RotFuchs 234 – Juli 2017

Erinnerungen an Dr. Walter Wolf

Helmuth Hellge

Im März-„RotFuchs“ erschien ein Beitrag von Dr. päd. habil Jörgpeter Lund aus Pots­dam über Prof. Dr. Walter Wolf. Das weckte in mir Erinnerungen an eine Begegnung, die ich vor 69 Jahren mit besagtem Pädagogen hatte.

Das Schulamt Altenburg in Thüringen hatte mich, den Neulehrer, gerade mit der Leitung der Grundschule Kriebitzsch beauftragt, nachdem Altlehrer Kramer, der nach dem Krieg die Geschicke der Schule leitete, über Nacht in den Westen gegangen war. Das war eine schwere Bürde für mich, da ich nur sehr geringe Erfahrungen im Unter­richtsbetrieb hatte und nun von heute auf morgen sieben junge Kollegen anleiten sollte. In eben dieser Situation stand eines Tages – es muß im Frühsommer des Jahres 1948 gewesen sein – der damalige Landesdirektor für Volksbildung in Thü­ringen, Dr. Walter Wolf, in meinem Dienstzimmer. Er war – wie ich später erfuhr – zu Beginn der 30er Jahre Lehrer in Zechau-Leesen, einem Nachbarort von Kriebitzsch, kannte aus dieser Zeit die Genossin Erna Himmer, die nun in Kriebitzsch in den Unterstufen-Klassen eine hervorragende Arbeit leistete. Als ich hörte, wer mich da besuchte, erstarrte ich in Ehrfurcht. Aber dieser Zustand hielt nicht lange an, denn Walter Wolf war ein Mensch, der so gar nichts von „steifer Etikette“ hielt. Er kam mit mir in den Unterricht – ich war damals Klassenleiter einer 7. Klasse, die ich seit dem 5. Schuljahr betreute – und wertete anschließend meine Arbeit mit mir aus. Ich erin­nere mich sehr gut an dieses Gespräch, weil ich in relativ kurzer Zeit eine Menge Tips zu Fragen der Selbsttätigkeit der Schüler bis zur Vorbildwirkung des Lehrers in einer demokratischen Schule bekam.

Wie das im Leben so zugeht: Erst als Dr. Walter Wolf wieder abgereist war, erinnerte ich mich eines Dokuments, das seit gut zwei Jahren in einer meiner zahlreichen Mappen lag. Es war überschrieben mit „Methodisches Manifest“ und begann mit folgendem Text: „Am 4. Juli 1946 fand in Weimar eine pädagogische Konferenz statt, in der eine Kommission gewählt wurde, die in zwei Sitzungen am 12. und 22. Juli unter Vorsitz von Landesdirektor Dr. Wolf dieses ,Methodische Manifest‘ annahm, welches die Plattform für eine breite Diskussion in den Thüringer Schulen bilden soll mit dem Ziel der Hebung des methodischen Niveaus.“ Besonderen Wert wurde in dem Manifest auf die Selbsttätigkeit der Schüler gelegt: „Der Lehrer soll dem Kinde nicht geben, was es nicht selbst finden kann.“ Und weiter: „Die neue demokratische Schule muß zur objektiven Wahrheit und Sachlichkeit, zu vergleichendem Beobachten, ur­sächlichem Denken und selbständigem Urteilen erziehen.“

Ich bin nun längst berentet, verfolge aber durchaus interessiert alle Vorgänge in der derzeitigen Volksbildung. Manchmal denke ich, wie gut wir jungen, antifaschistischen Lehrer doch beraten waren, als uns pädagogische Persönlichkeiten wie Dr. Walter Wolf lenkend und leitend zur Seite standen!