Der Eintrittspreis in den Regierungszirkus heißt Kapitulation
Fragwürdige Koalitionsangebote
Um während der Koalitionsverhandlungen mit der CDU Druck auf den potentiellen Partner auszuüben, zog der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel ein ganz besonderes Kaninchen aus dem imaginären Zylinder: Er ließ einen Parteitagsbeschluß herbeiführen, durch den die Linkspartei ab 2017 als denkbarer Partner für Koalitionen in Betracht gezogen wird. Dafür stellte er nur eine Bedingung: Die PDL müsse sich bis dahin den Positionen der SPD entscheidend „annähern“, sprich: die EU-Mehrheitspolitik sowie „Werte“ und Verpflichtungen aus dem NATO-Bündnis anerkennen, ja sogar mitvertreten.
Kröche die PDL auf diesen Leim, dann wären auch in Sachfragen bei künftigen Koalitionsverhandlungen keine Blumentöpfe mit deren „deutlicher Handschrift“ mehr zu gewinnen. Denn die Spielregeln einer Teilhabe am System und seiner Machtsphäre würden durch die SPD bestimmt, während die PDL lediglich eine Partei wäre, welche die schlimmsten Auswüchse des Kapitalismus publikumswirksam abzufedern hätte, wenn der Unwille des Wahlvolkes zu stark anschwillt. So bestünde ihre Funktion vor allem darin, den „Druck der Straße“ im Interesse der Herrschenden zu kanalisieren.
„Warum eigentlich?“ fragte Ellen Brombacher von der Kommunistische Plattform der Partei Die Linke. Warum wurde bei der Annahme eines Textvorschlags für eine Ausstellung über einst in der UdSSR arbeitende, später umgebrachte Genossinnen und Genossen auf der PDL-Vorstandssitzung am 18. Oktober 2013 ein unverzichtbarer Satz gestrichen? Er lautete: „Sie (die Ausstellung) informiert und erweckt nicht den Eindruck, der Totalitarismus-Ideologie das Wort zu reden.“
Dieselben Kräfte, welche eine „von Fall zu Fall“-Befürwortung „stabilisierender“, UN-mandatierter Kriegseinsätze im Sinne von Joschka Fischer befürworten, nähern sich längst der Totalitarismus-Doktrin notorischer Antikommunisten oder sind bereit, sie als marginale Hürde auf dem Weg zur „Regierungsfähigkeit“ einfach zu überspringen. Ihre bisherigen Äußerungen und Aktivitäten in bezug auf die „verbrannte und abgehakte Geschichte des real existierenden Sozialismus“ liegen genau auf dieser Linie. Ein unnützes Hindernis muß bis 2017 aus dem Wege geräumt sein.
Am 3. Juni 2013 begrüßte der Bundestag den von CDU und FDP vorgelegten „Bericht zum Stand der Aufarbeitung der SED-Diktatur“ und ein Programm zur verstärkten Fortsetzung der bisherigen Linie. Neben der Errichtung eines „Mahnmals für die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft“ werden die alten Schwerpunkte „Gedenk- und Mahnstätten mit medialer didaktischer Aufbereitung, Zeitzeugendarbietungen in Schulen und Bildungseinrichtungen (seit 2011 fanden ca. 1000 Veranstaltungen mit rund 50 000 Teilnehmern statt – J.-H. M.), Verlängerung und Zugangsausweitung für Auskunftssuchende“ im Rahmen des „Stasi-Unterlagengesetzes“ weiter verfolgt. Für diese „hehren Zwecke“ durfte der BRD-Steuerzahler bisher 100 Millionen Euro (!) pro Jahr berappen. „Undemokratischen Kräften und Tendenzen zur Verharmlosung und Verklärung der DDR-Diktatur“ solle dadurch entgegengetreten werden, daß man deren „Opfer“ als „Vorkämpfer für Freiheit, Demokratie und ein vereintes Deutschland“ politisch und gesellschaftlich stärker würdige. Das Ziel der weiteren „Aufarbeitung“ bestehe darin, „gerade die junge Generation, die keine eigenen Erfahrungen mit der deutschen Teilung gemacht hat … anhand der Diktaturgeschichte Deutschlands verstärkt für den Wert von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit zu sensibilisieren“, heißt es da phrasenreich. Das sei auch „ein wichtiger Baustein unserer wertegebundenen Außenpolitik“.
Das ist Totalitarismus-Doktrin in Reinkultur! Wissenschaftlich sind dabei lediglich die didaktischen und psychologischen Methoden, wobei die unverhohlene politische Absicht schon auf den ersten Blick erkennbar wird.
„Freiheit und Demokratie“ nach bundesdeutscher Art, wie in den USA, Griechenland, Portugal, Italien oder Ungarn, Irak, Afghanistan und Syrien? All das steht auf dem Boden „freier marktwirtschaftlicher Entfaltung“ und ohne die „Wege des Marxismus“, die „alle nach Moskau führen“, wie die CDU 1952 im Wahlkampf plakatierte. Es handelt sich um die Kröte, welche jene schlucken müssen, die für die Einheitsbrei-Parteien des bundesdeutschen Machtkartells „regierungsfähig“ werden wollen.
Dabei wurmt auch anspruchsvollere Mitarbeiter an diesem Projekt, wie man einer Beilage der bundeseigenen Zeitschrift „Das Parlament“ entnehmen konnte, durchaus die Einseitigkeit und Banalität der Schwerpunktsetzung auf „Stasi“ und „Mauer“. Schon die „Sabrow-Kommission“, die unter der Regierung aus SPD und Grünen installiert wurde, wies 2006 auf Geschichtswidriges und die Wirksamkeit der Delegitimierungsprogramme beeinträchtigende Mängel einer allzu ahistorisch-primitiven Darstellungsweise hin. Die Widersprüchlichkeit (von Schatten und Licht) des Lebens in der DDR dürfe nicht unterschlagen, sondern müsse berücksichtigt werden, auch die Einbindungen in den Ost-West-Konflikt. Nur mit differenzierterer und vielseitigerer Taktik auf höherem Niveau könne man überzeugend das Ziel der DDR-Abwertung erreichen und für das eigene System wirkungsvoll werben. Gefährlich seien die sozialistischen Ideale und deren teilweise Umsetzung in der DDR, da das weitgehend intakte Erinnerungsvermögen noch lebender Zeitzeugen ständig ins Bewußtsein anderer gerückt werden könnte.
Die Knabes und Neumanns haben sich dennoch mit ihrer Totschlagsmethode im Bundestag bis heute durchsetzen können. Das geschah mit Billigung von SPD und Grünen sowie unter dem Protest sozialistisch gesinnter PDL-Abgeordneter, die in der Fraktion indes nicht die Mehrheit verkörpern. Sie unterstützen die ernstzunehmende Kritik fortschrittlicher Geschichtslehrer aus Kreisen der Gewerkschaft GEW und linksorientierter Wissenschaftler, welche die primitive Massenverhetzung mit der definitiven Absicht, alle marxistischen und auf Systemveränderung zielenden Ideen „zu verbrennen“, so nicht umzusetzen bereit sind.
Eine widerspruchslose Akzeptanz der Verunglimpfung des realen Sozialismus, der – trotz seiner Etappenniederlage – seit 1917 die Welt entscheidend verändert hat und weiterwirken wird, läßt sich nur aus schäbigstem Opportunismus und naiver Arglosigkeit gegenüber den Propagandalügen der „westlichen Wertegemeinschaft“ sowie mit blindem Vertrauen in das System der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie erklären. In Konjunkturzeiten päppelt man die Wähler mit Versprechungen und Zusagen, in Krisenzeiten schlägt man um so brutaler zu. Von bewußt agierenden Agenten einmal abgesehen, mischen sich in einer pluralistischen Partei wie der PDL Verfechter solcher Positionen mit den Auffassungen sehr vieler redlich um Fortschritt bemühter Mitglieder, die vorerst (noch) dagegenhalten können. Jedenfalls so lange, wie ein Vorstand nicht die „Büchse der Pandora“ öffnet, um dem erlauchten Machthaberzirkel aus CDU und SPD sowie bestimmenden Teilen der Grünen beitreten zu dürfen.
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