Über Terroristen, die nicht als solche bezeichnet werden dürfen
Die „Helden“ der KgU
Wenn man die Gerechtigkeitsvorstellungen eines gesellschaftlichen Systems begreifen will, ist es manchmal hilfreich, sich mit jenen zu befassen, welche den heute herrschenden Kräften dienten und deshalb von deren Gegnern verurteilt wurden. Wann ist jemand ein Terrorist und wann nicht? Ist der Versuch, eine Eisenbahnbrücke zu sprengen, ein Terrorakt oder die Tat eines Widerstandskämpfers? Wie immer kommt es auch hier auf den Klassenstandpunkt an.
B. wurde in Düsseldorf geboren. Über seine Jugend ist wenig bekannt. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges nahm er einen desertierten Soldaten der Wehrmacht fest, der keinen sinnlosen Tod mehr sterben wollte. Durch glückliche Umstände kam dieser mit dem Leben davon. B. wurde im November 1949 von der Justiz der gerade gegründeten DDR dafür zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Die Strafe mußte er nur zur Hälfte verbüßen.
Der Mann fand danach bei einem volkseigenen Betrieb in Berlin Arbeit. Schon damals verfolgte er sinistre Pläne. Seine „Nebentätigkeit“ bestand darin, daß er zwischen Juli 1950 und März 1951 Tausende antikommunistische Propagandaschriften wie den „Kleinen Telegraph“ und die „Tarantel“ in die DDR einschleuste. Dann zog ihn die berüchtigte „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ (KgU) als ihren Agenten an Land. In deren Auftrag schmuggelte er Flugblätter in die DDR ein und rekrutierte weitere „Mitarbeiter“. Er wurde einer ihrer Anführer.
Bald beschäftigte sich B. mit Werkspionage und Sabotage. Es gelang ihm, eine Lieferung von 5000 Spiralfedern, die für seinen Betrieb bestimmt waren, in Westberlin beschlagnahmen zu lassen, was die betreffende Produktionsstrecke zunächst einmal lahmlegte.
1951 standen die III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in der DDR bevor. Der Mann der KgU verfolgte die Absicht, sie durch Terrorakte zu stören. Es sollten Anschläge auf HO-Kioske und Festsäulen verübt, Stinkbomben in die Menge geworfen werden. Dafür erhielt B. von seinem Westberliner KgU-Verbindungsmann Serien von Phosphorampullen und Brandsätzen. Das Vorhaben scheiterte am Unvermögen der Akteure.
B., der täglich mit seinen Kollegen im volkseigenen Betrieb zusammenarbeitete und dabei den netten Kumpel mimte, wollte nun dessen Starkstromanschlüsse sabotieren. Außerdem hatte er das Kraftwerk Klingenberg und den Berliner Rundfunk im Visier. Inwieweit diese Pläne über reine Gedankenspiele hinauswuchsen, ist ungeklärt. Es scheint so, als ob B. fieberhaft von einer Überlegung zur anderen sprang. Er war ein vom Haß auf die DDR Getriebener. Inzwischen hatte B. seine Mitstreiter instruiert, daß es gelte, „den Kommunismus zu bekämpfen, wo immer er auftritt“. Verrat sollte mit dem Tode geahndet werden. Darauf leistete man einen „heiligen Schwur“.
Die Gruppe wurde von Westberlin mit allem ausgerüstet, was sie für ihre Tätigkeit benötigte. Sie erhielt Waffen und ein eigenes Laboratorium am Kurfürstendamm, wo man Explosivstoffe und Geheimtinten herstellte. Auch Injektionsnadeln für Betäubungszwecke und Säuren, um Maschinen außer Gefecht zu setzen, waren vorrätig. Geld spielte für die KgU keine Rolle.
B. wollte einen Volkspolizeiposten in Dreilinden überfallen, um dessen Unterlagen in seinen Besitz zu bringen. Das Vorhaben scheiterte jedoch, weil das Fluchtfahrzeug beim ersten Versuch eine Panne hatte und sich beim zweiten mehr Polizisten als vermutet am Ort des Geschehens aufhielten.
Anfang 1952 plante B. die Sprengung der Eisenbahnbrücke bei Erkner, über die täglich der „Blaue Expreß“ von Berlin nach Moskau fuhr. Dabei waren dessen Entgleisung und der mögliche Tod vieler Reisender anvisiert. Der Anschlag war für den 21. Februar vorgesehen. B. erhielt einen Sprengstoffkoffer und die Anweisung, das Zündkabel auf den Schienen zu installieren. Doch der Plan schlug fehl, da man nicht rechtzeitig ein Fluchtfahrzeug hatte beschaffen können. B. war wütend und nahm jetzt Verbindung mit dem amerikanischen Geheimdienst CIC auf. Der stellte ihn allerdings nur für Spionagedienste mit geringer Besoldung an.
Bei der KgU war man fest entschlossen, einen neuen Anlauf zu wagen. In der Nacht zum 1. März 1952 sollte die Eisenbahnbrücke bei Spindlersfeld in die Luft gejagt werden. B. war nun wieder zur Stelle. Er lieferte den Sprengstoffkoffer an die Terroristen ab und wies sie in der Handhabung ein. Am nächsten Morgen begab er sich zum Ort des Geschehens. Doch wieder wurde er enttäuscht. Volkspolizisten verhinderten die Tat. Die Attentäter waren noch vor dem Eintreffen von B. gestellt und verhaftet worden. Er selbst ahnte davon nichts. Doch am 5. März klickten auch bei ihm die Handschellen. Bereits zehn Tage später stand er vor dem Obersten Gericht der DDR. Dieses betrachtete es als erwiesen, daß er schwerste terroristische Anschläge geplant und bandenmäßig organisiert hatte. Am 15. März wurde B. von diesem Gericht, das gegen ihn seine erste Todesstrafe aussprach, verurteilt. Schon am 2. August 1952 wurde er in Dresden hingerichtet.
Auch aus heutiger Sicht kann kein Zweifel daran bestehen, daß B. ein klassischer Terrorist war. Würde derzeit jemand Anschläge auf Eisenbahnzüge planen, läge die Einordnung solcher Taten auf der Hand.
Doch die Geschichte des B., die sich wie ein Kriminalroman anhört, ist noch nicht zu Ende erzählt. 2005 wurde das Urteil des OG der DDR auf Betreiben einer obskuren „Arbeitsgemeinschaft 13. August“ vom Berliner Landgericht für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben. Der Täter wurde rehabilitiert. Darüber hinaus erklärte das Tribunal der Sieger, er habe sich grundlos in Untersuchungshaft befunden.
Natürlich durfte bei all dem auch der unvermeidliche Hubertus Knabe nicht fehlen. Im September 2012 sorgte er dafür, daß ein ehemaliger Mitarbeiter des MfS der DDR deshalb zu einer Geldbuße von 1200 Euro verurteilt wurde, weil er B. auf seiner Internetseite als Banditen und Anführer einer terroristischen Vereinigung bezeichnet hatte.
Aus gutem Grund habe ich mich hier auf reine Faktendarstellung beschränkt. Das Gerichtsurteil und Knabes Kreuzzug für B. verraten mir, wie solche Leute mit Andersdenkenden umspringen würden, wenn sie freie Hand hätten. Wer die Methoden und die Ideologie des B. gutheißt, kann seinem „Stil“ gegenüber nicht allzu sehr abgeneigt sein. Herr Knabe mag derlei Gebaren als Widerstand einordnen – ich nenne es faschistischen Amoklauf.
Ich bin davon überzeugt, daß es auch im bürgerlichen Lager nicht wenige sachlich denkende Menschen gibt, denen das haßerfüllte Treiben professioneller Brunnenvergifter entschieden gegen den Strich geht.
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