Über das Servieren immer derselben Lügenbouillon
Die Devise heißt Gleichschaltung
Massenmedien und Nachrichtenagenturen besitzen eine ungeheure Macht. Im Kapitalismus handelt es sich überwiegend um privatwirtschaftliche, also gewinnorientierte Unternehmen. Eine Konzentration in den Händen gigantischer Konzerne hat sich hierzulande längst vollzogen. 2009 hielten Großverleger einen Marktanteil von 60 % der BRD-Tagespresse, bei Unterhaltungsblättern waren es sogar 80 %. Zuvor prägten mittelständische Regionalzeitungen noch weitgehend den Angebotsfächer. Auf einstigem DDR-Gebiet wurden die 39 dort erscheinenden Tageszeitungen sofort von Großunternehmen wie der Verlagsgruppe Dirk Ippen übernommen. Gab es in der BRD bisher mehr als 100 Vollredaktionen, so sind davon nur noch 17 übriggeblieben. Die Lokalzeitungen werden jetzt von Zentralredaktionen aus gesteuert und mit Material beliefert.
Da 95 % der Tagespresse ihre Nachrichten über internationale und überregionale Ereignisse von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) beziehen, haben Zentralen und Agenturen als „Schleusenwärter“ der Meldungsangebote eine Schlüsselfunktion. Der jeden Tag servierte Einheitsbrei des Informations-„Mainstream“ – also der gerade vorherrschenden öffentlichen und politischen Meinungsbilder – schwappt dann sogar in die Kommentare und Diskurse unabhängiger Vollredaktionen über.
Beispiele waren die vom TV-Magazin „Panorama“ ausgelöste Kampagne um die seinerzeitige niedersächsische Landtagsabgeordnete mit DKP-Mitgliedsbuch Christel Wegner und das Schmierentheater wegen der PDL-Geburtstagsgrüße an Fidel Castro. Die militaristisch-expansive, Kiews Faschisten begünstigende Berichterstattung über den von EU und NATO inszenierten Putsch in der Ukraine ist gleichen Schlages.
Schon beim „Zeitungskönig“ William Randolph Hearst (1863–1951), in der BRD bei Axel Cäsar Springer oder Rudolf Augstein antichambrierten Politiker in der Hoffnung auf Wohlwollen. Ex-Bundespräsident Wulff hat das ebensowenig geholfen wie anderen, die den politischen Absichten der Pressezaren in die Quere kamen.
Seit 1991 hat ein schleichender Prozeß zum raschen Niedergang unabhängiger Regionalzeitungen wie zu deren Übernahme und Einstellung geführt. Selbst die Konzernpresse konzentriert und zentralisiert sich, was weitgehend vom Leser unbemerkt geschieht. Als „Publizistische Einheiten“ (PE) gelten alle redaktionell nichtselbständigen Zeitungen mit inhaltsidentischen Teilen. Ab 1954 ging deren Zahl von damals 225 auf nur noch 134 Titelgruppen im Jahr 2010 zurück.
Zeitungen finanzieren sich jeweils zur Hälfte aus Anzeigen und Abonnements. Hinzu kommt der freie Verkauf in Läden und an Kiosken, die oft von Lieferdiensten bestückt werden. Sowohl die Zahl der Abonnenten als auch die der Anzeigenkunden ist bei den regulären Tageszeitungen stark zurückgegangen: Lag der Leseranteil im Jahre 1990 noch bei 71 % der über 14jährigen, so ging er inzwischen auf 41 % zurück (2010). Von den 14- bis 29jährigen lesen unterdessen nur noch sechs Prozent eine Zeitung! Dafür haben sie Internet-Zugang im Übermaß, „twittern“, „googeln“ und „bloggen“ ihre eigenen Nachrichten per Schlagwortliste mit kompetenzeinschränkender Tunnelperspektive.
Daß es nicht so sein muß, zeigen andererseits politisch-kritische Blogger-Foren. Diese liegen jedoch abseits des mit Werbung gespickten kommerziellen Internet-Marktes, der seine Kunden in die konsumhörige Verwirrung lenkt. Internet-Ausgaben der Lokalzeitungen ändern an einem solchen Benutzerprofil wenig. Im gedruckten Blatt lesen 73 % fast alle Seiten, 61–72 % verfolgen politische und andere lokale Ereignisse. In der Internet-Ausgabe sind das jedoch nur 11–15 %, während etwa 41 % die Terminangaben zu Veranstaltungen bevorzugen.
Mit speziellen Aktivitäten wie Karaoke-Wettbewerben, Kinderseiten und knalligen Beilagen versuchen sich etablierte Lokalzeitungen Zugang zu jüngeren Lesern zu verschaffen. Das findet allerdings bei Eltern mehr Anklang als bei dem auf Mobiltelefone ausgerichteten Nachwuchs. Kostenlose kommerzielle „Werbeblätter“ im Gewand von Wochenzeitungen machen der Regionalpresse Konkurrenz.
Die Großverleger der jeweiligen Gruppen reagieren auf die „Zeitungskrise“ zuerst mit Einsparungen beim Personal. Es muß nun in „crossmedialen“ Großraumbüros zusammengelegten Schichtbetrieb leisten. Da bleiben Freiheit, Kreativität und Ethos der Journalisten total auf der Strecke.
Bei alldem geben die Verursacher der chaotischen Reizüberflutung, die reaktionäre Ideologien aller Art verbreiten, dem strukturellen Wandel durch die „neuen Medien“ die Alleinschuld für solche Veränderungen negativer Art. Allerdings boten fast sämtliche technologischen Neuerungen, die der Kapitalismus hervorbringt, eigentlich auch positive und fortschrittliche Nutzungsmöglichkeiten. Das haben die jungen Leute unserer Tage richtig erkannt. Sie wollen es auch nutzen und verteidigen, erkennen aber meist das entscheidende Hindernis dabei nicht: die Tatsache, daß sich der Strukturwandel im Rahmen kapitalistischer Eigentumsverhältnisse und reaktionärer Politik sowie im Konflikt mit dem System innewohnenden Zwängen zu Wachstum, Konkurrenz und Profitmaximierung vollzieht. Zu Recht traf Marx die Feststellung: Das kapitalistische System gerät in Widerspruch zu den Möglichkeiten der von ihm herbeigeführten rasanten Entwicklung der Produktivkräfte. Es ist außerstande, diese zum Fortschritt und Wohl der Menschen zu einzusetzen.
Nur gut, daß es noch von Lesern und Spendern getragene unabhängige Blätter wie die „junge Welt“, die UZ und unseren „RotFuchs“ gibt, die wir unbedingt erhalten, medial ausbauen und auf eine breitere Basis stellen müssen.
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