Der Maler und Kommunist Walter Womacka
war Realist und Visionär
Einer, der Farbe bekannte
Der Maler Walter Womacka (1925–2010) hat in der Blütezeit seines Schaffens, die fast deckungsgleich mit 40 Jahren DDR war, Hunderte wirkgewaltige Bilder und zugleich Zeichen in seine Stadt Berlin, sein Land und das Bewußtsein der Menschen gesetzt. Als Rektor der Kunsthochschule wirkte er ab 1968 zwanzig Jahre lang für die Heranbildung einer Generation junger Bildkünstler, Architekten und Formgestalter. Walter Womacka hat die Zeichen seiner Epoche in einer kunstgeschichtlich gültigen Weise imaginiert, interpretiert und visualisiert. Das kennzeichnet ihn als einen Großen der Bildkunst. Am 18. September jährt sich Walter Womackas Todestag zum fünften Male.
Wer sich in der einstigen DDR-Hauptstadt rings um den Alexanderplatz umschaut – wie zuvor die Mitte einer Weltmetropole – erkennt die baulich-bildlichen Zeugen des Arbeiter-und-Bauern-Staates. Walter Womacka hat sie geschaffen oder maßgeblich geprägt: Das architektonische Ensemble mit dem Haus des Lehrers und dem Kongreßzentrum, das Haus des Reisens und der emaillierte „Brunnen der Völkerfreundschaft“ geben einen Teil des Hauptwerkes wieder. Von dem 125 Meter lang den Baukörper umlaufenden und 7 Meter hohen Fries aus Mosaiksteinen blicken selbstbewußt die Gestalten der Arbeiter und Bauern, Gelehrten und Studierenden, der Mütter, Kinder und Soldaten. Farbenfroh und hart konturiert zeigen sie sich, dabei realistisch und harmonisch komponiert.
Solcherart bejahende Darstellungen, die auch ohne Verschlüsselungen lesbar sind, kommen intellektualistisch angehauchten bürgerlichen Kunstliebhabern eher in die Quere. Doch die unvoreingenommenen Betrachter und erst recht die Mitstreiter des Sozialisten und Kommunisten Womacka haben das Ensemble auf dem Alex zu seiner Einweihung 1964 vielfach diskutiert und in Besitz genommen.
Begonnen hatte Walter Womacka, der 1952 an der Dresdener Hochschule für Bildende Künste diplomiert worden war, mit Tafelmalereien und Druckgrafiken. Er zeigte vor allem produktiv schaffende Menschen, von der harten Tagesarbeit oder vom Lebenswerk ausruhend oder auf dem Feld, bei der Fischerei oder in der Fabrik. Die ins Bild Gesetzten strahlen Stolz, Zukunftsgewißheit und Klassenbewußtsein aus.
Als er die anspruchsvollen Aufträge für die Gestaltung der Berliner Mitte übernahm, hatte er mit seiner Bildsprache bereits Millionen von DDR-Bürgern erreicht. Sein Bild „Junges Paar am Strand“ war 1962 zu einem kaum wiederholbaren Publikumserfolg gediehen. Die Ästhetik aus Liebe, jugendlicher Frische und Meer begeisterte auf eine bis heute einzigartige Weise. Doch unpolitisch ist es keinesfalls. Das junge Paar am Strand ist sich der Geborgenheit sicher. Es kostet unbeschwert und angstfrei die Zartheit und den Zauber der ersten, erregenden Berührung aus. Das Bild hing millionenfach reproduziert in Jugendzimmern der DDR und des Auslands. Es gelangte 1973 aus dem Nachlaß Walter Ulbrichts, der es vom Maler als Geschenk empfangen hatte, in die Dresdener Galerie Neue Meister.
Das Hohelied auf überschäumende Lebenslust klingt auch in Hunderten Blättern, Tafeln, Wandfriesen durch, auf denen Womacka Blumen, Landschaften, Stadtansichten, Liebes- und Familienglück darstellte. Mit Porträts von Persönlichkeiten der Zeitgeschichte erweiterte er seine „Fangemeinde“ auch international. Kern der bildkünstlerischen Mission Womackas blieb jedoch die befreite Arbeit im Sozialismus.
Auf das Tafelbild für den Wandschmuck im durch die Sieger auf Zeit abgerissenen „Palast der Republik“ malte Womacka 1975 den Traum der Kommunisten: Hinter sich die Befreiten, vor sich im Blick das Bedrohliche, die mit Laokoon-Griff zu fassende Schlange des Feindes. Diese Tafel und andere bewegliche Bildobjekte verschwanden nach 1990 in Depots und Privatsammlungen. Präsent bleiben einige der baugebundenen Werke, andere Wand- oder Glasbilder wurden zusammen mit den Gebäuden vernichtet.
In seinen 2004 beim Verlag Das Neue Berlin veröffentlichten Erinnerungen „Farbe bekennen“ hat Walter Womacka seine Haltung dargestellt. Er bekennt sich zum kommunistischen Geschichts- und Menschenbild. „Ich bin, seit ich politisch denke, davon überzeugt, daß soziale Gerechtigkeit, Menschlichkeit und Frieden nicht von einer Gesellschaft gestiftet werden können, in der das Geld der Maßstab aller Dinge ist“, erklärt er. Anläßlich einer seiner letzten Vernissagen – 2004 in Eisenhüttenstadt – erwähnt er ein Beispiel: „Viele freuen sich, daß das Bild ‚Am Strand‘ nun doch in der Ausstellung hängt. Zunächst sah es so aus, daß die Auflagen des jetzigen Eigentümers die finanziellen Möglichkeiten der Veranstalter überfordern würden.“ Der jetzige Eigentümer: das Bundesvermögensamt! Es hält offenbar ein berühmtes Bild, das mit Gewißheit auf dem kapitalistischen Kunstmarkt Riesensummen einbrächte, wie ein Pfand fest. Baugebundene Bilder hingegen wie das Wandbild am Ministerium für auswärtige Angelegenheiten der DDR hätten Kosten verursacht, um sie vor der Abrißbirne zu retten, und wurden vernichtet. Beschämend für jene, welche die Kunst dem Kapitalmarkt unterwarfen.
Walter Womacka hat seine Gedanken seit der angeblichen Wende verbildlicht, so auf drei Tafeln gleichen Titels. „Nachdenken I, II und III“ zeigen die Scheinwelt des Kapitals. Ein Covergirl vor Autoschrottbergen, ein weiteres vor schmerzvoll Schreienden und die notorischen drei (Menschen-)Affen, die Sehen, Hören und Reden verweigern. Dazu gesellt sich eine dritte, grell gestylte Frauengestalt vor den Horrorvisionen der Angst und Vereinsamung. Den Untergang des Sozialismus in Europa malt Womacka als tödlich getroffenen Kampfstier vor rotem Tuch, darunter zwei 1995er „Stern“-Titelbilder mit Gorbatschow-Porträt.
Der Traum von der befreiten Arbeit hat sich nicht erfüllt – vorerst. Was die Bildwerke Walter Womackas heute bewirken können: Streitgespräche über die Vision auszulösen und Konsequenzen zu erörtern. Und Anregungen vermitteln an zeitgenössische, dem Realismus verpflichtete Bildkünstler, sich des Sujets „der arbeitende Mensch und seine Würde“ mit kritischer Intention anzunehmen. Am 22. Dezember würde Walter Womacka 90 Jahre alt.
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