Die prägnanteste Zusammenfassung
des Marxismus … durch Marx
All in a nutshell“ – Alles in einer Nußschale – pflegt man im anglo-amerikanischen Sprachraum zu sagen, wenn es um extrem komprimierte Aussagen geht.
Der bald folgende Auszug aus Marxens „Vorwort zur Kritik der Politischen Ökonomie“ ist die fundamentalste, verständlichste und zugleich kürzeste Zusammenfassung des Marxismus in seiner Einheit von Geschichte, Philosophie und Ökonomie. Jeder, der mit dem abstrakten Begriff „Marxismus“ nichts anzufangen vermag, oder gar völlig falsche Vorstellungen von ihm durch die bürgerliche Ideologie aufgenommen hat, sollte sich diese konzentrierte Darstellung Satz für Satz gründlich durchdenken und aneignen. Leser könnten die Aussagen des Vorworts mit ihren eigenen Geschichtskenntnissen vergleichen, um festzustellen, daß alle bisherige Historie nach den dort skizierten Gesetzmäßigkeiten verlaufen ist. Daher kann es auch keinen Grund für die Annahme geben, daß deren Verlauf nunmehr und fortan nach ganz anderen Kriterien erfolgt und – wie die Apologeten dieses Systems behaupten – der Kapitalismus das letzte Kapitel der Menschheitsgeschichte darstellt.
Der Marxismus ist die einzige in sich geschlossene gesellschaftswissenschaftliche Konzeption, die der Menschheit den Weg in die Zukunft weist. Allein aus diesem Grunde wird er permanent auf den Index gesetzt und unterdrückt. Wer sägt schon gerne den Ast ab, auf dem er sitzt? Die heutigen Nutznießer der Ausbeutergesellschaft müßten ja zugeben, daß ihre Lebens- und Produktionsweise geschichtlich überholt ist und daher grundlegender Veränderungen bedarf, um ein Fortbestehen von Natur und Gesellschaft zu gestatten.
Während heute die Bibel in fast jedem Hotelzimmer ausliegt, Okkultismus und Antikommunismus über TV in alle Wohnzimmer Einzug halten, muß die marxistische Wissenschaft durch mutige Verfechter in Wort und Bild außerhalb dieser alles durchdringenden Medienwelt verbreitet werden.
Doch geben wir Marx zum Antagonismus – dem unüberbrückbaren Gegensatz der Klassengesellschaft – selbst das Wort:
„In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt. Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um. In der Betrachtung solcher Umwälzungen muß man stets unterscheiden zwischen der materiellen, naturwissenschaftlich treu zu konstatierenden Umwälzung in den ökonomischen Produktionsbedingungen und den juristischen, politischen, religiösen, künstlerischen oder philosophischen, kurz, ideologischen Formen, worin sich die Menschen dieses Konflikts bewußt werden und ihn ausfechten. Sowenig man das, was ein Individuum ist, nach dem beurteilt, was es sich selbst dünkt, ebensowenig kann man eine solche Umwälzungsepoche aus ihrem Bewußtsein beurteilen, sondern muß vielmehr dies Bewußtsein aus den Widersprüchen des materiellen Lebens, aus dem vorhandenen Konflikt zwischen gesellschaftlichen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen erklären. Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind. Daher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet wird sich stets finden, daß die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens im Prozeß ihres Werdens begriffen sind. (…) Die bürgerlichen Produktionsverhältnisse sind die letzte antagonistische Form des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, antagonistisch nicht im Sinn von individuellem Antagonismus, sondern eines aus den gesellschaftlichen Lebensbedingungen der Individuen hervorwachsenden Antagonismus, aber die im Schoß der bürgerlichen Gesellschaft sich entwickelnden Produktivkräfte schaffen zugleich die materiellen Bedingungen zur Lösung dieses Antagonismus. Mit dieser Gesellschaftsformation schließt daher die Vorgeschichte der menschlichen Gesellschaft ab.“ (MEW, Bd. 13, S. 8 f.)
Freilich ist damit noch nicht gesagt, wie die Umwälzung vonstatten geht, aber daß sie kommen muß, ist bewiesen.
Ausgewählt und kommentiert von Dr. Werner Kulitzscher, Berlin
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