RotFuchs 206 – März 2015

Über Höhen und Tiefen einer
traditionsreichen Gewerkschaftszentrale

Der Weg der französischen CGT

RotFuchs-Redaktion

Frankreichs einst sechs Millionen Mitglieder zählende Confederation General du Travail gilt neben der italienischen CGIL, der portugiesischen CGTP-Intersindical und der griechischen PAME als eine der bedeutendsten Gewerkschaftszentralen im linken Spektrum dieser Bewegung. Ihre politische Nähe zur damals sehr einflußreichen, zeitweilig mehr als ein Viertel der Wählerstimmen auf sich vereinigenden FKP von Maurice Thorez, Jacques Duclos und Marcel Cachin, war immer eine feste Größe. Im vergangenen Jahr veröffentlichte die Zeitschrift „Étincelles“ (Funken) – das theoretische Organ des Pols der Kommunistischen Wiedergeburt in Frankreich – ein gut recherchiertes Material zu ihrer Geschichte.

In der langjährigen Chronik der CGT hat es Höhen und Tiefen gegeben. Entscheidendes ereignete sich am 19. April 1915. An jenem Tag wurden in Mort-Mare (Departement Meurthe-et-Moselle) ein Corporal und zwei Soldaten erschossen, weil sie sich geweigert hatten, mit der Mannschaft eines gegenüberliegenden deutschen Schützengrabens „kurzen Prozeß zu machen“. Der eigentliche Exekutionsgrund aber war die Mitgliedschaft der drei Männer in der CGT.

1889 – sechs Jahre nach dem Tod von Karl Marx – wurde die Zweite Internationale gegründet. 1895 entstand die CGT. 1906 beschloß sie auf ihrem Kongreß in Amiens eine Charta, die man als Konzeption eines revolutionären Syndikalismus betrachten konnte.

1912 zählte die einzige Gewerkschaftszentrale des Landes bereits 700 000 eingeschriebene Mitglieder bei sieben Millionen französischen Lohnempfängern. Damals befaßte sich ein Außerordentlicher Kongreß mit Fragen des Kampfes gegen den drohenden Weltkrieg. 1913 entstand ein Internationales Gewerkschaftssekretariat, dem auch ein Vertreter der CGT angehörte. In jenem Jahr veröffentlichte der Verband ein antimilitaristisches Manifest, das zu großen Hoffnungen berechtigte. Doch bei Kriegsbeginn sank die Mitgliedschaft binnen kurzer Zeit auf etwa 300 000.

In dieser Zeit war ein schwerwiegendes Ereignis eingetreten: die Ermordung des herausragenden französischen Sozialistenführers Jean Jaurés am 31. Juli 1914. Die Grande Nation erfaßte ein chauvinistischer Taumel. Ende 1914 wandte sich nur noch eine Minderheit der CGT-Führung gegen das Blutvergießen. Ihr Generalsekretär Léon Jouhaux trat sogar dem Nationalen Hilfskomitee bei. Allein ein Teil des Metallarbeiterverbandes widersetzte sich diesem Kurs. 1915 zählte die CGT noch ganze 50 000 Mitglieder.

Doch das Jahr 1917 brachte eine Wende: 696 Streiks mit fast 294 000 Teilnehmern kündeten auch in Frankreich von gewachsener Kampfbereitschaft. 1919 standen bereits 1,5 Millionen Proletarier in den Reihen der CGT. Beim Generalstreik am 1. Mai jenes Jahres zogen 500 000 Demonstranten unter Arbeiterfahnen durch Paris, während sich 1 160 000 Franzosen an Arbeitsniederlegungen beteiligten.

1921 beschloß eine Delegiertenmehrheit des Parteitags der Sozialisten in Tours die Gründung der FKP. Das hatte Rückwirkungen auf die Gewerkschaftsbewegung. Die Stärke des linken Flügels offenbarte sich beim CGT-Kongreß in Lille. Doch die Klassenkämpfer waren noch in der Minderheit. Die CGT-Spitze schloß sie kurzerhand aus. Als Reflex bildeten sie die CGTU. 1922 trat dieser Verband der von Lenin begründeten Roten Gewerkschaftsinternationale bei, die bis 1937 bestand.

Die neue Situation nach Hitlers Machtantritt zwang die Gewerkschaftsbewegung zum Zusammenschluß.

1936 hatte sich in Frankreich mit der Bildung der Volksfront und der gewerkschaftlichen Wiedervereinigung im Rahmen der CGT, die jetzt fünf Millionen Mitglieder zählte, die Lage drastisch verändert. Der spanische Bürgerkrieg konfrontierte auch die Franzosen untereinander. In Madrid war im Februar 1936 eine Volksfrontregierung an die Macht gelangt, gegen die der von Hitler und Mussolini unterstützte General Franco den Bürgerkrieg eröffnete. Der Widerstand gegen Franco stellte sich als ein Kampf gegen den Faschismus insgesamt dar. Das Büro der CGT wandte sich gegen die von den Westmächten verkündete Politik der Nichteinmischung und unternahm alles, um die Regierung des Sozialisten Leon Blum zu einem Kurswechsel zu veranlassen. Doch die Spanische Republik überlebte nicht. Am 1. April 1939 fiel Madrid. Aus Sicht der CGT trug die westliche Politik der Nichtintervention die Hauptschuld am Ende des antifaschistischen Spanien.

Einmal mehr spielten jetzt Antikommunisten auch in Frankreich eine finstere Rolle: Die Vertreter der FKP wurden aus dem CGT-Bundesbüro ausgeschlossen, mehr als 600 von Kommunisten geführte Gewerkschaftsorganisationen aufgelöst.

Unter Führung des KP-Spitzenpolitikers Benoit Frachon widersetzten sich konsequent linke Gewerkschafter dem Kurs der Klassenkollaboration. Nach dem Einmarsch der deutschen Faschisten organisierte die CGT an der Seite der FKP den Widerstand. Unvergessen ist der Mut des Pariser Metallarbeiterführers Jean-Pierre Timbaud. Vor seiner Erschießung durch die deutschen Faschisten im Steinbruch von Chateaubriand rief er mit lauter Stimme: „Es lebe die Kommunistische Partei Deutschlands!“

1943 konnte die Gewerkschaftseinheit unter dramatischen Umständen wiedergeherstellt werden. Die CGT, die eine tragende Rolle im Nationalrat der Résistance (CNR) gespielt hatte, erhielt mehrere Mandate im obersten Gremium des französischen Widerstandes. Der die Volkserhebung auslösende Streik der CGT-Eisenbahner von Vitry-sur-Seine ging als Auftaktsignal in die Geschichte ein.

Nach der Befreiung und der Wiedervereinigung ihrer Reihen zählte die der FKP nun eng verbundene CGT mehr als sechs Millionen Mitglieder. Als der Weltgewerkschaftsbund (WGB) im Oktober 1945 entstand, wurde CGT-Sekretär Louis Saillant sein erster Generalsekretär. Mit Verkündung des Marshallplans (Juni 1947) gehörten die CGT und Italiens CGIL zu jenen profilgebenden Verbänden, die sich entschieden weigerten, das prowestliche Konzept der anglo-amerikanischen Unions zu übernehmen.

Ihren Beitritt zum Internationalen Bund Freier Gewerkschaften – der gegnerischen Zentrale – vollzog die CGT, der trotz ihres 1995 erfolgten Austritts aus dem WGB immer noch eine gewisse Nähe zur inzwischen gleichfalls gewandelten FKP nachgesagt wird, erst 2006. Bei notwendigen Abstrichen gehört sie auch heute noch als stärkste französische Gewerkschaftszentrale zu jenen Arbeiterorganisationen, die den Gedanken der Klassenorientierung und der internationalen Solidarität nicht völlig aufgegeben haben.

RF, gestützt auf „Étincelles“, Paris