RotFuchs 204 – Januar 2015

Ein Geithainer Genosse der Linkspartei
zur Erklärung vom 8. November

Empörung an der Basis

Bernd Gnant

Über große Teile der Erklärung vom 8. November 2014 „Brücken bauen – Zeit für eine neue Erinnerungspolitik“ bin ich empört.

Mitglied der Partei Die Linke, trage ich mich mit dem Gedanken, sie wegen dieser Erklärung zu verlassen. Ist das gewollt? Wird damit die Absicht verfolgt, Kommunisten und Linkssozialisten loszuwerden?

Zwischen wem sollen „Brücken“ gebaut werden? Sicher nicht zwischen uns Ost-Linken und jenen West-Linken, welche die DDR als Alternative zum westdeutschen Kapitalismus betrachteten. Und auch gewiß nicht zwischen der Führung und zahlreichen Mitgliedern unserer Partei, denen der Marxismus-Leninismus für eine konsequent linke Partei und ihr Handeln in Deutschland nach wie vor unverzichtbar ist. In beiden Fällen wäre die Erklärung kontraproduktiv. Wenn aber Brücken gebaut werden sollen zwischen der Bourgeoisie Deutschlands und der Partei Die Linke, dann wären wir endgültig auf dem Weg, uns überflüssig zu machen und damit eine wichtige Partei im politischen Spektrum der BRD verschwinden zu lassen. Dasselbe trifft zu, wenn es darum gehen sollte, Brücken zu anderen etablierten Parteien der BRD zu bauen.

Die Anbiederung an ehemalige Bürger der DDR, die Gegner dieses sozialistischen Landes waren, wird uns keinen Sonderbonus bei ihnen einbringen und sicher nicht dazu führen, daß sich unsere Wählerschaft vergrößert. Man liebt den Verrat, jedoch nicht den Verräter. An diese Binsenweisheit möchte ich erinnern.

Wir sollten vielmehr daran arbeiten, ein eigenständiges, unverwechselbares sozialistisches Profil unserer Partei zu schärfen, das den demokratischen Sozialismus als Endziel unseres Kampfes um die Herzen und Hirne der Menschen sieht. Dazu gehört zuallererst, daß wir auf keinen Fall das Vokabular bürgerlicher Geschichtsfälscher verwenden!

Seit Gründung der BRD und der DDR im Jahre 1949, besonders aber seit den 70er Jahren, gab es keine „innerdeutsche Grenze“. Es existierten zwei von der UNO und der übergroßen Mehrheit der Staaten der Erde anerkannte deutsche Republiken – die DDR und die BRD.

Unter „Revolution“ verstehe ich die Ablösung einer Gesellschaftsformation durch eine andere im Marxschen Sinn der Höherentwicklung. Beim Rückfall der DDR in die Barbarei des Kapitalismus kann man nicht von einer Revolution sprechen. Zudem wurde der Ruf der Demonstranten „Wir sind das Volk“ nicht unwesentlich durch die Manipulation aus dem Westen, auch durch das Wirken westdeutscher Geheimdienste in der DDR, zum Ruf „Wir sind ein Volk“.

Mit Sabotageakten gegen die Volkswirtschaft der DDR vom Beginn ihrer Existenz an bis zu ihrem Untergang und dem Mord an zahlreichen Menschen, die unser Land vor solchen Anschlägen zu schützen hatten, wurden mit Duldung staatlicher Stellen der BRD oder organisiert von ihnen Verbrechen in der DDR begangen! Die Akteure rühmen sich heute offen ihrer Taten und werden in den Medien als „Helden“ gefeiert. Nach dem Umsturz von 1989 wurden sie amnestiert und rehabilitiert. Von ähnlichen Verbrechen durch die DDR habe ich keine Kenntnis.

Die Lebensleistung vieler Menschen aus der DDR wird heute nicht nur bei Lohn- und Rentenzahlungen mißachtet. Zahlreiche Bildungsabschlüsse der DDR wurden nicht anerkannt. Wo bleibt hier die Entschädigung der Opfer? Verleumdete Biographien führten zu zahlreichen psychischen Schäden und nicht wenigen Suiziden.

Der Begriff „Unrechtsstaat“ ist kein wissenschaftlicher Begriff, sondern allein von politischen Interessen geprägt. Zur Zeit wird er in Deutschland als Kampfbegriff verwendet, um die DDR zu delegitimieren und letztlich so zu verunglimpfen, daß es keinem mehr einfällt, den Sozialismus als Alternative zum Kapitalismus zu erkennen, geschweige denn anzustreben.

Verwenden auch wir ihn, ohne zu sagen, was wir darunter verstehen, graben wir uns selbst das Wasser ab.

Außerdem sind „freie Wahlen“ nicht die einzige „grundlegende demokratische Legitimation“ für einen „Rechtsstaat“ und wie wir im täglichen Leben spüren, bedeutet „Rechtsstaat“ noch lange nicht gleiches Recht für alle. Der Begriff „geschichtspolitische Rosinenpickerei“ verharmlost unserer Meinung nach die Umdeutung der Geschichte durch die „Sieger“ in ihrem Sinne.

„Friedlich“ war der Umsturz in der DDR in erster Linie deshalb, weil der Staat seine Machtinstrumente nicht mit letzter Konsequenz, d. h. mit der Gewalt seiner bewaffneten Kräfte, eingesetzt hat – letztlich auch durch das besonnene Handeln der Angehörigen der Grenztruppen, der Zollverwaltung und des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Allein schon daran wird das humanistische Wesen des sozialistischen Staates DDR sichtbar. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Niederschlagung progressiver Entwicklungen, die durch das Militär des Kapitals in Indonesien und Chile erfolgte.

Wir waren auch deshalb das bessere Deutschland, weil in der DDR die Grundlage für die Ausbeutung des Menschen beseitigt wurde und dieses kleine Land einen großen Beitrag dazu leistete, in Europa den Frieden zu erhalten. Die DDR setzte sich in Wort und Tat gegen Kriege in der Welt ein. Sie lebte den Gedanken des friedlichen Miteinanders und der Solidarität. Es wurde konsequent entnazifiziert. Antifaschismus war Staatsdoktrin. Unser Land nahm den Schwur „Nie wieder Faschismus. Nie wieder Krieg!“ ernst.

Wenn wir von Aufarbeitung reden, müssen wir zugleich fordern, daß der Staat BRD seine Fehler und Verbrechen eingesteht, die Täter zur Verantwortung zieht, die Opfer aber rehabilitiert und entschädigt. Zu nennen wären hier als Beispiele die schnell wieder abgebrochene Entnazifizierung, die Verfolgung von Kommunisten, linken Sozialdemokraten und kapitalismuskritischen Gewerkschaftern, die Berufsverbotspraxis sowie die Beteiligung an Kriegen.

Neue Erinnerungskultur verlangt aber auch die unbedingte Verfügbarkeit aller Quellen. Erst wenn auch bei Ämtern und Geheimdiensten der BRD die Archive geöffnet werden, wie das im Falle des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR geschehen ist, kann sich eine echte Erinnerungskultur entwickeln.

Zuletzt möchte ich nicht unerwähnt lassen, daß ich keinesfalls jenen danke oder sie würdige, welche dazu beitrugen, daß aus einem (wenn auch unfertigen, mit Fehlern und Mängeln behafteten) Land mit gesamtgesellschaftlichem Eigentum an Produktionsmitteln ein gesellschaftlich rückwärtsgewandtes, kapitalistisches Land mit Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, Armut und Großmachtansprüchen wurde.