RotFuchs 196 – Mai 2014

Zu den eigentlichen Hintergründen
der Haßkampagne gegen Putin

Die Rechnung ohne den Wirt gemacht

RotFuchs-Redaktion

Die Rechnung der von Faschisten befehligten Kiewer Sturmabteilungen sowie ihrer Regisseure aus NATO und EU ist nur zum Teil aufgegangen. Zwar führte der rechtsradikale Umsturz im Westen der Ukraine und der dort gelegenen Landeshauptstadt Kiew zur Ersetzung einer immerhin aus Wahlen hervorgegangenen Exekutive durch eine nicht per Urnengang bestimmte provisorische Regierung mit offenen Nazi-Anbetern und Antisemiten. De facto kontrollieren jetzt die faschistische Swoboda-Partei und der Rechte Block die Schlüsselbereiche Armee, Polizei und Sicherheitsorgane. Doch das strategische Konzept des Westens, auch aus Moskau einen rechtsradikalen Tummelplatz nach der Art des Maidan und die Krim zum am weitesten vorgeschobenen antirussischen Stützpunkt der NATO-Seestreitkräfte zu machen, war auf Sand gebaut. Angesichts der konsequenten und prinzipienfesten Haltung des von den nationalen Interessen Rußlands ausgehenden – bislang oft unterschätzten – Moskauer Staatsmannes Wladimir Putin verfehlte die Kanonade ihr Ziel. Das europäisch-asiatische Riesenland erwies sich in der bisher schwersten Belastungsprobe seit 1991 als wiedererstandene Weltmacht. Daher der ganze Haß. Die Krim wurde dem Imperialismus durch die politische Kühnheit und Standhaftigkeit ihrer eigenen Bevölkerung, denen die russischen Brüder zu Hilfe kamen, entrissen. Die Erwartungen der an den Umgang mit Marionetten gewöhnten imperialistischen Spitzenpolitiker in Washington, Berlin, Paris und London, auch diesmal Widerstände niederzuwalzen und mühelos an ihr Ziel zu gelangen, erfüllten sich nur zum Teil.

Doch wenden wir uns noch einmal der Situation in der Ukraine zu, um das dortige Geschehen besser einordnen zu können. Seit dem 1991 erfolgten Auseinanderbrechen der Sowjetunion durch Verrat, Kapitulation und Führungsschwäche ist die Bevölkerungszahl der Ukraine – sie stand nach der RSFSR in dieser Hinsicht unionsweit an zweiter Stelle – von 51,4 Millionen auf 45 Millionen zurückgegangen. Die Gründe dafür liegen im Absinken der Geburtenrate und im Anstieg der Mortalität – einer Folge des weitgehenden Zusammenbruchs entscheidender Teile des ukrainischen Gesundheitswesens. Das Schrumpfen der Einwohnerschaft hängt aber auch mit der enormen Emigrationswelle zusammen. Derzeit leben 6,6 Millionen Ukrainer im Ausland. Während viele der im Osten der Republik Beheimateten ihren Lebensunterhalt in der Russischen Föderation verdienen, wo deutlich höhere Löhne gezahlt werden, sind Millionen Westukrainer in andere europäische Staaten als Arbeitsuchende ausgewandert, um krasser Armut zu entfliehen.

Die offizielle Arbeitslosenziffer liegt im Kiewer Machtbereich bei acht Prozent. Nach Regierungsangaben beträgt der Anteil als arm Geltender ein Viertel der Landesbevölkerung, andere Quellen verweisen auf knapp 80 %. Unter Bedingungen extremster Mittellosigkeit vegetieren nach amtlichen Angaben nur 2 bis 3 % der Ukrainer – glaubwürdige Informationen gehen indes von 16 % aus. Die ländlichen Regionen in der Westukraine gelten als Elendszone. Ist es da ein Wunder, daß die Mehrheit der Menschen dort verzweifelte Hoffnungen mit einem Beitritt zur EU verbindet, von der man sich einen durch die Medien ständig in Aussicht gestellten Wandel zum Besseren verspricht? Vor allem junge Leute träumen vom westeuropäischen Schlaraffenland.

Für die multinationalen Konzerne und Banken ist die Ukraine eine begehrte Beute. So läuft der Aufkauf riesiger Flächen einstigen Kolchosen- und Sowchosen-Landes auf Hochtouren. Die britische Landcom-Gruppe erwarb z. B. auf einen Schlag 100 000 Hektar, während ein russischer Hedgefonds gleich das Dreifache dessen an sich riß.

Zu sowjetischen Zeiten prägten den mehrheitlich russischsprachigen Osten der Bergbau und eine entwickelte Industrie. Die dortige Arbeiterbevölkerung kann auf alte revolutionäre Traditionen zurückblicken. Nicht zufällig zählte die Ukraine – der Name entstand übrigens erst nach der Oktoberrevolution – 1922 zu den Mitbegründern der UdSSR. Der lange Zeit durch Polen annektierte Landeswesten wurde von der Sowjetunion erst 1939 und 1945 „zurückgewonnen“.

1954 verschenkte Nikita Chru-schtschow, vormals 1. Sekretär des ZK der KP der Ukraine, die seit dem 18. Jahrhundert Rußlands Flotte beherbergende Krim im Alleingang an Kiew. Übrigens spielen bei der faktischen Teilung des Landes auch unterschiedliche Religionen eine Rolle. Während im Osten die russisch-orthodoxe Kirche den Ton angibt, dominiert im Westen der griechisch-orthodoxe Klerus.

Wie man sieht, ist die Ukraine, die einst zu Zeiten der „Kiewer Rus“ als Wiege Rußlands galt, heute politisch und kulturell gespalten. Das öffnet einerseits imperialistischer Einmischung die Tore, während es sie dieser andererseits auch wieder zu verschließen vermag, wie das grandiose Ergebnis der demokratischen Volksbefragung auf der Krim unter Beweis gestellt hat.

Der Kampf um die Ukraine ist – aus Moskauer Sicht – eine strategische Schlacht ersten Ranges, nachdem bereits Estland, Lettland, Litauen, Georgien, Rumänien, Polen und Aserbaidschan der NATO für antirussische Operationen zur Verfügung stehen.

Zur Einkreisung Rußlands gehört übrigens auch der sogenannte Antiraketenschirm der USA mit seinen Basen in Osteuropa. Dabei handelt es sich keineswegs um Verteidigungs-, sondern um Angriffswaffen des Pentagons.

Nicht zuletzt sollte man in Betracht ziehen, daß Rußlands antifaschistische Abwehrschlacht unmittelbar an die Erfahrungen des Großen Vaterländischen Krieges der UdSSR anknüpft. In seiner beeindruckenden Kreml-Rede erklärte Wladimir Putin: „Die Krim war immer russisch, ukrainisch und krimtatarisch – aber sie wird niemals den Bandera-Leuten gehören.“ Diesem Nazikollaborateur wurden im Westen der Ukraine etliche Denkmäler errichtet, während man dort die Lenin-Monumente gestürzt hat.

RF, gestützt auf die tägliche Internetausgabe der Monatsschrift „Solidaire“, Brüssel, und „The Guardian“, Sydney