußte einen Ausweg, den er den Militärgouverneuren, vor allem Clay, schmackhaft zu machen verstand. Kurzerhand erfand er einen „Parlamentarischen Rat“, ließ durch die Länderparlamente in diesen Vertreter entsenden und übernahm – als Ältester unter den Anwesenden – kurzerhand den Vorsitz. Das sicherte ihm eine nahezu totale Kommandogewalt. Ohne Adenauer oder gegen ihn ging nichts!
Für dieses Gremium gab es weder in den Verfassungen der Länder noch in der Weimarer Verfassung, auf die das Grundgesetz (GG) mehrfach Bezug nimmt, eine Rechtsgrundlage, im Potsdamer Abkommen schon gar nicht.
Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland von dem in keiner Verfassung oder in anderen Dokumenten vorgesehenen „Rat“ angenommen, ausgefertigt und verkündet. Zuvor hatten es die westlichen Besatzungsmächte mit einigen Änderungen, die vor allem ihre Rechte an und auf Berlin gewährleisteten, bestätigt. Die Länderparlamente durften binnen einer Woche (!) ihr Ja oder Nein zum GG kundtun. Es wurde im „Bundesgesetzblatt“ eines Staates, den es noch gar nicht gab, veröffentlicht.
Der 23. Mai galt fortan als Gründungsdatum der BRD. Zum Staatsfeiertag wurde er allerdings nicht erklärt. Die Bürger der westdeutschen Länder hatten keinerlei Einfluß auf das ihnen vorgesetzte Produkt. Sie wurden ihm einfach unterworfen.
Es gab auch keine ernstzunehmenden Kommentare zum Inhalt des GG. Der später gewählte Bundestag hat dieses von Beginn an als Provisorium betrachtete Dokument niemals bestätigt. Schließlich hat kein bundesdeutscher Richter, bis zu denen des Bundesverfassungsgerichts, jemals das ungewöhnliche Zustandekommen des Grundgesetzes und damit des Staates BRD hinterfragt oder gerügt! Bis heute fehlt ihm nicht nur jede demokratische, sondern auch jede rechtsstaatliche Legitimation. Das GG besitzt also von Rechts wegen gar keine Geltungskraft!
Dennoch gilt es de facto. Es wird von allen Ämtern, Behörden und Gerichten der BRD als gültig betrachtet und angenommen.
Es sei dahingestellt, ob Konrad Adenauer irgend jemanden in seine geheimen Pläne eingeweiht hat. Doch sein Handeln erweist sich im nachhinein als ein äußerst raffinierter Schachzug. Aufgrund politischer und Lebenserfahrung wußte er: Bei allem kommt es stets auf das Ergebnis an. Wird etwas allgemein akzeptiert, fragt niemand mehr, wie es zustande gekommen ist, ob rechtmäßig oder rechtswidrig.
Da das GG des westdeutschen Separatstaates durch alle für die Entwicklung der BRD maßgeblichen Mächte – vor allem die USA, Großbritannien und Frankreich – sowie bei den Adenauer politisch verbundenen reaktionären Kräften Billigung erfuhr, fragte auch niemand von diesen nach den Ursprüngen. Die bürgerliche Rechtslehre bezeichnet so etwas als „die normative Kraft des Faktischen“. Einfacher ausgedrückt: Geschaffene Tatsachen herrschen über Recht und Gesetzlichkeit.
Adenauer rechnete damit – und hatte natürlich auch selbst darauf abgezielt -, daß er als erster Bundeskanzler diesen extrem antikommunistischen und antisowjetischen Frontstaat des Imperialismus regieren würde. Da sich sein Wohnsitz in Bonn befand, wurde das Städtchen am Rhein fast über Nacht auch zur Hauptstadt der BRD.
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