Einer, der sich nicht verbiegen läßt
Die „RotFuchs“-Regionalgruppe Bitterfeld-Wolfen hatte Egon Krenz zu einer ihrer politischen Bildungsveranstaltungen eingeladen. Der Saal war brechend voll. So etwas hatte ich schon lange nicht mehr erlebt.
Bevor ich zum Ort der Zusammenkunft fuhr, hatte ich mir ein wertvolles Dokument eingesteckt: einen Brief, den ich im Jahr 2000 von Egon, der sich damals in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee befand, als Antwort auf eine Solidaritätsbotschaft erhalten hatte. Dazu legte ich einen Artikel, der nach Egons Freilassung im Jahr 2003 in der „Mitteldeutschen Zeitung“ erschienen war. Meine Überlegung bestand darin, daß sich möglicherweise die Chance für einen kurzen Diskussionsbeitrag ergeben könnte. Egons Referat war sehr bewegend, was ihm wiederholt spontanen Beifall einbrachte. Die Pause wurde von etlichen Teilnehmern der Veranstaltung dazu genutzt, das von Egon Krenz herausgegebene Zeitzeugenbuch über Walter Ulbricht zu erwerben und den Gast um eine Widmung zu bitten.
An jenem Tag war die Diskussionsbereitschaft außerordentlich groß. Nachdem bereits verschiedene Redner gesprochen hatten, verlas ein Genosse zu meiner Überraschung Passagen aus jenem Brief, den ich damals von Egon aus der Haft erhalten hatte. Er nannte auch den Namen der Empfängerin. Plötzlich zeigte er auf mich und sagte: „Da sitzt die Genossin.“ Es war eine gelungene Überraschung. Auch Egon strahlte. Walter Schmidt, der Vorsitzende unserer Regionalgruppe, zog das Fazit: „Wir kämpfen weiter!“
Zwei Stunden waren für diese Veranstaltung vorgesehen. Tatsächlich dauerte sie wesentlich länger – Beweis für einen gelungenen Bildungsabend. Im Brief an mich hatte Egon geschrieben, daß er sich nicht verbiegen lasse. Er hat das nicht nur behauptet, sondern seitdem auch immer wieder unter Beweis gestellt.
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