Klaus Blessings ermutigender Blick in die Zukunft
Der Sozialismus ist nicht totzukriegen
Unter dem Titel „Die sozialistische Zukunft – kein Ende der Geschichte“ hat der profilierte Ökonom Dr. Klaus Blessing ein Buch vorgelegt, das weit über aktuell-politische Interpretationen hinausweist. Ohne Tabus, aber faktenreich und voll argumentativer Kraft setzt sich der Autor mit Erfahrungen des realen Sozialismus in Europa sowie Gebrechen und Verbrechen in der Welt des Kapitals auseinander. Er bietet dabei neue Denkansätze zu der Thematik, wie eine in der historischen Abfolge gesetzmäßige sozialistische Zukunft aussehen könnte. Dabei fordert er provokant zu eigenen Überlegungen heraus.
Mein Meinungsbildungsprozeß verlief so: Nach der Lektüre jedes Kapitels suchte ich mir eine Position zu dem jeweils Dargelegten zu bilden. Notizen und Anmerkungen zu für mich ungeklärten Fragen gehörten dazu. Erst danach ging ich zum nächsten Abschnitt über. Dieser Denkprozeß ergab Übereinstimmung mit den meisten Überlegungen und Ansätzen des Autors, was mir übrigens nicht immer leichtfiel. Am Ende der Lektüre war das Buch Klaus Blessings mit eigenen Fußnoten geradezu übersät.
Im Mittelpunkt der hier besprochenen Arbeit steht keine abstrakte Gesellschaftstheorie, sondern der die Entwicklung gestaltende Mensch in seiner vielschichtigen Widersprüchlichkeit. Zu Recht betont der Autor, daß dessen Idealisierung zu den wesentlichen Gründen für das Scheitern des trotz großer Anstrengungen untergegangenen europäischen Sozialismus gehört haben dürfte.
Klaus Blessing warnt eindringlich davor, das nach seiner Meinung fehlerhafte Bestreben, den Kapitalismus bei Produktivität und Konsumtion zu überbieten, wiederholen zu wollen. Sein Ansatz für eine ausbeutungsfreie Zukunft hat nichts Statisches. Für ihn ist Sozialismus kein fertiger Zustand, sondern ein gesellschaftlicher Prozeß, der von Beginn an bestimmten Kriterien entsprechen sollte: Befriedigung materieller und geistiger Bedürfnisse – ohne blinden Massenkonsumismus –, Arbeit und soziale Teilhabe aller, Frieden und internationale Solidarität, wahrhafte Demokratie.
Äußerst polemisch setzt sich Klaus Blessing mit Wachstumsfetischismus und Scheindemokratie als dem Sozialismus fremden Erscheinungen auseinander. Seine Trennlinie zwischen Kapitalismus und Sozialismus aber ist unverrückbar die Ausgestaltung der Eigentumsverhältnisse. Pseudolinken Auffassungen erteilt er eine erfrischend formulierte Absage. Damit greift das weit in die Zukunft weisende Buch auch in aktuellste Auseinandersetzungen innerhalb des linken Spektrums ein. Die These vom „Unrechtsstaat“ wird offensiv widerlegt, den Phantastereien von einer nichtrevolutionären gesellschaftlichen „Transformation“ wird eine gründliche Abfuhr erteilt.
Blessings Buch schließt mit der Aufforderung, ein „Handlungskonzept“ zur Überwindung des Kapitalismus zu erarbeiten. Er vertritt die Auffassung, der „Tag Y“, an dem die Umgestaltung der kapitalistischen in eine sozialistische Gesellschaft beginnen werde, sei angesichts der tiefgreifenden Krisenprozesse nicht allzu fern.
Nüchtern stellt der marxistische Analytiker aber fest, daß Europas Linkskräfte in der Mehrzahl der Länder noch nicht darauf vorbereitet seien. Er verweist deshalb auf entsprechende Prozesse vorrangig in sich nichtkapitalistisch orientierenden Ländern Lateinamerikas.
Klaus Blessings Buch ist anregend, streitbar und unbedingt lesenswert. Alle, die Lust haben, sich mit dieser wichtigen Materie zu beschäftigen, sollten zu ihm greifen.
Klaus Blessing:
Die sozialistische Zukunft – Kein Ende der Geschichte
Eine Streitschrift
edition berolina, 254 Seiten
ISBN 978-3-86789-831-7
14,99 Euro
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