Erinnern an Wilhelm Rudolph
„Das heraufdämmernde Licht des 14. Februar 1945 erhellte nur noch eine glühende, qualmende Brandstätte an der Elbe, da, wo am Vortage Dresden gewesen war. Langgezogene Flammenhälse leckten an den Trümmerfassaden hintastend den letzten Sauerstoff aus Löchern und Abgründen. Der in der Flammenglut flüssig gewordene Asphalt hielt die Schuhe der vor dem Tode Geflüchteten unbarmherzig fest. Noch nach Monaten fand ich immer wieder Frauen- und Kinderschuhe […] In der ruhelosen Vorstellung zwischen Schlaf und Wachen grub ich mit stählernem Griffel die Bilder der Zerstörung in Metall und Steinplatten, Strich um Strich wie Wunden ein. Bei nüchternem Tageslicht standen mir dann ein kleines Paket Zanders-Büttenpapier, etwas Tusche und eine Rohrfeder zur Verfügung, die ich hatte retten können.“
Wilhelm Rudolph
Ich stehe, 70 Jahre, nachdem der Maler, Holzschneider, Graphiker und Zeichner sein Bild „Mann in Trümmern“ schuf, davor und fühle mich mit den Gedanken dieses Künstlers zutiefst verbunden. Sein Hauptwerk „Das zerstörte Dresden“ ist gegenwärtig im Stadtmuseum zu sehen. Es umfaßt mehrere hundert Zeichnungen, Aquarelle, Lithographien und Holzschnitte und gilt als eine Arbeit, für die es in der deutschen Kunst jener Zeit kein Äquivalent gibt.
Ich versuche, mich in den Künstler hineinzuversetzen. Gelingen will mir das nicht so ganz. Denn ich wurde 1949 in eine friedliche Epoche hineingeboren, ohne Angst vor Krieg und Zerstörung.
Es ist die Aussage des Bildes, das den Betrachter in seinen Bann zieht. Es zwingt, Schlüsse zu ziehen. Ein Mann in Trümmern – hinter ihm, um ihn herum und in ihm. Mitten in einem Trümmerberg sitzt er, hat alles verloren, besitzt nur sein Leben. Ist das noch Leben? Verletzt, erschüttert, trostlos. Wohin wird er sich wenden? Hoffnungslos sitzt er einfach nur da. Gibt es eine Zukunft für ihn? Welche Schuld trägt er selbst am Geschehenen?
Trümmerlandschaft / Lithographie: Wilhelm Rudolph
In seiner Haltung kommt die ganze Verzweiflung über den Irrsinn, die Sinnlosigkeit des von den Hitlerfaschisten angezettelten Krieges zum Ausdruck. Was er einst mit seiner Hände Arbeit geschaffen hat, ist zerstört worden. Werden diese Hände, wird er die Kraft haben, noch einmal anzupacken, aufzuräumen, aus den Trümmern eine Stadt in Frieden aufzubauen?
Die Figur im Gemälde steht für Tausende Kriegsopfer, für Soldaten, die nach Kriegsende und Gefangenschaft in ihre Heimat zurückkehrten, vor Häusern stehen, die dem Erdboden gleichgemacht worden sind, und die nicht wissen, wohin und wie weiter.
Unsagbares Leid – mehr Worte braucht das Bild nicht, um die Botschaft für die Zukunft zu erkennen: Nie wieder Krieg!
Und heute? Wieder geht es um Aufrüstung und „Abschreckung“ gegen den angeblichen „Feind“. Wieder geht es gegen Rußland. Wieder stehen deutsche Soldaten vor seinen Grenzen.
Mit der jetzigen Strategie der NATO und ihrer Osterweiterung sind wir dem Krieg näher, als mancher glaubt.
Der Sozialismus war geprägt von einem einfachen, schlichten Wort: FRIEDEN. Es ist hohe Zeit, für seinen Erhalt zu kämpfen!
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