Für wen glänzt das „Elfenbein“ an Afrikas Côte d’Ivoire?
Frankreich plündert frühere Kolonien
Sicher geleitet eine junge Frau die größten Pötte der Welt durch den Hafenkanal an die Piers von Abidjan, dem Wirtschaftszentrum der Elfenbeinküste (Côte d’lvoire). In einem der ärmsten Länder des Kontinents haben die jungen Mütter in ihren farbenfrohen Gewändern die Kinder herausgeputzt. Durch Staub und Schlamm begeben sich Dozenten in feinem Zwirn zu ihren Vorlesungen an der neuen Universität. Die Marktfrauen von Abidjan, die sich in einer Genossenschaft organisiert haben, sicherten während des vier Jahre zurückliegenden Bürgerkriegs die Versorgung ihrer Millionenstadt.
Der aber ist eine Hauptursache für die anhaltend bittere Armut des Landes. An dem spürbaren Aufschwung wird in geringem Maße lediglich die Mittelschicht beteiligt. Große Teile der Bevölkerung leben im Ballungsraum von Abidjan nicht in Häusern, sondern in Hütten, die in der Regenzeit davonschwimmen, während sich eine kleine Oberschicht in umfriedeten und komfortabel ausgestatteten Wohnquartieren von privaten Sicherheitsunternehmen bewachen läßt. Eigentliche Nutznießer der jüngsten Entwicklung sind einmal mehr französische Konzerne wie France Télécom, der Bauriese Bouygues SA, Schokoladenhersteller und Plantagenbesitzer, die alle Schlüsselstellungen des Landes – Wasser, Energie, Kommunikation, Verkehr, Häfen, Landwirtschaft und größte Banken – in Händen haben. Einer der einflußreichsten Akteure ist der vier Milliarden Dollar schwere Großkapitalist Vincent Bolloré. Als Kern seines Unternehmens ist die „Africa Logistics“ zu betrachten, die 2008 einen Jahresumsatz von 1,4 Milliarden Euro erzielte. Ihr gehören unter anderem die Eisenbahnlinien der Elfenbeinküste. Auf 21 Jahre besitzt sie die Konzession zum Betrieb des neuen Containerhafens von Abidjan. Mit der Progosagruppe liefert sie sich einen harten Konkurrenzkampf um die Vorherrschaft über die afrikanischen Häfen.
Einen entscheidenden Vorteil hat sich Vincent Bolloré jetzt mit dem Ausbau des Hafens von Abidjan gesichert. Dort entsteht ein zweites Containerterminal. Es ist Bestandteil des „Abidjan-Lagos Trade and Transport Facilitation Program“ der Weltbank. Entlang eines zu errichtenden 1000 Kilometer langen Küstenkorridors von Abidjan nach Lagos in Nigeria, wo sich ein weiterer Containerhafen von Vincent Bolloré befindet, sollen Handel und Verkehr frei fließen. Von dieser Trasse aus will man die nördlichen Binnenländer erschließen. Direkt sind vier und indirekt alle 16 Staaten Westafrikas mit für 2015 prognostizierten 320 Millionen Einwohnern betroffen. Es soll ein Markt, so die Weltbank, von 70 Millionen Konsumenten geschaffen werden. Die zweite Phase dieses Projekts ist gerade angelaufen. Sie sieht neben dem Hafenausbau in Abidjan die Fertigstellung des über 130 Kilometer in der Elfenbeinküste verlaufenden Teilstücks der Trasse und die Vereinfachung der Zollformalitäten im Hafen von Abidjan vor. Über die Lagune in der von chronischem Verkehrschaos geplagten Metropole wurde bereits im Rahmen dieses Programms eine dritte Brücke geschlagen.
2010 hatte Vincent Bolloré in der Elfenbeinküste schon kein Licht mehr gesehen. Der damalige Präsident Laurent Gbagbo verkündete, die seit der Kolonialzeit ungebrochen bestehende enge Bindung an Frankreich lockern zu wollen. Er hatte Investoren aus China, Südafrika und Libyen eingeladen. Überdies verkündete er, die Verträge mit Frankreich einer Überprüfung unterziehen zu wollen. Dieser aus der Gewerkschaftsbewegung hervorgegangene Mann gewann die Wahl knapp vor seinem Gegenspieler Alassanne Ouattara, der sich Meriten beim Internationalen Währungsfonds erworben hatte.
Es sei dahingestellt, ob Bolloré den damaligen französischen Präsidenten Sarkozy bei einer Kreuzfahrt auf seiner Yacht „Paloma“ oder im Privatjet auf die Entwicklung an der Elfenbeinküste aufmerksam machte; jedenfalls entschied die von Frankreich dominierte örtliche UNO-Mission, der Wahlsieger sei Alassanne Ouattara. Laurent Gbagbo, der das nicht wahrhaben wollte, wurde gezeigt, wer Herr im Hause ist. Französische Spezialeinheiten, die „Forces Licorne“, besetzten den Hafen und den Flugplatz, Hubschrauber der ebenfalls französisch geführten UN-Blauhelmtruppe (UNOCI), die aus Soldaten der von Frankreich geschmiedeten westafrikanischen Allianz besteht, bombten den Einheiten Ouattaras den Weg in den Präsidentenpalast frei. Die Verhaftung und Folterung Gbagbos wurde den Putschisten, die sich bis dahin in den Wäldern verborgen hatten, überlassen. Die gesamte Operation, erfuhr man aus der UNO-Resolution 1975/2011, war von bestialischen Verbrechen begleitet. Doch nur 3000 Tote wurden eingestanden.
Dieser zweite blutige Bürgerkrieg wird offiziell als den „Wahlen folgende Krise“ heruntergespielt. Laurent Gbagbo klagte man vor dem Internationalen Gerichtshof in den Den Haag wegen angeblichen Verstoßes gegen die Menschenrechte und Kriegsverbrechen an.
Frankreich rechtfertigte sein Eingreifen mit der erwähnten UN-Resolution, die vorsieht „den Einsatz schwerer Waffen gegen die Zivilbevölkerung zu verhindern“. Alassanne Ouattara hat inzwischen neue Verträge mit Paris geschlossen. Sie sichern weitere Militärbasen und auch den Zugriff auf die vor der Küste entdeckten Öl- und Gasvorkommen zu. Zudem hat seine Regierung Frankreich alle bürgerkriegsbedingten wirtschaftlichen Ausfälle erstattet.
Anläßlich der Eröffnung der Exposition einer ivorischen Künstlerin in Berlin lud Botschafter Léon Houadja Adom Kacou deutsche Unternehmer ein, ebenfalls in der Elfenbeinküste zu investieren. Auf besorgte Fragen, ob denn nicht die politischen Unruhen in Nachbarländern wie Mali ein zu hohes Risiko darstellten, wurde versichert, Frankreich wisse seine wirtschaftlichen Interessen zu schützen. Dazu müssen sich die Investoren nicht allein auf die frühere Kolonialmacht verlassen. Anfang des Jahres verkündete BRD-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen auf der Münchener Sicherheitskonferenz, auch Deutschland werde sich verstärkt in Afrika engagieren. Grund zur Besorgnis gibt auch die Klage von Bundespräsident Gauck auf jener Konferenz: „Ich leide wie viele Menschenrechtsverteidiger in aller Welt daran, daß nicht überall dort eingegriffen wird, wo es ethisch, zum Schutz von Leib und Leben bedrohter Menschen, geboten wäre.“
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