RotFuchs 191 – Dezember 2013

Griff in die literarische Schatztruhe (14)

Einst erfolgreiche DDR-Autoren
dem Vergessen entreißen

Dieter Fechner

Werner Steinberg wurde am 18. April 1913 in Neurode/Schlesien – dem heutigen Nowa Ruda – geboren. Nach dem Abitur studierte er an den Hochschulen in Elbing und Hirschberg. 1934 bildete er eine antifaschistische Widerstandsgruppe, wurde inhaftiert und zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Danach arbeitete er im Buchhandel und begann ab 1940 zu publizieren. Steinberg entkam aus der „Festung Breslau“ und siedelte sich in Süddeutschland an. Von 1945 bis 1948 gab er Zeitschriften heraus und war als Wirtschaftsjournalist tätig. Er zählt zu jenen Autoren, welche wie Peter Hacks, Johannes Tralow, Kurt Kauter, Gotthold Gloger und Wolf Spillner in den 50er und 60er Jahren aus der BRD in die DDR übersiedelten. Er vollzog diesen Schritt 1956 und lebte seit 1960 als freischaffender Schriftsteller in Dessau. Sein besonders erfolgreicher Heine-Roman „Der Tag ist in die Nacht verliebt“ (1956) erschien noch in der BRD, allerdings ohne die Szenen mit Marx. Er wurde dort über zweihundert Mal rezensiert. In der DDR erreichte der Roman – nun mit dem vollständigen Text – mehr als zwanzig Auflagen. Er wurde in ein halbes Dutzend Sprachen übersetzt.

In „Protokoll der Unsterblichkeit“ (1969) stellte Steinberg das tragische kurze Leben Georg Büchners anhand von Dokumenten, Briefen, Erinnerungen, Akten und anderen Hinterlassenschaften dar. Zu einem vierbändigen Zyklus des Autors zählen „Als die Uhren stehenblieben“ (1957), „Einzug der Gladiatoren“ (1958), „Wasser aus trockenen Brunnen“ (1962) und „Ohne Pauken und Trompeten“ (1965). Darin gestaltet er entscheidende Etappen der deutschen Geschichte um die Mitte des 20. Jahrhunderts – vom Untergang des Nazireiches und der Befreiung durch die alliierten Truppen über die Einführung einer separaten Währung im Westen bis zur Frühzeit der DDR.

Danach widmete sich Steinberg der Spannungsliteratur und verfaßte die Kriminalromane „Ein Mann namens Nottrodt“ (1972), „Der Hut des Kommissars“ (1966), „Und nebenbei Mord“ (1968) sowie „Zwei Schüsse unterm Neumond“ (1988). Zu verweisen ist auf den Abenteuerroman „Ikebana oder Blumen für den Fremden“ (1973) und die utopischen Romane „Die Augen der Blinden“ (1973) und „Zwischen Sarg und Ararat“ (1978). Zu erwähnen wären auch die beiden Erzählungen über Probleme junger Menschen „Der Schimmel mit den blauen Augen“ (1970) und „Die Eseltreiberin“ (1973) sowie der große Roman „Pferdewechsel“ (1974).

Werner Steinberg starb am 22. April 1992 in Dessau. In verschiedenen DDR-Verlagen erschienen über zwanzig seiner Titel in einer Gesamtauflage von über drei Millionen Exemplaren, wozu noch etwa 450 000 Exemplare als Lizenzausgaben und Übersetzungen kamen. Als Gestalter zeitgeschichtlicher Ereignisse und historischen Geschehens setzte Steinberg, der übrigens auch einen Zirkel Schreibender Arbeiter leitete, Lichtpunkte, da seine Bücher ebenso anspruchsvoll wie unterhaltsam waren.