Tokios Rechtsregierung Abe bricht
mit dem Prinzip der Nachkriegsneutralität
Ein gefährlicher Kurswechsel
In Tokio und der im April 1945 durch die zweite US-Atombombe eingeäscherten japanischen Stadt Nagasaki sowie in weiteren Zentren des ostasiatischen Inselstaates sind im Spätsommer und Herbst Hunderttausende aus Protest auf die Straße gegangen. Unter den Demonstranten befanden sich Berichten zufolge auch zahlreiche Mitglieder und Anhänger der KP Japans, auf die bei den jüngsten Unterhauswahlen sechs Millionen Stimmen entfallen waren.
Hunderttausende protestierten am 30. August vor dem Parlamentsgebäude in Tokio gegen Premier Abes definitive Aufkündigung des japanischen Neutralitätsstatus.
Das Tokioter Kabinett unter dem rechtsliberalen Premier Shinzo Abe hat das in Nippons Nachkriegsverfassung verankerte „Prinzip ewigwährender Neutralität“ schon vor Monaten aufgekündigt. In einer Ansprache zum 70. Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation Japans suchte Abe einen vorgetäuschten Hauch von Pazifismus mit der unmißverständlichen Rückkehr zu einst vom fernöstlichen Kaiserstaat bezogenen Positionen – freilich unter neuen Vorzeichen und in anderen Bündnissen – zu verbinden.
Die Gründe für eine gewisse Friedensheuchelei liegen auf der Hand: Nippons 1945 beschlossene Verfassung verbietet jede direkte oder indirekte Teilnahme an wo auch immer stattfindenden Kriegen und untersagt zugleich eigene Aggressionspläne.
Mit der Atombombe „Little Boy“
wurde 1945 Hiroshima ausgelöscht.
Abes „Gedenkrede“ wurde monatelang durch ein vom Kabinett handverlesenes Komitee aus regierungsnahen Wissenschaftlern, hohen Beamten und politischen Beratern Satz für Satz abgewogen und danach vom Premierminister bestätigt, bevor man den Text in Japanisch, Englisch und Chinesisch freigab. Aus taktischen Gründen bediente sich Abe dabei einiger Zitate seiner Amtsvorgänger Tomiichi Murayama und Junichiro Koizumi. Die beiden früheren Regierungschefs hatten ihrerseits Wert darauf gelegt, Nippons Neutralität zu unterstreichen und seine Kriegsschuld teilweise einzugestehen. So sprach Murayama am 50. Jahrestag der Kapitulation Tokios von „Gefühlen tiefen Bedauerns“ über die japanischen Kriegsverbrechen und brachte zugleich eine „von Herzen kommende Entschuldigung“ für Nippons Kolonialherrschaft zum Ausdruck.
Seit Abes 2012 erfolgtem Amtsantritt ist Tokios Militäretat deutlich aufgestockt worden. Japans Haltung gegenüber der VR China verschärfte sich besonders im Zusammenhang mit dem Konflikt durch Ansprüche beider Staaten auf einige Inseln im Ostchinesischen Meer. Der sogenannte Inselstreit stellt ein Kernstück der mit Washington abgestimmten neuen asiatisch-pazifischen Strategie der Vereinigten Staaten dar.
Doch zurück zu Abes „Gedenkrede“. Diese war mit Doppelzüngigkeiten aller Art und direkten Lügen gespickt. In der Absicht, Japans gültige Verfassung zu unterlaufen, forderte der Premier z. B. einen Freifahrtschein für „kollektive Selbstverteidigung“. Wohin Abe in Wirklichkeit zurück will, verdeutlichte er durch wiederholtes Aufsuchen des notorischen Yasukuni-Schreins – der Beisetzungsstätte einiger besonders berüchtigter Kriegsverbrecher aus kaiserlich-faschistischen Zeiten.
Abes Rechtfertigung zusätzlicher „Verteidigungsanstrengungen“ widerspricht eindeutig Artikel 9 der gültigen Nachkriegsverfassung, der Japan die Unterhaltung eigener Land-, Luft- und Seestreitkräfte für immer untersagt.
Doch nicht nur bei der Bewertung des verbrecherischen japanischen Überfalls auf China stellte Abe die historische Wahrheit auf den Kopf. Er behauptete, in den 30er und 40er Jahren habe die Armee Kaiser Hirohitos „einen Krieg zur Befreiung Asiens von den westlichen Mächten geführt“. Auch andere Kapitel der Historie wurden ähnlich verfälscht. So habe z. B. der japanisch-russische Krieg am Beginn des 20. Jahrhunderts „viele unter der Kolonialherrschaft leidende Völker – von Asien bis Afrika – ermutigt“. Die 1931 mit der Besetzung der Mandschurei eröffnete Aggression Japans gegen China und die 1937 auf ganz China zielende Invasion werden von Abe lediglich als „Fehler und Produkt von außer Kontrolle geratenen Kräften“ vermerkt. In seiner Rede spielte auch die Tatsache keine Rolle, daß Japan damals mit Hitlerdeutschland und Mussolinis Italien in der faschistischen Achse Berlin-Rom-Tokio einen äußerst aktiven Part gespielt hat.
Wenn auch auf eine Wiederbelebung des kaiserlich-militaristischen Tarnbegriffs einer „Ostasiatischen großen gemeinsamen Prosperität“, mit der Japan einst seine Überfälle auf eine Vielzahl von Staaten zu bemänteln suchte, diesmal verzichtet wurde, durchtränkte Abe seine gesamte Rede mit der Behauptung, Japan habe eine „kontinentale Befreierrolle“ gespielt.
Aufschlußreich ist im Zusammenhang mit dem hier Dargestellten zweifellos die Tatsache, daß sich den Teilnehmern des eindrucksvollen Meetings aus Anlaß des 70. Jahrestages der Auslöschung Nagasakis auch der Präsident des Stadtparlaments Tumihisa Tane anschloß. Nur eine Woche nach dem Aufmarsch Hunderttausender Menschen in Tokio, die gegen Abes geschichtsklitternde „Gedenkrede“ vor dem Gebäude des japanischen Unterhauses protestiert hatten, forderte man in der leidgeprüften Stadt Nagasaki ebenfalls Nippons immerwährende Neutralität ein.
Kurz nach Abes ebenso raffinierter wie aggressiver Rede, auf die schon bald die gesetzgeberische Bestätigung seiner Forderungen durch das Unterhaus folgte, teilte das Washingtoner Amt für Zusammenarbeit in Sicherheits- und Verteidigungsfragen kommentarlos mit, es habe gerade die Freigabe für Tokio bestimmten Kriegsmaterials im Wert von 1,5 Mrd. Dollar bewilligt. Japans „Selbstverteidigungsbehörde“ wolle dafür zwei Schiffe vom Typ AEGIS DDG erwerben. Die Lieferung der mit ballistischen Raketen ausgerüsteten Einheiten vervollständige nur das Nippon angeblich zugestandene Potential von acht Kriegsschiffen dieses Typs. Dadurch erhöhe sich – so Washington – Japans „Operationalität im Zusammenwirken mit der U.S. Navy“ erheblich.
RF, gestützt auf „Global Research“, Kanada, und „Avante!“, Lissabon
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