Friedrich Karl Kaul schöpfte aus seiner bewegten Biographie
Ein Anwalt als Literat
Den meisten, die ihn kannten, ist Friedrich Karl Kaul vor allem als Strafverteidiger durch seinen engagierten Einsatz für von der Adenauer-Justiz verfolgte Antifaschisten unvergeßlich geworden. Auch sein Wirken im KPD-Verbotsprozeß, der 1954 bis 1956 vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe stattfand und als Vertreter der Nebenklage im Auschwitz-Prozeß, sowie seine zahllosen Ratgebersendungen im Rundfunk und im Fernsehen der DDR haben sich vielen eingeprägt. Doch auch sein literarisches Schaffen brachte ihm kaum weniger Popularität ein. Der nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges aus der Emigration Zurückgekehrte nahm seinen Wohn- und Arbeitssitz im Osten Deutschlands, wo wenig später die DDR gegründet wurde. Von Beginn an setzte er sich für eine konsequent antifaschistische und später sozialistische Entwicklung ein, wobei sein Denken vor allem auch durch eigene Erlebnisse als Häftling der Nazikonzentrationslager Lichtenburg und Dachau geprägt war.
Bereits im US-Exil hatte er damit begonnen, erste literarische Texte zu verfassen. Dabei handelte es sich zunächst um Romane, die FKK – wie er später allgemein genannt wurde – aufgrund von selbst Erfahrenem schrieb oder denen er historische Kriminalfälle zugrundelegte. Bereits 1953 erschienen seine Arbeiten „Der Ring“ und „Mord im Grunewald“. Der zweite Titel befaßte sich mit dem Tötungsverbrechen an Walter Rathenau, einem Außenminister der Weimarer Republik, der sich vor allem durch den 1922 mit der Sowjetunion abgeschlossenen Rapallovertrag profiliert hatte. 1955 folgte „Der Weg ins Nichts“. Er spielt in der Zeit nach der Inflation von 1923. Im Mittelpunkt der Handlung steht ein aufgrund falscher Aussagen wegen angeblichen Verrats an eine fremde Macht zu langjähriger Zuchthausstrafe verurteilter Unschuldiger.
In den 1956 und 1959 erschienenen Romanen „Die Doppelschlinge“ und „Es wird Zeit, daß Du nach Hause kommst“ verarbeitete FKK eigene Erlebnisse seiner Emigrationszeit in Lateinamerika. In „Der blaue Aktendeckel“ (1958) schildert er einen authentischen Fall, der sich in der BRD der frühen 50er Jahre ereignete. Einem versierten Anwalt gelingt es, der Gerechtigkeit trotz widriger Umstände zum Durchbruch zu verhelfen. Parallel dazu erschien ab 1954 die dreibändige Reihe zu merkwürdigen Kriminalfällen in der Zeit der Weimarer Republik, mit welcher der Autor das Genre des einst von Friedrich Schiller begründeten Pitavals neu belebte. Kaul verdeutlichte, wie die Justiz aufgrund der gesellschaftlichen Verhältnisse selbst zum Verbrechen wird.
Erste anwaltliche „Erlebnisse und Erfahrungen mit westdeutschen und Westberliner Gerichten“ verarbeitete er in den beiden Bänden „Ankläger auf der Anklagebank“ (1952/53) und „Ich fordere Freispruch“ (1955).
Die aus der Feder von FKK stammenden Romane erfuhren mehrere Auflagen und erfreuten sich bei der Leserschaft großer Beliebtheit. In den 60er Jahren setzte er dann die Pitaval-Reihe mit Fällen aus der Kaiserzeit „So wahr mir Gott helfe“ und einem Berliner Pitaval „Von der Stadtvogtei bis Moabit“ fort. In dieser Phase kamen auch stärker wissenschaftlich geprägte Arbeiten hinzu, darunter „Der Fall des Herschel Grynszpan“ (1965), „Ärzte in Auschwitz“ (1968), „Geschichte des Reichsgerichts 1933–1945“ (erschienen 1971) und „Nazimordaktion T 4“ (1973).
In den Jahren 1972, 1978 und 1981 vervollständigten „In Robe und Krawatte“, „Der Verteidiger hat das Wort“ und „Menschen vor Gericht“ die Reihe geschilderter Fälle aus eigener anwaltlicher Praxis. Etliche der hinter die Kulissen der bürgerlichen Klassenjustiz leuchtenden Enthüllungen Kauls wurden vom Fernsehen der DDR verfilmt (so entstanden von 1958–1978 an die 50 Pitaval-Sendungen).
Kurz vor seinem Tod im April 1981 erschien noch die Publikation „… ist zu exekutieren!“. Sie befaßte sich vor allem mit dem KPD-Verbot und der vorgespiegelten Verfolgung der Mörder Ernst Thälmanns, die sich jedoch weit eher als eine Verschleppung des Verfahrens herausstellte. Ich empfand es als ehrenvoll, dieses Buch 2006 unter Fortschreibung weiterer Entwicklungen neu herausbringen zu können.
Es lohnt sich allemal, in das umfangreiche schriftstellerische Werk Friedrich Karl Kauls wieder einmal hineinzuschauen oder erstmals von ihm Besitz zu ergreifen. Leider sind seine Titel fast nur noch antiquarisch erhältlich.
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