Griff in die literarische Schatztruhe (11. Teil)
Einst erfolgreiche DDR-Autoren
dem Vergessen entreißen
Rudolf Leonhard kam am 27. Oktober 1889 in einem „gutbürgerlichen Hause“ zur Welt. Später studierte er Philologie und Jurisprudenz in Berlin und Göttingen. 1914 meldete er sich freiwillig an die Front. Leonhard verfaßte früh expressionistische Lyrik, die zum Teil in der Sammlung „Menschheitsdämmerung“ (1919) zu finden ist, so sein Gedicht „Der tote Liebknecht“.
Das Grauen des Krieges öffnete ihm die Augen: „Es hat für mich wenigstens eines Weltkrieges bedurft, daß ich erkennen konnte, daß unsere Dichterträume gründlich falsch, gefährlich waren.“ Er protestierte öffentlich gegen das Morden, so daß man ihn vor das Kriegsgericht stellte.
1918 wurde Leonhards Schauspiel „Die Vorhölle“ als erstes deutsches Antikriegsstück aufgeführt. 1921 veröffentlichte er den Gedichtband „Spartakus-Sonette“. Sie stellten einen rhetorischen Appell an die Teilnehmer der Novemberrevolution dar. Sein zweites Schauspiel „Segel am Horizont“ (1925) hatte an der Berliner Volksbühne Erfolg und rückte ihn in die erste Reihe junger Dramatiker.
1927 übersiedelte Leonhard nach Paris, wo er sich leidenschaftlich gegen den aufkommenden deutschen Faschismus wandte. Er wurde Mitbegründer des „Schutzverbandes deutscher Schriftsteller im Exil“. Im Pyrenäenlager Le Vernet interniert, wo er zwischen 1939 und 1941 über 600 Gedichte schrieb, entfloh er von dort auf abenteuerliche Weise und lebte fortan im französischen Untergrund. 1944 kehrte Leonhard nach Paris zurück. Er verfaßte sein Schauspiel „Geiseln“ (1945), in dem zehn unschuldig zum Tode Verurteilte zehn Minuten Zeit haben, über ihr Leben nachzudenken.
1947 nahm der Autor am I. deutschen Schriftstellerkongreß in Berlin teil, konnte aber aus gesundheitlichen Gründen erst 1950 endgültig in die DDR übersiedeln. Er veröffentlichte die Bände „Deutsche Gedichte“, Hörspiele „Die Stimmen gegen den Krieg“ und ein Buch über Hölderlin. In seinem Werk „Unsere Republik“ bekannte er sich zum Aufbau einer neuen Gesellschaftsordnung in der DDR. Zwischen 1950 und 1953 schrieb er noch fünf Hörspiele, in denen er bedeutsame zeitgeschichtliche Vorgänge künstlerisch zu erschließen versuchte.
Seine Aufgabe sah Leonhard darin, junge Autoren in einem Arbeitskreis zu fördern. Zugleich rechnete er in der Schrift „Unsere Republik“ (1950) mit Tendenzen einer Verharmlosung des sich im Westen abermals formierenden Faschismus ab. Eine Woche vor seinem Tod am 19. Dezember 1953 nahm der Schriftsteller noch am Deutschen Friedenskongreß in Weimar teil. Maximilian Scheer legte 1958 den Band „Freunde über Rudolf Leonhard“ vor. Steffen Mensching gab 2001 Rudolf Leonhards umfangreiches Traumbuch des Exils „In derselben Nacht“ heraus. Es enthält über 3000 Träume von 1941 bis 1944, die unter Haftbedingungen aufgeschrieben wurden.
Nachricht 1953 von 2043
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