Südkoreas Eisenbahner blockierten Privatisierungspläne
Eine rote Schärpe an der Märtyrer-Statue
Während sich die Medien der Bourgeoisie unablässig mit der tendenziösen Berichterstattung über Ereignisse im Norden der koreanischen Halbinsel – der KDVR – beschäftigen, suchen sie von fundamentalen Vorgängen im Süden des geteilten Landes abzulenken: der Tatsache nämlich, daß dort seit Jahr und Tag erbitterte Klassenauseinandersetzungen zwischen den Vertretern von Kapital und Arbeit stattfinden. Sie sollen im Mittelpunkt unserer Untersuchung stehen.
Unlängst haben die südkoreanischen Eisenbahner den größten, längsten und härtesten Streikkampf seit Jahren bestanden. Er richtete sich gegen die von massivem Einsatz der Staatsgewalt begleiteten Bestrebungen der südkoreanischen Präsidentin Park Geun-Hye, die Strecke von der Metropole Seoul bis zur Hafenstadt Pusan in Privathand zu überführen. Zwischen dem 9. und dem 30. Dezember 2013 ruhte in Südkorea der Schienenverkehr. 8700 Eisenbahner hielten sich diszipliniert an die Gebote des von ihnen beschlossenen Ausstandes. Ihre Gewerkschaft gehört zum Dachverband KCTU.
Das Privatisierungsvorhaben stieß schon in seiner Ankündigungsphase auf heftigen Widerstand – nicht nur beim Bahnpersonal, sondern auch in wichtigen Bereichen der südkoreanischen Öffentlichkeit. So schrieb z. B. die bürgerliche „Korea Times“, man befürchte, daß eine Überführung der Staatsbahn in Privathand ähnlich negative Auswirkungen wie vorangegangene Schritte in Großbritannien nach sich ziehen werde: Tariferhöhungen, sich häufende Unglücke, ein Ansteigen von Subventionen aus öffentlicher Hand und die Stillegung unrentabler Strecken.
Die Regierung bestritt, daß ihr Projekt nur die erste Etappe einer durchgängigen Privatisierung des gesamten Schienenverkehrsnetzes darstelle, das ja hervorragend funktioniere. Die Tatsache, daß man eine neue Institution zu schaffen beabsichtige, habe absolut nichts mit der Privatisierung der Staatsbahn Korail zu tun. Die erwogene Agentur solle vielmehr dieser gehören und dürfe niemals an private Investoren weiterveräußert werden.
Doch bald darauf bestätigte der Korail-Präsident höchstpersönlich, daß „die Zeit gekommen“ sei, „radikale Reformen einzuführen und eine starke Konkurrenz beim Schienenverkehr zu schaffen“.
Präsidentin Park suchte ihrem Idol Margaret Thatcher in puncto Arbeiterfeindlichkeit nachzueifern und erklärte der Gewerkschaftszentrale KCTU wie deren Eisenbahner-Verband den Krieg. Nachdem sie mit zunächst eingesetzten Streikbrechern gescheitert war, untersagte sie offiziell den Ausstand und ließ finanzielle Sanktionen gegen die an ihm beteiligten Mitglieder der Gewerkschaft verhängen.
Höhepunkt der brutalen Repression war am 22. Dezember der Überfall auf das Hauptquartier der 677 000 Mitglieder zählenden KCTU im Zentrum von Seoul, an dem über 600 Polizisten teilnahmen. Nach der zweistündigen Besetzung des Gebäudes wurden 119 Mitglieder und Funktionäre des Verbandes arretiert. Gegen weitere 35 Gewerkschaftsführer – darunter den KCTU-Präsidenten Kim Myun-hwan – erging Haftbefehl, weil sie sich geweigert hatten, das Polizeilokal zur Vernehmung aufzusuchen.
Madame Park erklärte nach Beendigung des Streiks am 30. Dezember, sie bleibe bei der Verfolgung der durch Repressalien Betroffenen, da der Ausstand „illegal“ gewesen sei.
Nach der Polizeiattacke auf den zentralen KCTU-Sitz rief die Gewerkschaft Südkoreas Arbeiter zu einer nationalen Mobilisierung auf. Am 28. Dezember erlebte das Land die größte Manifestation seit Jahren. In Seoul überfluteten mehr als 100 000 Menschen die Hauptstraßen, auch in Pusan, Gwangju, Deajon und Daegu marschierten die Kolonnen unter der Losung „Nein zur Privatisierung von Korail!“ Der Streik endete nicht eher, bis eine Übereinkunft zur Schaffung einer parlamentarischen Untersuchungskommission erzielt worden war. Diese soll sich bis Ende März zur Glaubwürdigkeit von Regierungsgarantien für eine neue nichtprivate Behörde äußern.
Angesichts der Tatsache, daß die Repressalien gegen Gewerkschaftsfunktionäre bis heute weder zurückgenommen noch eingestellt worden sind, kündigte die KCTU an, ihren Kampf bis zur Demission der Präsidentin Park fortsetzen zu wollen.
In diesem Zusammenhang rief eine symbolische Aktion erhebliches Aufsehen hervor: Die Statue der jungen Gewerkschaftsaktivistin Chun Tae-il, die sich in den 70er Jahren aus Protest gegen die erbärmlichen Arbeitsbedingungen in Südkorea selbst verbrannt hatte, wurde mit einer roten Schärpe geschmückt. Während der Wahlkampagne sah sich Madame Park gezwungen, das ihr verhaßte Denkmal aufzusuchen, um der unter dem Regime ihres Vaters Umgekommenen ihre Referenz zu erweisen.
Die Entscheidung, das schlichte Monument mit einer roten Banderole zu versehen, ist in einem der repressivsten Staaten Ostasiens einer Kriegserklärung gleichzusetzen.
RF, gestützt auf „Solidaire“, Brüssel
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