Der erste Völkermord im 20. Jahrhundert
trug sich auf dem schwarzen Kontinent zu
Deutsche Kolonialgreuel in Afrika
Der erste Völkermord im 20. Jahrhundert wurde nicht von Türken an Armeniern, sondern von deutscher Kolonialsoldateska an Ova-Hereros und Nama in Südwestafrika verübt.
Anfang der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts erwarb der deutsche Kaufmann Adolf Lüderitz Gebiete im heutigen Namibia. Das Land, das Lüderitz den Einheimischen für einige Pfund Sterling und ein paar Gewehre „abkaufte“, wurde zunächst „Lüderitzland“ genannt. Es war ein ungleiches Geschäft, und die Angst des Herrn Lüderitz, daß man ihm irgendwann auf die Schliche kommen würde, war berechtigtermaßen groß. Seit 1884 übte das Deutsche Reich daher die „Schutzherrschaft“ über die Region aus, die Lüderitz erworben hatte. Das Gebiet wurde bald darauf zur deutschen Kolonie Südwestafrika.
Am 12. Januar 1904 führten der rücksichtslose Land- und Viehraub der deutschen Kolonialherren zum Aufstand der Ova-Hereros unter Führung von Samuel Maharero. Die Erhebung hatte anfangs Erfolg. Die deutsche Reichsregierung – mit dem Agieren ihrer Söldner unzufrieden – ernannte Generalleutnant Lothar von Trotha, einen besonders grausamen Militaristen, zum Oberbefehlshaber ihrer Kolonialtruppe. Der verfolgte das Ziel, die Aufständischen vollständig zu vernichten.
Nach der Schlacht am Waterberg, die im August 1904 stattfand, drängte die deutsche Kolonialsoldateska einen Teil der Ova-Hereros in die wasserlose Omaheke-Wüste, wo Zehntausende von ihnen verdursteten. Insgesamt 15 000 deutsche Soldaten waren an der Niederschlagung des Aufstandes beteiligt.
Anfang Oktober 1904 erhoben sich auch die Nama-Stämme im Süden des Landes. Der Aufstand konnte erst 1908 niedergeschlagen werden.
Ein auf deutscher Seite kämpfender Afrikaner sagte unter Eid aus: „Als das Gefecht vorüber war, entdeckten wir acht oder neun Frauen, die zurückgelassen worden waren. Einige von ihnen waren blind. Wasser und Nahrung hatten sie noch. Die Deutschen haben sie bei lebendigem Leibe in der Höhle, in der sie lagen, verbrannt.“
In den Jahren 1904 bis 1908 ermordeten kaiserlich-deutsche Truppen etwa 90 000 Angehörige der Ova-Herero und der Nama. Nicht einmal ein Drittel der Herero und nur die Hälfte der Nama überlebten.
Immer noch wird die Legende verbreitet, der deutsche Kolonialismus sei humaner als der anderer Staaten gewesen. Die geschilderten Beispiele, die durch zahlreiche weitere aus anderen deutschen Kolonien ergänzt werden könnten, sagen das Gegenteil aus. Bei der einheimischen Bevölkerung waren die deutschen Kolonialherren genauso verhaßt wie die aus anderen imperialistischen Staaten. 1915 eroberten britische und südafrikanische Truppen Südwestafrika. Die deutsche Kolonialherrschaft fand hier am 9. Juli 1915 ihr Ende.
Das militärische Vorgehen der deutschen Kolonialsoldateska war Völkermord, der seine Fortsetzung in den landesweit auf jetzt namibischem Boden eingerichteten Konzentrationslagern fand, in denen nahezu jeder zweite afrikanische Kriegsgefangene zu Tode kam. Dieser in Afrika verübte Genozid ist im kollektiven Bewußtsein der Deutschen weitgehend vergessen. In Namibia aber stellt er bis heute ein nationales Trauma dar.
Es gibt in ganz Berlin keine einzige offizielle Gedenkstätte, in der an deutsche Kolonialverbrechen erinnert wird. Dagegen befindet sich auf dem Garnisonsfriedhof am Neuköllner Columbiadamm neben Ehrenmälern für NS-Verbrecher auch ein Findling, der „an die gefallenen Helden des Südwestafrika-Feldzuges (1904/1907)“ erinnert. Dieser Stein stand ursprünglich auf einem Kasernengelände in Kreuzberg und wurde 1973 auf Initiative einer „Afrika-Kameradschaft Berlin“ restauriert und an seinen neuen Standort versetzt. Die Gelegenheit wurde genutzt, um einen weiteren Gedenkstein aufzustellen, der „den in Afrika gefallenen deutschen Soldaten“ gewidmet ist. Damit wurde das Gedenken auf alle im Zweiten Weltkrieg gefallenen Angehörigen des Rommelschen Afrikakorps ausgeweitet. Dieser Stein ist 2005 von einer antimilitaristischen Gruppe entfernt worden. Doch der sogenannte Herero-Stein blieb. Eine 2009 daneben vom Neukölner Bezirksamt aufgestellte Gedenktafel wurde kurze Zeit später von Unbekannten entwendet.
Obwohl die UNO bereits 1948 die von deutschen Kolonialtruppen in Südwestafrika verübten Greuel als Völkermord definiert hat, tun sich BRD-Regierungskreise nach wie vor schwer mit diesem Begriff. Als die 2004 nach Namibia gereiste bundesdeutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) in einer Rede von Genozid sprach, wurde ihre Äußerung anschließend „relativiert“. Auch BRD-Außenminister Steinmeier (SPD) manövrierte, als er 2014 auf eine Anfrage der Grünen erklärte, man habe einen Dialog begonnen, der „erstmals auch die Suche … nach einer gemeinsamen Sprache in bezug auf den grausamen Kolonialkrieg“ beinhalte.
Besonders schäbig aber war einmal mehr das Verhalten von Bundespräsident Gauck und seines Bundespräsidialamtes, die sich am 7. Juli weigerten, Nachfahren der Völkermordopfer aus Namibia zu empfangen, obwohl diese angemeldet waren.
Einen Tag später wurde dem Bundespräsidialamt der Appell „Völkermord verjährt nicht!“ übergeben, den rund 2000 Vertreter von Wissenschaft, Politik, Kirche, Kultur und auch der Black Community sowie von fast 50 Nichtregierungsorganisationen unterschrieben haben.
Die Bundesregierung lehnt beharrlich Entschädigungszahlungen an Nachfahren der Opfer während der deutschen Kolonialzeit in Afrika begangener Verbrechen ab. Doch Völkermord bleibt Völkermord!
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