Hindenburg blieb Ehrenbürger der Hauptstadt der BRD
Eine Schande für Berlin
In seinem Beitrag „Kopf einer braunen Schlange“ (RF, Nr. 194) weist Jobst-Heinrich Müller darauf hin, daß Schulen, Straßen und Plätze weiter nach dem ersten niedersächsischen Ministerpräsidenten Hinrich Wilhelm Kopf benannt bleiben – wegen „seiner Verdienste um den Aufbau des Landes Niedersachsen“. Vorher hatte er sich als Generalbevollmächtigter der Treuhand Ost im besetzten Polen „Verdienste“ bei der Verhökerung des Eigentums ermordeter oder verfolgter Juden oder Polen und bei der „Entjudung“ und „Eindeutschung“ erworben.
Das gibt Anlaß, an einen anderen „verdienstvollen“ Mann zu erinnern, der die deutsche Geschichte im vergangenen Jahrhundert noch weit mehr negativ beeinflußt hat: Paul von Beneckendorff und von Hindenburg. Dieser hatte allerdings keine Gelegenheit, noch beim Aufbau der Bundesrepublik Deutschland mitzuwirken.
Er starb bereits am 2. August 1934 im Alter von fast 87 Jahren. Bis dahin hatte er viel Unheil über Deutschland gebracht. Aber in Berlin gibt es immer noch einen Hindenburgdamm und einen Hindenburgplatz. Und viel schlimmer noch: Der Erzmilitarist ist sogar weiterhin Ehrenbürger der Hauptstadt der BRD. Dabei stand er bereits 1918 auf der Kriegsverbrecherliste der westlichen Alliierten ganz weit oben.
Immerhin gab es einen Antrag der Grünen, den Status des berüchtigten Mannes zu ändern. Am 27. März 2003 stimmten aber im Berliner Abgeordnetenhaus SPD, CDU und FDP dafür, daß Hindenburg Ehrenbürger bleibt. PDS und Grüne waren dagegen. Die Forderung, Hindenburg aus der Ehrenbürgerliste zu streichen, ging davon aus, daß dieser als Reichspräsident der faschistischen Diktatur den Weg geebnet und dadurch den von ihm geschworenen Eid auf die damals noch geltende Weimarer Verfassung in vielfacher Weise gebrochen hat. Er sei mitverantwortlich für alle Folgen dieser Diktatur, für Gewaltherrschaft und Aggression, für die Ermordung Tausender Berliner Bürger in den Vernichtungslagern, für den Tod großer Teile der hauptstädtischen Zivilbevölkerung im Zweiten Weltkrieg und die Zerstörung Berlins.
Unter anderem wurde von den Grünen auf die „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ (28. Februar 1933) verwiesen, durch die Hindenburg mit seiner Unterschrift eine Reihe der wichtigsten Verfassungsbestimmungen außer Kraft setzte.
Die Grünen und die PDS hatten damit gerechnet, daß der Antrag problemlos von einer Mehrheit des Abgeordnetenhauses angenommen würde. Doch das war ein Irrtum. Denn anstelle von Hans-Georg Lorenz vom linken Donnerstagskreis, der ursprünglich für die SPD als Redner zu diesem Punkt der Tagesordnung vorgesehen war, begründete Walter Momper, Präsident des Abgeordnetenhauses, warum man Hindenburg nicht aus der Liste streichen dürfe. Dieser sei zwar eine widersprüchliche Gestalt, weil er Hitler berufen habe, aber auch eine historische Persönlichkeit, die man in ihrer Zeit sehen müsse. Auf die üblen Gesetze und Notverordnungen, die Hindenburg nach der Errichtung der faschistischen Diktatur unterschrieben hatte, ging Momper mit keinem Wort ein. Statt dessen versuchte er zu erläutern, daß dieser in den sieben Jahren seiner ersten Präsidentschaft absolut „legalistisch und demokratisch“ gehandelt habe. Wie Momper zu der Aussage kommen konnte, Hindenburg habe in dieser Zeit ohne Notverordnungen regiert, ist unerfindlich. Das traf nämlich nur für die Periode von 1925 bis 1929 zu. Bereits am 16. Juli 1930 unterschrieb der Reichspräsident die erste Notverordnung der Brüning-Regierung. 1930 standen dann den 52 vom Reichstag verabschiedeten Gesetzen fünf Notverordnungen gegenüber. 1931 war das Verhältnis schon 41 : 19 und 1932 sogar 60 : 5.
Als Hindenburg 1925 Präsidentschaftskandidat wurde, stellte die SPD völlig richtig fest, daß das eine Gefahr für den Frieden sei und diese Wahl maßloses Unglück über das deutsche Volk bringen werde. Sieben Jahre später rief dieselbe SPD dazu auf, Hindenburg als das kleinere Übel im Vergleich zu Hitler zu wählen. Die KPD mahnte damals vorausschauend: „Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt den Krieg!“
Schlimmer noch als Momper trat der CDU-Abgeordnete Andreas Apelt auf. „Was wäre 1932 eigentlich geworden“, fragte er, „wenn Hitler die Wahl gewonnen hätte und nicht ein starker Kandidat wie Hindenburg angetreten wäre – übrigens unterstützt von vielen demokratischen Parteien?“ Recht hatte Apelt mit der Feststellung, daß Nazis und Kommunisten im Reichstag 1932 zusammen die absolute Mehrheit besaßen. Seine in diesem Zusammenhang gestellte agitatorische Frage entbehrt indes nicht der unfreiwilligen Komik: „Stellen Sie sich vor, wir säßen in einem Parlament, in dem die stalinistischen Kommunisten um Thälmann und die Nazis um Hitler die absolute Mehrheit haben. Wie wollen Sie da regieren?“ Daß Hindenburg am Ende mit den Stimmen von SPD und CDU Ehrenbürger blieb, ist eine Schande für Berlin!
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