Lügen muß man widersprechen,
wo auch immer sie verbreitet werden
Ein „Stasi-Jäger“ als Interview-Star
Als Roland Jahn, dem dritten Großinquisitor in Sachen „Stasi“ nach Joachim Gauck und Marianne Birthler, in der „Sozialistischen Tageszeitung“ ND zwei Interviewseiten gewährt wurden, nahm man an, daß der Abdruck eine heftige Kontroverse auslösen würde. Doch es tat sich wenig, auch in den Medien.
Roland Jahn hatte sich für die Zeit des Gesprächs mit Tom Strohschneider und Gabriele Oertel einen Schafspelz angezogen. Dabei ist dem einstigen DDR-„Dissidenten“ eine äußerst makabre Mission übertragen worden: 40 Jahre Sozialismus auf deutschem Boden sollen als Ausgeburt einer finsteren Diktatur verfremdet werden.
Das schloß nicht aus, daß Jahn auf die Bemerkung eines Interviewers „Da war doch auch Gutes“ spontan heraussprudelte: „Na klar, die Menschen, mit denen wir dort gelebt haben. Ich hatte viel Spaß, gerade in Jena – wir zogen mit Hunderten von Jugendlichen über die Berge; wir lebten ein schönes Leben.“ Erstaunlich! Auch Joachim Gauck und Marianne Birthler haben von ihrer Jugend in der DDR geschwärmt. Jahn ging sogar noch einen Schritt weiter: „Ich verstehe Menschen, die die DDR nicht nur auf Repressionen und Staatssicherheit reduzieren wollen, sondern die sagen: Wir haben einen Alltag erlebt, der sah anders aus.“
Wem aber hilft solcherlei inoffizielles „Verständnis“, wenn die notorische Gauck-Birthler-Jahn-Behörde offiziell und ohne Unterlaß den Alltag der DDR als „totalitäre Hölle“ vorzuführen bemüht ist?
Die erste Interviewfrage galt den Empfindungen Jahns im Herbst 1989. Mit den Worten „Mir schien es schon 1987 so, daß es bald wieder möglich sein werde, sich mit Freunden auf dem Alexanderplatz in Berlin zu treffen“, leitete er die Antwort ein. Dazu kann man nur sagen: Die Weltzeituhr auf dem Alex war zwischen 1961 und 1989 für DDR-Bürger und deren Gäste der beliebteste Treffpunkt in Berlin.
Aber Jahn arbeitete ja 1989 nicht in Ostberlin, sondern beim Fernsehmagazin „Kontraste“ des SFB. „Freunde von mir haben in der DDR mit Videokameras die Demonstrationen gefilmt, vor allem die in Leipzig am 9. Oktober. Die Aufnahmen wurden über die Grenze geschmuggelt, und als ich dann diese Bilder für die Sendung bearbeitet habe, flossen die Tränen.“
Abgesehen von Tränen heizte Jahn über BRD-Medien die „spontanen“ Demonstrationen in Leipzig, die „unter dem Dach der Kirche“ organisiert und von Kirchtürmen aus gefilmt wurden, mit Parolen und „Stimmungsberichten“ kräftig an.
Unter veränderten Bedingungen wiederholte sich das, was Egon Bahr als damaliger Chefredakteur des RIAS über dessen Rolle am 17. Juni 1953 gesagt hat: „Ohne uns hätte der 17. Juni so nicht stattgefunden.“
Jahn dankte 2014 den Demonstranten, die 1989 friedlich geblieben waren, und fügte hinzu: „Man sollte auch denen dankbar sein, die Waffen in der Hand hatten und sie nicht benutzt haben.“ Wer aber ist „man“? Wie hat denn die neue Obrigkeit Egon Krenz dafür gedankt, daß er, wie auch sein Gerichtsurteil bestätigt, den Waffeneinsatz nachdrücklich verboten hatte? War das Moabiter Tribunal etwa eine Tribüne des Dankes?
Jahn tadelte, daß es bei der „Aufarbeitung der Geschichte“ eine „Fixierung auf die Staatssicherheit gegeben“ habe. Dadurch seien „Menschen in die Ecke gestellt worden“.
„In die Ecke gestellt“? Hat Jahn die haßerfüllten Reden Kohls, Waigels, Kinkels und Gaucks nicht im Gedächtnis? Und: Wer hat in Dresden Generalmajor Horst Böhm und andere in den Tod gehetzt?
2014 liest man bei Jahn: „Der Blick auf die DDR-Geschichte sollte vielfältig sein. Jeder hat seine eigenen Erfahrungen gehabt, und jeder hat das Recht, auch diese Erfahrungen zu schildern und seine Sicht auf die Dinge zu erzählen … Ich bin gegen offizielle Bilder. Es gibt keine staatliche Geschichtspolitik.“
Das klingt wie ein Versuch, die Hände nachträglich in Unschuld zu waschen. Hat Jahn den ersten Satz etwa aus den „Gefängnisnotizen“ von Egon Krenz abgeschrieben? Der machte nach vier Jahren Haft den Vorschlag: „Vielleicht versuchen wir es mal mit der Wahrheit? Wir reden die Bundesrepublik nicht mehr schöner als sie ist, und wir machen die DDR nicht schlechter, als sie tatsächlich war.“
Die Behauptung Jahns, es gäbe in der BRD kein „verordnetes“ Geschichtsbild, ist eine Unwahrheit. Oder wurde das Gedenkstättengesetz vom Bundestag klammheimlich aufgehoben? Wurden das Hannah-Arendt-Institut und ähnlich dubiose Einrichtungen plötzlich aufgelöst?
Geradezu genial ist, wie Jahn den Unterschied von Abhörpraktiken in der DDR und in der BRD interpretiert: „In der Demokratie wird geprüft, wieviel Freiheit eingeschränkt werden darf, um die Freiheit zu schützen.“ Wessen und welche Freiheit? Wer prüft? Auch Jahns Behörde?
Bleibt noch jene Stelle in den Antworten des Interviewten, aus der das ND seine Schlagzeile machte: „Es war auch eine Befreiung derer, die das System getragen haben.“
Wovon sind die denn „befreit“ worden? Von ihrer Arbeit für den ersten deutschen Friedensstaat? Bei wem löste das Freude aus?
Könnte es sein, daß Jahn hier Richard von Weizsäcker kopieren wollte? Dieser bemerkenswerte Bundespräsident verkündete vor fast zwanzig Jahren: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“
Will Jahn so Gleichheitszeichen zwischen der Befreiung Deutschlands vom Faschismus 1945 und der 1989 erfolgten „Befreiung“ der DDR-Bürger vom Frieden und vom Volkseigentum setzen? Der Streit um die Wahrheit verlangt, Lügen und deren Kolporteuren zu widersprechen. Und zwar unabhängig davon, wer immer sie zu drucken bereit ist.
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