RotFuchs 196 – Mai 2014

Vom Neokolonialismus zurück zur klassischen Kolonialherrschaft

Die „Befriedung“ Zentralafrikas

RotFuchs-Redaktion

Frankreich gibt – von der BRD sekundiert – den Vorreiter bei der Wiederherstellung klassisch-kolonialistischer Verhältnisse in seinen früheren „Besitzungen“ auf afrikanischem Boden. Nach der Intervention in der Elfenbeinküste (2010), dem maßgeblich von Paris in Szene gesetzten imperialistischen Überfall auf Libyen (2011) und der „uneigennützigen Hilfe“ für Mali (2012) soll auch die Zentralafrikanische Republik (RCA) „auf Linie gebracht“ werden. Anfang Dezember 2013 lancierte François Hollandes rechtssozialdemokratische Regierung ihre „Operation Sangaris“. Sie diente als Vorwand zur Verstärkung der militärischen Präsenz Frankreichs im Herzen des Schwarzen Kontinents. Offizielle Begründung für die klassisch-kolonialistische Einmischung war – wie immer in solchen Fällen – das angebliche Bedürfnis, humanitäre Hilfe zu erweisen: Diesmal ist der Schutz der Zivilbevölkerung vor Unbeteiligte massakrierenden islamistischen und christlichen Banden das angebliche Handlungsmotiv.

Schon am 5. Dezember erhielt Hollande vom UN-Sicherheitsrat grünes Licht für diese neue Intervention. Frankreich hätte sich allerdings – wie im Fall Mali – lieber auch noch eine „begleitende Mission“ von UNO-Blauhelmen gewünscht – aus kosmetischen Gründen. Doch angesichts des Widerstandes der Afrikanischen Union wurde die Entscheidung darüber zunächst vertagt. Bald darauf hat sie jedoch 6000 Mann in die RCA geschickt, um dort 1400 Soldaten der „Gemeinschaft Zentralafrikas“ zu ersetzen. Verstärkungen aus den Kasernen der Grande Nation folgten rasch.

Nachdem Präsident Hollande die neueste Variante der Einmischung in fremde Angelegenheiten wortreich begründet hatte, stimmte auch die Linkspartei Mélenchons der Operation zu, während sich allein die FKP dem Coup widersetzte.

Das unzählige Opfer fordernde jüngste Blutbad in Südsudan und die „Operation“ in der Ende des 19. Jahrhunderts von Frankreich kolonisierten heutigen RCA sind durch die Medien der Bourgeoisie ausführlich kommentiert worden. Einmal mehr sollte damit das Bild eines Afrika vermittelt werden, das sich in großen Schwierigkeiten befindet und dringend der Hilfe seiner einstigen europäischen Kolonialmächte bedarf.

Doch was ist in der Zentralafrikanischen Republik, die über ergiebige Vorräte an Uran, Gold und Erdöl verfügt, tatsächlich geschehen? Kurz nach seiner Wahl zum Präsidenten der RCA und unmittelbar vor Verkündung der Unabhängigkeit des Landes kam der herausragende antikolonialistische Führer in der Region, Barthélémy Boganda, bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz ums Leben. Seitdem hat Frankreich seine ökonomischen Interessen in der RCA immer skrupellos wahrgenommen, wobei die aufeinanderfolgenden Staatschefs eng an Paris gekettet waren.

Zuletzt amtierte François Bozizé, der am 24. März 2013 durch einen Staatsstreich zu Fall gebracht wurde. Islamistische Rebellenmilizen marschierten dann auf die Hauptstadt Bangui. Ihr Anführer Michel Djotodia ernannte sich selbst zum Präsidenten, während sich Hollandes im Lande befindliches Militär auf den Schutz der Anlagen des Erdölkonzerns Total und anderer französischer Unternehmen sowie des Flughafens der Hauptstadt beschränkte. Der Putschistenführer erklärte unverzüglich, er werde alle erst kurz zuvor mit China geschlossenen Verträge „einer Überprüfung unterziehen“.

Zwischen März und Dezember 2013 terrorisierten Djotodias Milizen die mehrheitlich christliche Bevölkerung der RCA, was Gegenreaktionen in Gestalt der Formierung von „Selbstverteidigungseinheiten“ auslöste. Diese begingen wiederum Grausamkeiten an Anhängern des Islam.

Es entstand eine humanitäre Krisensituation: Bis zum 15. Januar 2014 hatten 886 000 Menschen ihre Wohnorte fluchtartig verlassen müssen, zwei Millionen Hungernde brauchten dringend Nahrungsmittel. Die Massaker nahmen ihren Fortgang.

Wichtigste Aufgaben wären in dieser Situation die sofortige Entwaffnung der radikalsten Milizen beider Seiten und die Begünstigung eines Dialogs zwischen der moslemischen Bevölkerungsgruppe (15 %) und der christlichen Mehrheit (50 %) sowie den traditionellen Gemeinschaften (35 %) gewesen. Die zuletzt Genannten setzten sich übrigens aktiv für die Verständigung zwischen den sich Befehdenden ein.

John Ging, UNO-Direktor für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten, konstatierte bedauernd, von den in Aussicht gestellten Hilfslieferungen im Wert von 247 Mill. Dollar seien im Dezember nur Güter für 15,5 Mill. eingegangen.

Am 20. Januar trafen sich in Brüssel die Außenminister der EU-Staaten. Djotodia wurde als Präsident der RCA ausgebootet, da er keine Kontrolle über seine amoklaufenden Anhänger mehr besaß. Einige Wochen zuvor hatte der UN-Sicherheitsrat die Französische Republik mit der bereits erwähnten Parallel-Operation „Sangaris“ zu beginnen ermächtigt.

Frankreich wolle eine Großmacht in der Welt bleiben und eine entscheidende Rolle in Afrika spielen, vernahm man aus Paris. „Angesichts seiner kolonialen und neokolonialen Vergangenheit ist das schwerlich zu akzeptieren“, schrieb der Afrika-Spezialist Tony Busselen in „Solidaire“. Deshalb wolle Hollande lieber unter dem Signum „Europa“ operieren. Der Pariser „Figaro“ zitierte einen „Verantwortlichen aus dem Elysee-Palast“: „Besonders nach Libyen, Mali und Zentralafrika ist es für Frankreich politisch schädlich, allein zu intervenieren. Die Europäisierung zwingt sich auf.“

Beim Start von „Sangaris“ erklärte Hollande auf einem europäischen Gipfeltreffen: „Ich tue das nicht für Frankreich, sondern im Interesse Europas. Frankreich geht in Afrika nur Europa voraus, und dieses wird sich anschließen.“

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton ließ wissen, sie habe „das Projekt“ bereits seit Juni vergangenen Jahres vorbereitet.

Doch auch die BRD spielte bei dem schmutzigen Unterfangen keinen geringen Part. Berlin sei auf der Ministerberatung eine treibende Kraft gewesen, um eine „europäische Militärkoalition“ auf die Beine zu bringen, die Frankreich in der RCA unterstützen könne, erfuhr man. Wenig später beschloß die Merkel-Regierung, das Bundeswehrkontingent in Mali aufzustocken, um dem französischen NATO-Partner die Verlegung eines Teils seiner dortigen Truppen in die Zentralafrikanische Republik zu ermöglichen und sich „in Form von strategischem Lufttransport in die Hauptstadt Bangui“ auch direkt zu beteiligen.

RF, gestützt auf „Solidaire“, Brüssel