RotFuchs 188 – September 2013

Wie die Geheimnisse der Imperialisten verpfiffen wurden

Die Großtat der „Whistleblower“

RotFuchs-Redaktion

Über die Motive und die ideologische Position der „Whistleblower“, wie man inzwischen nicht mehr nur im englischsprachigen Raum Leute bezeichnet, die besonders streng gehütete Geheimnisse „verpfeifen“, wissen wir so gut wie nichts. Doch das ist eigentlich auch nebensächlich. Vermutlich dürfte keiner aus dem Trio der auf solche Weise zu weltweiter Prominenz Gelangten – es handelt sich um den Australier Julian Assange und die beiden US-Bürger Bradley Manning und Edward Snowden – in die politische oder weltanschauliche Nähe von Kommunisten oder Sozialisten zu rücken sein, auch wenn sie von ihren Anklägern des „Geheimnisverrats gegenüber dem Feind“ bezichtigt werden.

Dieser imaginäre Gegner sind ganz offensichtlich die internationale demokratische Öffentlichkeit und die friedliebenden Menschen in aller Welt. Die „Whistleblower“ haben deren Feinde auf bisher einmalige Weise bloßgestellt. Das aber ist objektiv als eine antiimperialistische Großtat zu werten. Deshalb handelt es sich bei jenen, welche die Karten der Kriegstreiber und Kriegsverursacher aufdecken, in der Tat um Friedenshelden, die unsere uneingeschränkte Sympathie und Solidarität verdienen.

Der in Sydney erscheinende „Guardian“ – die sehr informative Wochenzeitung der KP Australiens, auf deren außenpolitische Berichte wir uns so manches Mal gestützt haben –, schilderte unlängst Einzelheiten zum Wirken der Internet-Enthüllungsplattform WikiLeaks Julian Assanges, der inzwischen eine eigene Partei gegründet hat und für den Senat seines Landes kandidiert. Er hat bekanntlich schon vor mehr als einem Jahr in der Londoner Botschaft Ekuadors Zuflucht vor den Häschern der USA-Geheimdienste suchen müssen.

Seit ihrer Gründung im Jahr 2007 beschäftigt sich die Internet-Plattform vor allem damit, die Wahrheit über Kriege, Morde, Folter und Verschleppung sowie dubiose Konzernaktivitäten, Korruption, Machtmißbrauch, Unterdrückung der Meinungsfreiheit und bestimmte Kulthandlungen oder Verschleierungsmanöver zu verbreiten. Als dann aber 2011 plötzlich Hunderttausende streng geheime Depeschen, Dossiers und Berichte des US-Außenministeriums, der Geheimdienste und des Pentagons weltweit publik gemacht wurden, löste das in Washington begreiflicherweise Schockwellen aus. Die Lügen der Lügner und die Wahrheit über von den Imperialisten bereits verübte oder geplante Verbrechen kamen schlagartig ans Tageslicht.

US-General Michael Hayden, der nacheinander Direktor der NSA und der CIA war, erklärte in einem vom „Guardian“ auszugsweise nachgedruckten Interview für den Dokumentarfilm „Die Geschichte von WikiLeaks“ unumwunden: „Wir stehlen Geheimnisse. Wir stehlen die Geheimnisse anderer Nationen. Man kann das tun und dabei sehr lange Erfolg haben.“

Doch während man den „WikiLeaks“-Gründer wegen der Preisgabe der Intimsphäre imperialistischer Staaten zum Freiwild erklärt hat, sind die von Hayden eingestandenen Verbrechen der Geheimdienste Washingtons tabu.

„WikiLeaks“ erhält nicht wie diese eine vielstellige Milliardensumme, sondern bezeichnet sich als nichtprofitorientierte Medienorganisation. „Unser Ziel ist es, wichtige Neuigkeiten und Informationen an den Mann zu bringen“, erklärte dessen Mitarbeiter Nick Davis in dem erwähnten Film. „Eine unserer wichtigsten Aktivitäten besteht darin, Original-Quellenmaterial einem breiten Publikum, aber zugleich auch Historikern zugänglich zu machen. Wir sind eine junge, sehr schnell gewachsene Einrichtung, die sich auf ein Netz dieser Sache ergebener Freiwilliger in der ganzen Welt stützen kann … Wir wollen, daß die Wahrheit herauskommt und Verbreitung findet.“

Robert Mannes sagte in dem Streifen über Assange: „Dieser ,Whistleblower‘ ist weder ein Freiheitsverfechter rechter Tendenz noch ein Standard-Linker. Ich halte ihn für einen humanitär eingestellten Anarchisten, einen Revolutionär vom Schlage John Lennons, der von einer besseren Welt träumt.“ Übrigens sind Tageszeitungen und Nachrichtenmagazine wie die „New York Times“, „Der Spiegel“, der britische „Guardian Weekly“ und Australiens Fairfax-Medienimperium für ihren maßgeblichen Anteil an der Verbreitung von Geheimnissen, die „WikiLeaks“ preisgegeben hat, nie belangt worden, während die „Whistleblower“ als Frontsoldaten solider Information lebenslang hinter Gitter gebracht oder sogar physisch ausgeschaltet werden sollen.

Der jetzt in Fort Meade (Maryland) abgeurteilte hochqualifizierte Computerspezialist Bradley Manning wurde von der US-Army an deren „Innereien“ herangelassen, ohne daß sie ahnen konnte, daß er sein Wissen auf spektakuläre Weise in die Kanäle von „WikiLeaks“ einspeisen würde. Eine couragierte Aktion im Dienste der Menschheit!

Edward Snowden vervollständigt das Dreigespann derer, die Washington nicht grundlos als seine Todfeinde betrachtet. Auch der frühere NSA-Mitarbeiter deckte strategisch bedeutsame Karten im Spiel der Aggressoren auf. Obamas Generalstaatsanwalt sprach von „extremem Schaden“. Für wen? Auch hier gibt es Verlierer und Gewinner. Ein Mann, der massive Regierungskriminalität aufklären half, wird zum Kriminellen gestempelt.

„Wie können wir nur  derart durch Informationen darüber, was unsere Geheimdienste erkundet haben, bloßgestellt werden, daß man ganz offiziell davon sprechen muß, unsere nationale Sicherheit sei ernsthaft beschädigt worden“, klagte Nancy Pelosi, die Fraktionsführerin der Demokratischen Partei Obamas im US-Repräsentantenhaus. Und die Abgeordnete Loreta Sanchez bemerkte, man müsse davon ausgehen, daß die durch Snowden preisgegebenen Geheimnisse „nur die Spitze eines Eisbergs“ seien.

So ist „Whistleblower“ (von „to blow the whistle“, in die Pfeife blasen) zu einer Vokabel geworden, die in Windeseile auch den letzten Winkel der Erde erreicht hat und für die Blamage jener steht, deren finstere Pläne „verpfiffen“ worden sind.

RF, gestützt auf „The Guardian“, Sydney, und „Global Research“, Kanada