Zur Verabschiedung des österreichischen Bundespräsidenten
Ein Leben als Komplize
Wer war dieser Heinz Fischer, der am 8. Juli 2016 nach zwölfjähriger Amtszeit als Bundespräsident Österreichs feierlich verabschiedet wurde? Sicher nicht nur die immer lächelnde Figur einer Staatsoperette! Nein, er war zeitlebens vor allem Komplize, wobei er es gut verstanden hat, seinem Image den Anstrich von bürgerlicher Wohlanständigkeit und gelebter Humanität zu geben, glaubwürdig, wenngleich völlig unecht.
Der 1938 geborene Fischer hat eine juristische Ausbildung in Wien 1961 mit dem Doktorat abgeschlossen. Der Juristenberuf ist, was seine Ausübung durch Fischer illustriert, nicht neutral, er ist widersprüchlich mit der Haupttendenz, die Paragraphen im Geiste des herrschenden Systems anzuwenden. Fischer wird durch gute Kontakte sogleich hauptamtlicher Parteifunktionär der Sozialistischen (seit 1991 Sozialdemokratischen) Partei Österreichs. Er wird Klubsekretär der Sozialistischen Parlamentsfraktion und 1971 in den Nationalrat gewählt, dem er, abgesehen von seiner Funktion als Wissenschaftsminister (1983–1987) bis 2004, in den Jahren 1990 bis 2002 als dessen Präsident, angehört hat. Seitdem war er, 2010 wiedergewählt, bis 8. Juli 2016 Bundespräsident.
Die politische Hauptlinie von Fischer ist zeitlebens der Krieg und Elend in Kauf nehmende US-amerikanische Antikommunismus. Jeder kreative Gedanke, über das System der bürgerlichen Demokratie mit ihren tödlichen Geschäfts- und Machtverhältnissen hinauszugehen, ging dem österreichischen Sozialdemokraten Fischer ab. Als 1956 in Ungarn Mitglieder der Kommunistischen Partei gelyncht wurden und sich in Budapest die vom Ausland unterstützten faschistischen Banden sammelten, verteilte der Student Fischer antikommunistische Flugblätter. „Ich glaube“, so Fischer, „daß meine innere Überzeugung hinsichtlich der Notwendigkeit von Pluralismus, Demokratie und Menschenrechte durch nichts so gestärkt und gefestigt wurde wie durch die Auseinandersetzung mit den Deformationen und Verbrechen des Kommunismus – wenn ich von den Monstrositäten des Nationalsozialismus absehe.“ Er, so Fischer, weigere sich zu akzeptieren, daß der Kommunismus links von der Sozialdemokratie stehe, „weil ,links‘ für mich unter anderem ein Synonym für ,systemkritisch‘, ,gesellschaftsverändernd‘, ,menschenrechtsorientiert‘, ,freiheitsliebend‘ und ,human‘ ist – Werte, die von den Kommunisten ausnahmslos mit Füßen getreten wurden“. Wie aber schaut der Einsatz von Fischer zur Verwirklichung dieser schönen Losungen, mit denen nicht nur sein Genosse Tony Blair Kriege begonnen hat, abseits von Eröffnungsreden konkret aus?
Im Frühjahr 1964 wird Fischer für das „Young Foreign Leaders Program“ der USA rekrutiert. Im Sommer 1967 war er wieder in den USA, lernte beim damaligen Harvardprofessor und von Ehrgeiz getriebenen Sicherheitsberater Henry Kissinger internationale Politik und wurde mit US-Politikern bekannt, „mit denen er lebenslang politische und teilweise auch private Kontakte pflegen wird“. Der politische Aufstieg von Fischer beginnt mit seinen US-Aufenthalten und US-„Freundschaften“. In seiner 2009 publizierten und autorisierten Biographie ist es ihm deshalb keine Zeile wert, daß diese seine Freunde mit Kissinger an der Spitze für den Völkermord in Vietnam verantwortlich waren. Mehr als drei Millionen Vietnamesen sind durch den US-Imperialismus unmittelbar zu Tode gekommen, und heute noch werden viele Kinder wegen der Spätfolgen mit Mißbildungen oder Krebs geboren. In sein Bilderbuch hat Fischer auch ein Foto seines Staatsbesuchs in Vietnam (2012) aufgenommen, das seinen vietnamesischen Amtskollegen und ihn vor einer Büste von Ho Chi Minh zeigt. Das ist wahrlich schamlos, kein Wort des Bedauerns von Fischer über die von ihm mit vertretene US-Barbarei! Der dritte Generalsekretär der UNO, U Thant, hat während der Präparierung von Fischer für den US-Imperialismus in den USA am 30. Juli 1967 erklärt: „Dieser Krieg kann so lange nicht beendet werden, solange die Vereinigten Staaten und ihre Alliierten nicht erkennen, daß der Kampf der Vietnamesen nicht einen kommunistischen Angriffskrieg, sondern einen nationalen Befreiungskrieg darstellt.“ In Vietnam von US-Soldaten mit Napalm in Brand gesetzte Kinder oder von ihnen gefolterte Vietcong waren für Fischer notwendige Opfer der Freiheitsliebe und Menschenrechte im Kampf gegen den Weltkommunismus …
Fischer ist durch das internationale Ansehen, das Bruno Kreisky zu Recht hatte, und aufgrund seiner Parteifunktionen auch Weltrevolutionären begegnet, die für die Freiheit und den Frieden der Völker und insgesamt für den Fortschritt der Menschheit gekämpft haben. In seinem Bilderbuch renommiert Fischer mit gemeinsamen Abbildungen neben Nelson Mandela und Fidel Castro. Ist er beiden tatsächlich begegnet? So wie man reisen kann, ohne sich je fortzubewegen, so können „Begegnungen“ ohne Begegnung, seien sie persönlich oder literarisch, stattfinden. In den Erinnerungsbüchern von Mandela („Der lange Weg zur Freiheit“) und Fidel Castro („Mein Leben“) wird Fischer nicht einmal beiläufig erwähnt. Im übrigen auch nicht in der Autobiographie des österreichischen Präsidentschaftskandidaten und Friedenskämpfers Robert Jungk („Zukunft zwischen Angst und Hoffnung“). Welchen Eindruck hätte der korrumpierte Komplize von Kissinger auch hinterlassen können?
Als Befreiungskämpfer und Häftling hat Mandela gelernt: „Ich besorgte mir die vollständigen Werke von Marx und Engels, Lenin, Stalin, Fidel Castro, Ho Chi Minh und Mao Tse-tung und vertiefte mich in die Philosophie des dialektischen und historischen Materialismus. Doch hatte ich nur wenig Zeit, diese Werke gründlich zu studieren. Während das ,Kommunistische Manifest‘ mich anregte, erschöpfte mich ,Das Kapital‘. Die Idee einer klassenlosen Gesellschaft hatte auf mich eine starke Anziehungskraft […] Der Gedanke, daß die Geschichte durch Kampf fortschreitet und Wandel sich in revolutionären Sprüngen vollzieht, war gleichfalls anziehend. Die Lektüre marxistischer Werke vermittelte mir viele Informationen über jene Art von Problemen, denen sich ein praktischer Politiker gegenübersieht. Marxisten hatten schon lange nationale Befreiungsbewegungen unterstützt, und die Sowjetunion im besonderen die nationalen Kämpfe vieler Kolonialvölker […].“
Fischer ist ein zur höchsten Staatswürde gelangter Vertreter des Apparats der Sozialdemokratie in ihrem Übergang von einer reformistischen Bewegung zur verfaulenden Stagnation, in der sie in der Gegenwart angekommen ist. Keine moderne Partei kann ohne einen Apparat auskommen. Es ist unvermeidbar, daß die angestellten, in eine strikte hierarchische Ordnung eingegliederten Funktionäre den politischen Weg der Partei wesentlich bestimmen. Der Parteiapparat ist stabil, seine Finanzgebarung kann er unabhängig von den Beiträgen der Parteimitglieder gestalten, auch deshalb ist er auf innerparteiliche demokratische Mitbestimmung nicht wirklich angewiesen. Fischer war seit den 60er Jahren in der Führungsetage der SPÖ, er ist mitverantwortlich dafür, daß diese im Sumpf der Gegenwart angekommen ist. Fischer hat das österreichische Volk wiederholt getäuscht. Schon der EU-Beitritt hat entgegen aller Beteuerungen die Neutralität Österreichs verletzt, und jetzt steht der Beitritt zur NATO nicht einmal mehr zur Diskussion. In den letzten Wochen seiner Amtszeit hat Fischer demonstrativ deutsche, in Österreich für ihre Kriegseinsätze bis hin zum Hindukusch übende Truppen besucht. An wen denkt Karl Kraus, wenn er von „Berufspolitikern und ähnlichen Parasiten am Geiste und am Blute“ spricht? Es müssen die Fischers gewesen sein …
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