Die Klage der Anastasia Obermoser
In den bisher ungetrübten Beziehungen zwischen Wien und Berlin bahnen sich nach neuesten Informationen turbulente diplomatische Verwicklungen an. Ursache dafür ist ein Schreiben, das die renommierten oberösterreichischen Staranwälte Huber, Huber & Söhne an das Bundespresseamt gerichtet haben. Die Kopie liegt uns vor. Wir zitieren:
Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit zeigen wir Ihnen an, daß wir namens unserer Mandantin Anastasia Obermoser, verwitwete Pensionswirtin zu Jochhorn, Über der Alm 5, handeln und auftreten. Der Sachverhalt: In der Pension Obermoser hinterlassen die abreisenden deutschen Urlauber häufig Zeitungen und Zeitschriften, die sie aus ihren Heimatgebieten mitgebracht haben. Früher hat unsere Mandantin das nicht gestört. Seit der sogenannten Wende, die 1989 in Deutschland stattgefunden hat, sieht sich Frau Obermoser jedoch in der deutschen Presse kraß verleumdet. Da das nicht aufhört, sondern im Gegenteil durch die Tätigkeit eines gewissen Pastors Gauck, der z. Z. in Berlin ansässig sein soll, noch zunimmt, mahnen wir in Vollmacht von Frau Obermoser die Aufsichtspflicht Ihres Amtes an. Sollte sie nicht wahrgenommen werden, sähe sich unsere Mandantin gezwungen, Strafanzeige zu erstatten. Als Beweismittel würden wir in diesem Fall Ausschnitte aus deutschen Druckerzeugnissen in das Verfahren einbringen, in denen es u. a. heißt: Stasi spionierte jahrelang in den Leipziger Hotelbetten westdeutscher Messehändler; Ehefrau hörte Ehemann beim Sexualverkehr mit Stasi-Wanzen ab; Stasi wußte alles, was die NATO-Generale wußten.
Dazu stellt Frau Obermoser fest, daß sie 1. nie in Leipzig und in dortigen Hotelbetten war, 2. nach beiliegender Kammerjägerbescheinigung nie Wanzen hatte, 3. in ihrer Pension nie NATO-Generale beherbergt hat, zumal nur Etagenduschen vorhanden sind.
Die zitierten ungeheuerlichen Unterstellungen führt Frau Obermoser darauf zurück, daß in der deutschen Öffentlichkeit die Koseform ihres Vornamens nicht bekannt ist: Stasi, abgeleitet von Anastasia (griechisch, die Auferstandene). Um weitere, für sie unerträgliche Verwechslungen zu vermeiden, erwartet unsere Mandantin, daß der betroffene DDR-Geheimdienst in Zukunft mit seinem korrekten Namen bezeichnet wird. Nach Auskunft jetzt ebenfalls die Gurktaler Alpen besuchender Gäste aus Sachsen sollen Taxifahrer das als MfS abgekürzte Organ gern als Musikfachschule bezeichnet haben. Huber, Huber & Söhne können das von hier aus nicht überprüfen. Wir überlassen es Ihnen, geschätzte Damen und Herren, eine künftig besser geeignete Organbezeichnung unverzüglich durchzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen (Unterschrift).
P. S. Wie wir soeben erfahren, hat Anastasia Obermoser inzwischen Strafanzeige erstattet, weil sie nach neuerlichem Mißbrauch ihres Namens im Kirchspiel Jochhorn kein Mensch mehr grüßt.
Nachricht 1809 von 2043
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