Ein Teufelchen, das in der Ecke lauert
Die Prosperität ist jene Etappe im Krisenzyklus des Kapitals, welche den Kapitalisten besonders hohe Profite beschert. Es ist eine Etappe des steigenden Umsatzes, der relativ stabilen Preise, des billigen Geldes und günstiger Kredite bei verhältnismäßig geringer Arbeitslosigkeit und wachsendem Konsum. Kurzum, eine scheinbare Wohlfühlzeit für alle Schichten der Gesellschaft.
Allerdings gibt es da ein kleines Teufelchen, das versteckt in der Ecke lauert. Und das ist ausgerechnet der Markt, dem man es am wenigsten zugetraut hätte. Er ist der große Regulierer der Produktion, der allumfassende Wahrsager, Bedürnisbefriediger, ja der Messias der kapitalistischen Gesellschaft.
Wieso ist er das? Es ist nicht seine Schuld. Nein, er ist nach wie vor das exakte Barometer der Bedürfnisse und des Verbrauchs. Andere Bedingungen der kapitalistischen Produktion sind es, die seine regulative Wirkung zeitweise außer Kraft setzen. In erster Linie handelt es sich dabei um das Finanz- und Kreditsystem als festen Bestandteil der widersprüchlichen Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Produktionsweise. Marx, der diese Zusammenhänge aufdeckte, schreibt: „In Zeiten der Prosperität, großer Expansion, Beschleunigung und Energie des Reproduktionsprozesses sind die Arbeiter voll beschäftigt. Meist tritt auch Steigen des Lohnes ein und gleicht das Fallen desselben unter das Durchschnittsniveau in den andern Perioden des kommerziellen Zyklus einigermaßen aus. Gleichzeitig wachsen die Revenuen der Kapitalisten bedeutend. Die Konsumtion steigt allgemein.“ (MEW, Band 25, S. 462)
Das sind alles Erscheinungen, wie wir sie aus der Gegenwart kennen, wenn auch die „Reservearmee“ der Arbeitslosen nie ganz verschwindet, wie das an anderer Stelle in der Krisentheorie hervorgehoben wird. Die Prosperität ist auch keine weltweit gleichzeitig auftretende Erscheinung. Die fortgeschrittene Globalisierung in der Wirtschaft nivelliert heutzutage die Krisenzyklen der einzelnen Länder. Bestimmte Etappen verschieben sich zeitlich oder treten nur stark deformiert auf. Viele Länder, auch europäische mit hoher Arbeitslosigkeit und Anziehen der Preise für Konsumartikel sind der Beweis.
Noch ein Wort zur Einschränkung der Wirkung des Marktes. Marx schreibt: „Der Kredit macht den Rückfluß in Geldform unabhängig vom Zeitpunkt des wirklichen Rückflusses, sei es für den industriellen Kapitalisten, sei es für den Kaufmann. Jeder von beiden verkauft auf Kredit; seine Ware ist also veräußert, bevor sie sich für ihn in Geld rückverwandelt, also zu ihm selbst in Geldform zurückgeflossen ist. Andrerseits kauft er auf Kredit und so hat sich der Wert seiner Ware für ihn rückverwandelt, sei es in produktives Kapital, sei es in Warenkapital, schon bevor dieser Wert wirklich in Geld verwandelt worden, bevor der Warenpreis verfallen und bezahlt ist.“ (A.a.O., S. 463 f.)
Marx meint hier eindeutig, daß der Akt des echten Verkaufs der Ware auf dem Markt und der Rückfluß seines Kapitals durch den Kredit zeitlich auseinanderfallen. Den Kapitalisten interessiert nicht mehr, wo seine Ware abbleibt, ob sie verkäuflich ist oder in Textillagerhallen und auf Stellplätzen für Neu- oder Gebrauchtwagen, ja sogar auf dem Müll landet.
Wenn den Kreditgebern das Geld ausgeht, nennt sich das „Finanzkrise“. Dann hilft der kapitalistische Staat. Falls die Steuern des Volkes nicht reichen, wird eben neues Geld gedruckt. Auf den Markt schaut niemand mehr. Diese Geldaufblähungen müssen irgendwann einmal reguliert werden. Die Luft entweicht mit einem Knall.
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