Eine Idee, die im Nachtzug von Moskau nach Sankt Petersburg entstand
Es war Februar 2015, als sich im Internet eine kleine Gruppe von Menschen sammelte, deren Anliegen es war, ein Zeichen zu setzen.
Ein Zeichen zu setzen zum 70. Jahrestag der Niederschlagung des Faschismus in Deutschland, dem Ende des 2. Weltkrieges.
Die Rhetorik fast der gesamten Presse stand auf Konflikt, nicht auf Versöhnung.
Die Krise in der Ukraine und die Rolle der Russischen Föderation in diesem Konflikt waren das beherrschende politische Thema, Sanktionen wurden gegen sie verhängt, der Kalte Krieg schien wiedergeboren. Der Schuldige an diesem Konflikt war von den Regierungen der EU benannt.
Wir konnten uns jedoch an die Anfänge des Maidan, die Art und Weise, wie die Politik unseres Landes darauf reagierte, erinnern und fanden vieles nicht richtig dargestellt. Der aktiven Unterstützung von oppositionellen Bewegungen in der Ukraine standen wir sehr kritisch gegenüber.
Wir fanden Parallelen zu anderen Konflikten in der Welt, z. B. zum „Arabischen Frühling“ und uns gefiel zunehmend weniger, in welcher Art und Weise sich politische Vertreter unterschiedlichster Couleur dazu verhielten.
Darin bestand der wesentliche Konsens der Gruppe von 24 Menschen, die sich zum 9. Mai 2015 auf den Weg nach Moskau machten, um den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag beizuwohnen.
Sich zu bedanken bei den Menschen, deren Großväter und Großmütter dabei halfen, den deutschen Faschismus zu besiegen, ihnen den Respekt zu erweisen, den die Kanzlerin mit ihrer Absage zu den Feierlichkeiten am 9. Mai verweigerte, war unser gemeinsames Ziel.
Wir waren und sind überzeugt: Bei Problemen muß man reden, man darf nicht schweigen, muß sie lösen.
Lösungen sind in Kompromissen zu finden, im gegenseitigen Verständnis für die jeweilige Situation, nicht in Schuldzuweisungen.
Also fuhren wir los und wollten uns überzeugen – von den Menschen, von der politischen Stimmung im Land. Und wir wollten Respekt zeigen.
24 Menschen in einer Millionenstadt, inmitten des großen Festes zum „Tag des Sieges über den Hitlerfaschismus“, wie es in der Russischen Föderation heißt.
Nie heißt es: zum Sieg über Deutschland! Das darf man nicht vergessen, das muß man spüren.
Ehrlich gesagt: Wir hatten auch so unsere Befürchtungen, als Deutsche, gerade an diesen Tagen, in angespannter politischer Stimmung zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation, zu erkennen zu sein. Wie würde man auf uns 24 reagieren? Wir hatten uns vorbereitet, trugen T-Shirts, die uns als Gruppe von Deutschen, welche Dank sagen wollten, aus der Menge der Moskauer und anderer Gäste heraushob.
Wir hatten Buttons mit einem schlichten „Danke“ als kleines Geschenk für die Veteranen in unseren Taschen verstaut, auch Fahnen des Landes, aus dem wir kamen, fehlten nicht.
Der Kranz für die Ehrung des „Unbekannten Soldaten“ im „Park des Sieges“ in Moskau stand bereit.
Die ganze Welt schien auf den Beinen zu sein.
Ein Gewirr von Sprachen vieler Herren Länder und Nationen. Sie alle waren gekommen, so wie wir, den Tag des Sieges zu feiern. Fröhliche Gesichter überall. Es wurde gemeinsam gesungen, Veteranen kreuzten mit Blumen in den Händen unsere Wege. Viele Hände klopften anerkennend auf unsere Schultern! „Gut, daß Ihr da seid!“ schienen diese Signale, die erhobenen Daumen, die freundlichen Blicke zu sagen.
Nach der Kranzniederlegung zerstreute sich unsere kleine Gruppe unter den Feiernden. Einige gingen zum Marsch des „Unsterblichen Regiments“, andere blieben im „Park des Sieges“.
Wo immer man auf uns traf, wurden wir in die Mitte genommen.
Wir wurden mit Blumen beschenkt, gemeinsame Fotos entstanden, wir sangen zusammen auf den Straßen. Wir redeten über den vergangenen Krieg und viel mehr über den bedrohten Frieden. Allen war klar, die Zeichen standen auf Sturm.
Allen war klar: Es darf keinen neuen Krieg geben, es muß Frieden herrschen unter den Völkern.
Die Völker wollen den Frieden und den gegenseitigen Respekt.
Wir versprachen uns gegenseitig für diesen Frieden weiter zu kämpfen, jeder auf seine Weise, jeder mit seinen Möglichkeiten. Aber jeder würde an seinem Platz das Beste geben.
Wir erfuhren von den Hilfsaktionen der russischen Bürger für die Menschen im Donbass, denn dort waren bereits Opfer eines Krieges zu beklagen, dort lebten Menschen unter den Wirren des Krieges und kämpften um ihr Überleben.
Zwei Gruppenmitglieder nutzten in diesen Tagen die Gelegenheit, einen Abstecher nach Sankt Petersburg (die Heldenstadt Leningrad) zu machen. Mit dem Nachtzug fuhren sie, und während der vielen Stunden unterwegs wurde der Gedanke geboren: Wir machen das wirklich!
Wir gründen einen Verein, der den Opfern von Krieg Linderung bringt, der ihnen Aufmerksamkeit schenkt, das Gefühl nicht vergessen zu sein, Hoffnung!
Hilfe vor Ort! Nicht hier oder irgendwo, sondern dort, wo der Krieg lebt und die Menschen sterben.
Wir wollen Brücken bauen in den Frieden! Wir nutzten die dort entstandenen Kontakte zu russischen Hilfsaktionen und fingen einfach an!
Am 18. Juni 2015 gründeten wir den Verein „Friedensbrücke-Kriegsopferhilfe“ und begannen Geld zu sammeln, um unsere russischen Freunde in ihrer Arbeit zu unterstützen und unser erstes Projekt – das„Friedenscamp“ – aufzubauen.
Inzwischen waren 1136 Menschen, vor allem Kinder aus dem Frontgebiet, in unserem Camp und konnten ein paar Wochen unter friedlichem Himmel genießen.
Wir sorgten dafür, daß über 500 Rentner, deren Rente nicht ausgezahlt wurde, mit Lebensmitteln versorgt wurden, wir unterstützen eine Familie bei der onkologischen Behandlung der Mutter.
Wir versahen ein Altenpflegeheim und ein Flüchtlingsheim mit Nahrungsmitteln, stellten die unterbrochene Mittagsversorgung in einer Schule in Gorlowka sicher. Medikamente, die gebraucht wurden, stellten wir bereit, schickten Babynahrung ins Kriegsgebiet, Kleidung, Spielzeug und vieles mehr.
Durch die transparente Dokumentation unserer Arbeit im Internet wurden auch andere helfende Initiativen auf uns aufmerksam und baten uns um Unterstützung bei ihren Aktionen.
Beispielhaft möchten wir hier die Initiative „Help-Cologne“ erwähnen, welche ihre Aktionen zur Hilfe an Kriegsopfern, auf der sogenannten Balkanroute und im riesigen Flüchtlingscamp in Calais und Dünkirchen durchführten. An dieser Stelle seien auch unsere weiteren Partner im In- und Ausland erwähnt. Vielen Dank für die Zusammenarbeit an den Filmemacher und Fotografen Mark Bartalmai (Ukraine Agony – Der verschwiegene Krieg), unsere Spezialistin für Benefizveranstaltungen Natalja Volk, die Partner von Remembers.TV, dem Humanbataillon Donbass und den Mädchen von Wege der Güte.
Unser allergrößter Wunsch ist es, daß wir nicht mehr gebraucht werden! Daß unsere Hilfe überflüssig wird!
Bis dahin ist es anscheinend ein unendlich langer Weg.
Wir sind bereit ihn zu gehen, weil wir an die Brücken zum Frieden glauben!
Liane Kilinc ist Vorsitzende und Gründungsmitglied des FBKO.
Nachricht 643 von 2043
- « Anfang
- Zurück
- ...
- US-Weltherrschaftsprogramm
bedeutet Barbarei - Warum in der Alt-BRD
der 17. Juni gefeiert wurde
und warum Bodo Ramelow
daran anknüpft - Adieu, Genossen!
- Eine Idee, die im Nachtzug von Moskau nach Sankt Petersburg entstand
- Leben und Werk einer
vielseitigen Künstlerin - Ein hoher deutscher General
spielte mit der Karte des Krieges - Schröpfen, schröpfen und
noch einmal schröpfen! - ...
- Vorwärts
- Ende »